Mercedes-Besitzer erhielten im November vergangenen Jahres per E-Mail neue Nutzungsbedingungen für den Dienst «Me connect» zugestellt. Die Nutzungsbedingungen sind für die Kunden eine Zumutung: In schwer verständlicher Sprache verfasst und 220 000 Zeichen lang – so umfangreich wie 70 K-Tipp-Seiten.
Doch was ist «Me connect» überhaupt? Der Dienst umfasst über 50 Funktionen. Einige Beispiele:
Wartungsmanagement
Das Auto meldet der Garage selbständig, dass ein Service nötig ist.
Unfallmanagement
Bei einem Unfall setzt das Auto einen Notruf ab.
Parkassistent
Via Smartphone-App parkiert der Besitzer seinen Mercedes, ohne dass er selber drinsitzt.
Ortung
Der Mercedes-Besitzer kann sein Auto orten lassen, wenn er nicht mehr weiss, wo es steht.
Fernabfrage
Via Computer oder Smartphone kontrolliert der Mercedes-Besitzer von zu Hause aus, ob der Reifendruck genügt, ob noch Wischwasser vorhanden ist und ob die Bremsbeläge in Ordnung sind.
Internetradio
Ermöglicht den Zugriff auf Sender, die nur via Internet zu empfangen sind.
Karten-Update
Die Navigationskarten lassen sich per Internet aktualisieren.
Ferndiagnose
Der Garagist kann den Zustand des Autos von der Garage aus kontrollieren.
Stau-Alarm wurde abgeschafft
Mercedes streicht mit den neuen Nutzungsbedingungen gewisse Funktionen – zum Beispiel die «Fahrzeitprognose». Sie errechnete die voraussichtliche Fahrzeit für häufig gefahrene Strecken. So erhielt der Mercedes-Besitzer einen Alarm, wenn er wegen eines Staus früher zur Arbeit fahren musste als normal.
Ebenfalls abgeschafft ist die Funktion «Smart Home»: Auf dem Nachhauseweg fragte das Auto, ob es zu Hause die Heizung hochfahren und das Licht einschalten solle. Aber natürlich nur, sofern das Haus entsprechend ausgerüstet ist.
Mercedes hat auch neue Funktionen eingerichtet – zum Beispiel die «personalisierte Navigation»: Das Auto empfiehlt zum Beispiel Tankstellen. Dazu ermittelt es Tankfüllstand, Verbrauch, das Ziel im Navi, die Zahl der Passagiere (anhand der geschlossenen Gurte) und Tankgewohnheiten (Tag, Zeit, Ort, Benzinpreis).
Das Erfassen persönlicher Daten ist rechtlich heikel. Das wissen auch die Mercedes-Verantwortlichen. Deshalb machen sie ihren Kunden strenge Vorschriften. Wer sein Auto ausleiht, muss den anderen Fahrzeugbenutzer «über die Dienste und die damit verbundene Datenerhebung und -verarbeitung informieren».
Doch zurück zu den neuen Nutzungsbedingungen mit den 220 000 Zeichen: Mercedes räumt seinen Kunden dafür zwar ein Widerspruchsrecht ein. Gleichzeitig droht der Autofabrikant: «Wir können unseren Kunden unsere Dienste und Leistungen nur einheitlich zu den neuen geänderten Nutzungsbedingungen zur Verfügung stellen. Deshalb müssen wir im Falle eines Widerspruchs die Dienste deaktivieren.»
Änderungen muss man nicht akzeptieren
Das heisst im Klartext: Wenn ein Mercedes-Besitzer an den Bedingungen, die beim Kauf galten, festhalten möchte, dann kappt Mercedes die «Me connect»-Dienste. Rechtlich ist das Vorgehen von Mercedes nicht haltbar. Denn eine Vertragsänderung ist nur gültig, wenn beide Parteien zustimmen. Wer mit der Änderung nicht einverstanden ist, sollte dies also schriftlich mit eingeschriebenem Brief mitteilen. Dann gilt der bisherige Vertrag weiterhin. Streicht Mercedes die Funktionen trotzdem, wird der Händler, bei dem das Auto gekauft wurde, schadenersatzpflichtig.
Mercedes sagt dazu gegenüber dem K-Tipp: «Wir entwickeln unsere Dienste laufend weiter.» Daher müssten auch die Nutzungsbedingungen regelmässig aktualisiert und erweitert werden.
Übrigens: Nur drei Monate nach den erwähnten Änderungen hat Mercedes seinen Kunden schon wieder neue Nutzungsbedingungen zugestellt – wieder rund 220 000 Zeichen lang.
Der gläserne Autofahrer
Moderne Autos zeichnen zahlreiche Daten auf und übertragen sie unbemerkt und ungefragt an die Hersteller. Die Überwachung lässt sich vom Fahrzeugbesitzer nicht abstellen.
Mit diesen Daten registrieren Autokonzerne den technischen Zustand des Autos und das Fahrverhalten. Das belegen aktuelle Untersuchungen des Touring Club Schweiz (TCS) und des Deutschen Automobilclubs ADAC. Zwei Beispiele:
Bei einem Mercedes B-Klasse stellte der ADAC fest, dass das Auto etwa alle zwei Minuten die genaue Position des Fahrzeugs speicherte. Das Gleiche gilt für Kilometerstand, Spritverbrauch, Tankfüllung oder Reifendruck.
Beim Elektroauto Renault Zoe kann der Hersteller das Aufladen der Batterie von Renault via Mobilfunkverbindung jederzeit unterbinden – zum Beispiel, wenn die Leasing-Rechnung für die Batterie nicht bezahlt wurde. Zudem sendet der Renault Zoe bei jeder Fahrt unter anderem Position, Temperatur, Ladung und Batteriedaten. Renault kann diese Informationen jederzeit abrufen – ohne dass der Besitzer kontaktiert wird.