Der 35-jährige Tobias Fiedler lebt seit Ende 2019 mit seiner Freundin in einer 5-Zimmer-Wohnung in Rorschach SG. Das Paar bezahlt pro Monat 1320 Franken für die Miete, hinzu kommen Akonto-Nebenkosten von 180 Franken. Akonto heisst: Mieter zahlen einen im Vertrag vereinbarten Betrag monatlich im Voraus, damit sie die jährlichen Nebenkosten nicht auf einmal aufbringen müssen. Sind die tatsächlichen Kosten höher als die Akontozahlungen, müssen sie einen zusätzlichen Betrag zahlen. Sind die realen Kosten tiefer, erhalten sie vom Vermieter Geld zurück.
Andere Mietverträge sehen für die Nebenkosten eine fixe Pauschale pro Monat vor. In diesem Fall gibt es keine Nebenkostenabrechnung. Mit den monatlichen Zahlungen sind diese Kosten abgegolten.
Zusatzkosten wegen falscher Abrechnung
Verlangt ein Vermieter für die Nebenkosten Akontozahlungen, muss er laut Gesetz jährlich eine Abrechnung erstellen. Für das Jahr 2021 erhielt Fiedler von seiner Vermieterin, der Epigeos AG mit Sitz in Kloten ZH, Anfang 2023 eine Abrechnung der Nebenkosten. Epigeos forderte zusätzlich zu den Akontozahlungen von total 2160 Franken weitere 2600 Franken.
Fiedler schaute die Abrechnung genau an und entdeckte Rechenfehler: Epigeos belastete den vier Mietparteien im Haus den Allgemeinstrom von rund 1700 Franken und den Wasserverbrauch für knapp 1300 Franken jeweils doppelt. Zusätzlich verlangte sie ein Verwaltungshonorar von 3,5 Prozent. Laut Mietvertrag sind nur 3 Prozent abgemacht. Fiedler reklamierte bei der Vermieterin und wartet seither auf eine Korrektur.
Der K-Tipp legte die Abrechnung dem Juristen Fabian Gloor vor. Er leitet die Hotline des Mieterverbands Deutschschweiz. Gloor fand weitere Mängel: Die Abrechnung erwähne bloss die Anzahl Quadratmeter, die Fiedlers Wohnung umfasse, nicht jedoch die Gesamtfläche aller Wohnungen. So lasse sich nicht nachprüfen, ob die Kosten richtig auf die einzelnen Mieter verteilt wurden. Zudem habe Epigeos bei den Heizkosten nicht den effektiven Verbrauch belastet, sondern das eingekaufte Heizöl. Schliesslich sollten die Mieter zusätzlich 200 Franken für die Heizungsbedienung durch den Abwart zahlen.
Die Epigeos AG sagt dazu, sie habe eine externe Firma mit der Erstellung der Abrechnung beauftragt. Diese räumt die Fehler ein und verspricht eine korrekte Abrechnung bis Ende Monat. Die Heizungsbedienung zähle zu den Abwartsaufgaben, die 200 Franken würden deshalb gestrichen.
Andere Mieter warteten noch länger auf eine Nebenkostenabrechnung als Tobias Fiedler. Zum Beispiel Vera Petrovic (Name geändert) aus Kloten ZH: Die 73-jährige Rentnerin mietet seit 1996 eine 3-Zimmer-Wohnung. Dafür zahlt sie pro Monat knapp 1300 Franken Miete und 135 Franken als Akontobeitrag für die Heizkosten.
2019 übernahm die Winterthurer Immobilienbewirtschafterin Wincasa AG die Verwaltung. Petrovic bekam für die Heizperiode 2019/2020 erst im Februar 2023 eine Abrechnung – und erhielt 620 Franken zurück, nachdem sie die Verwaltung bei der Schlichtungsbehörde für Mietsachen des Bezirks Bülach ZH eingeklagt hatte. Die Abrechnung für 2020/2021 bekam Petrovic nach einer Intervention des K-Tipp umgehend – inklusive einer Rückerstattung von rund 500 Franken.
Wincasa begründet die Verzögerung in Petrovics Fall damit, dass die Unterlagen fürs Erstellen der Abrechnungen gefehlt hätten. Es sei aufwendig gewesen, sie zu beschaffen.
Schlichtungsbehörde kann eventuell helfen
Laut Fabian Gloor vom Mieterverband gibt es zwei Möglichkeiten, bei Vermietern oder Verwaltungen Druck zu machen: Mieter könnten erstens bei der zuständigen Schlichtungsbehörde für Mietsachen verlangen, dass der Vermieter unter Strafandrohung verpflichtet wird, die Abrechnung zu erstellen. Und zweitens könnten sie dort auch die Erstattung der Akontozahlungen verlangen.
Nachforderung für Nebenkosten: Zahlungsfrist beträgt 30 Tage
Für das Jahr 2022 ist wegen der stark gestiegenen Energiepreise mit deutlich höheren Nebenkosten zu rechnen als bisher. Mieter müssen berechtigte Nachzahlungen begleichen, wenn die Akonto-Beträge zu tief angesetzt waren. Die Zahlungsfrist beträgt laut Bundesgericht 30 Tage. Wer die Kosten innert dieser Frist nicht begleichen kann, sollte versuchen, mit dem Vermieter Abzahlungen zu vereinbaren. Erhebt ein Mieter innert 30 Tagen beim Vermieter Einsprache gegen eine falsche Abrechnung, wird die Nachforderung erst 30 Tage nach der Korrektur fällig.
So kontrollieren Sie die Nebenkostenabrechnung
Mietvertrag genau anschauen
Nebenkosten sind nur geschuldet, wenn sie vertraglich vereinbart sind. Sonst sind sie im Mietzins inbegriffen. Ein Verweis auf Allgemeine Vertragsbedingungen genügt nicht.
Ebenfalls ungültig sind allgemeine Formulierungen wie «Nebenkosten akonto 180 Franken» und «Heizung/übrige Betriebskosten akonto 180 Franken». Die einzelnen Positionen, die zusätzlich zum Mietzins belastet werden, müssen im Mietvertrag ausdrücklich aufgezählt sein. Beispiel: Heiz- und Warmwasserkosten, Hauswartung, Allgemeinstrom und Kehricht.
Gut zu wissen: Wenn ein Mieter jahrelang irrtümlich nicht gültig vereinbarte Nebenkosten zahlte, kann er diese für die zurückliegenden zehn Jahre zurückfordern. Sobald er den Irrtum bemerkt, hat er drei Jahre Zeit, das Geld zurückzuverlangen.
Unzulässige Kosten abziehen
Der Vermieter darf nur Kosten auf die Mieter abwälzen, die mit der Benutzung der Wohnung zusammenhängen. Gebäude- und Haftpflichtversicherungsprämien oder Regenwassergebühren etwa zählen nicht dazu. Auch Kosten für Amortisation, Reparaturen oder den Ersatz alter Geräte sind im Mietzins enthalten und dürfen nicht als Nebenkosten vereinbart werden.
Verteilschlüssel beachten
Der Vermieter muss die Nebenkosten mit einem nachvollziehbaren Verteilschlüssel auf alle Mieter im Haus verteilen. Verbreitet ist die Verteilung der Kosten für Heizung, Warmwasser, Wasser und Kehricht nach Fläche oder Kubikmetern der Wohnung. Kosten für Lift, Strom allgemein und Hauswartung werden oft gleichmässig auf die Mietparteien verteilt. Diese haben kein generelles Recht auf individuelle Zähler. Je nach Kanton können Vermieter jedoch verpflichtet sein, für jede Wohnung eine individuelle, verbrauchsabhängige Heizkostenverteilung vorzunehmen.
Abrechnungsperiode nachprüfen
Oft rechnen Vermieter von Anfang Januar bis Ende Dezember oder von Anfang Juli bis Ende Juni ab. Ein- und ausziehende Mieter müssen nur für die Monate der tatsächlichen Miete zahlen. Wer auszieht, hat keinen Anspruch auf eine vorzeitige Abrechnung. Der Vermieter darf zudem die Freigabe des Depots verweigern, wenn mit Nachzahlungen zu rechnen ist.
Einblick in Belege verlangen
Aus einer seriösen Abrechnung ergibt sich, welche Kosten unter den einzelnen Nebenkostenpositionen angefallen sind und wie der Vermieter sie verteilt. Mieter können Einsicht in die Rechnungsbelege verlangen.