Missbrauch leicht gemacht
Sie sehen sich als Plattform für unabhängige Kritiken «von Urlaubern für Urlauber». Doch Hotelbewertungsseiten im Internet sind einfach auszutricksen.
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K-Tipp 19/2004
17.11.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Claudia Pacelli aus Zürich kam es verdächtig vor. Bei der Ferienplanung hatte sie Hotelbewertungsseiten im Internet konsultiert, um sich ein ungeschöntes Bild von möglichen Domizilen machen zu können. Dabei fiel ihr auf, dass auf manchen kritischen Bericht gleich eine ganze Reihe positiver Bewertungen folgte.
«Deren Wortwahl erinnerte mich oft an die Sprache von Hotelkatalogen», so Pacelli. «Es würde mich nicht wundern, wenn sich da Hotels selber in ein günstiges Licht g...
Claudia Pacelli aus Zürich kam es verdächtig vor. Bei der Ferienplanung hatte sie Hotelbewertungsseiten im Internet konsultiert, um sich ein ungeschöntes Bild von möglichen Domizilen machen zu können. Dabei fiel ihr auf, dass auf manchen kritischen Bericht gleich eine ganze Reihe positiver Bewertungen folgte.
«Deren Wortwahl erinnerte mich oft an die Sprache von Hotelkatalogen», so Pacelli. «Es würde mich nicht wundern, wenn sich da Hotels selber in ein günstiges Licht gerückt hätten.»
Das dürfte eigentlich nicht geschehen. Zwar weisen diverse Hotelbewertungsseiten recht wenig Distanz zum Hotelgewerbe auf. Einige fungieren zum Beispiel als Internet-Reisebüros, über die man bewertete Hotels direkt buchen kann. Doch fast alle Websites untersagen von Hoteliers veranlasste, als Bericht getarnte Eigenwerbung explizit. Nur: Kontrollieren sie die Einhaltung dieses Verbots denn auch?
Der K-Tipp machte die Probe aufs Exempel und trug auf neun Hotelbewertungsseiten anonym einen fingierten Bericht ein. Dessen Text stammte Wort für Wort aus Prospekten des Hotels Ochsen in Zug; da hätte zumindest ein Verdacht auf verkappte Werbung aufkommen müssen.
«Meinungsfreiheit der Kunden»
Dem war aber nicht so. Nur gerade auf einer einzigen Seite, der Website www. hotelkritiken.de, flog der Schwindel auf. Auf allen anderen Seiten konnte man die Lobeshymne auf den «Ochsen» fünf Tage lang unverändert lesen. Sie wurde erst vom Netz genommen, als der K-Tipp die Betreiber der Bewertungsseiten über seine Stichprobe ins Bild setzte.
Um Erklärungen für ihre Unachtsamkeit waren diese nicht verlegen. So argumentierten die Betreiber von www.reisenchecker.de und www.wiewaresdort.de, neue Einträge würden höchstens einmal wöchentlich überprüft. Bei www.cooleferien. com beschäftigte man sich gerade mit einem Server-Wechsel, weshalb die Kontrolle der Bewertungen vernachlässigt worden sei.
Die Verantwortlichen von www.hotelkritiken.com und www.hotelinfodienst.de wiederum gaben unumwunden zu, aus Kapazitätsgründen gar keine Inhaltskontrollen durchzuführen. Jene von www.votello.de verwiesen auf die «Meinungsfreiheit der Kunden». Bei www.open hotelguide.net sowie www. holidaycheck.ch schliesslich hiess es, im Fall «Ochsen» sei es mit dem vorhandenen Instrumentarium («ein ausgeklügeltes IT-System») nicht feststellbar gewesen, dass der Text einem Hotelprospekt entstamme.
Vielleicht hätte ihn jemand halt einfach durchlesen sollen. Donovan Dunker von www.hotelkritiken.de jedenfalls brauchte keine Stunde, um die fingierte Kritik als Werbung zu entlarven. «Das war schon sehr offensichtlich», so sein Fazit.
www.hotelkritiken.de: 40 Werbeattacken
Übrigens: Laut Dunker sind Versuche, als Bericht getarnte Werbung für Hotels zu platzieren, keine Seltenheit. Allein www.hotel kritiken.de hat seit der Betriebsaufnahme im November 2003 etwa 30 bis 40 solche Fälle erlebt - und rechnet mit weiter steigenden Zahlen.
«Seit Generationen gepflegte Gastlichkeit erleben»
Der Text, mit dem der K-Tipp anonym neun Hotelbewertungsseiten im Internet auf die Probe stellte, war wörtlich Werbeunterlagen des City-Hotels Ochsen in Zug entnommen. Entsprechend blumig schilderte er die Qualitäten dieses Hauses.
So hiess es unter anderem, man könne im «Ochsen» «seit Generationen gepflegte Gastlichkeit erleben». Schon beim Empfang werde klar, «dass man sich auf einen angenehmen Aufenthalt freuen darf. Dazu trägt vor allem die echte und fröhliche Gastfreundschaft des Serviceteams, aber auch das gediegene Ambiente des Hauses bei.»
Nur Gutes auch in kulinarischer Hinsicht: «Im Ochsen dinieren heisst, sich im festlichen Rahmen wohl fühlen. Die Küche verwöhnt mit hausgemachten Saisongerichten und Spezialitäten aus nah und fern. Die Krönung ist das grosse Angebot an auserlesenen Weinen zum besten Preis in der Stadt.»