Mit Atomstrom auf Achse
In der SBB-Werbung ist viel von Umweltschutz die Rede. Doch der Bahnstrom ist nicht sonderlich grün.<br />
Inhalt
K-Tipp 02/2010
24.01.2010
Letzte Aktualisierung:
26.01.2010
Gery Schwager
Geht es darum, den Bahnbetrieb in ein ökologisch günstiges Licht zu rücken, schlagen die SBB ziemlich selbstbewusste Töne an. «Die Bahn ist ein äusserst umweltfreundliches Transportmittel», heisst es zum Beispiel auf der SBB-Website. Und in Zeitungswerbung wird plakativ verbreitet: «Mit den SBB sind Sie umweltschonend und klimafreundlich unterwegs.»
Begründung: Die SBB-Züge «fahren mit Strom, der grösstenteils in...
Geht es darum, den Bahnbetrieb in ein ökologisch günstiges Licht zu rücken, schlagen die SBB ziemlich selbstbewusste Töne an. «Die Bahn ist ein äusserst umweltfreundliches Transportmittel», heisst es zum Beispiel auf der SBB-Website. Und in Zeitungswerbung wird plakativ verbreitet: «Mit den SBB sind Sie umweltschonend und klimafreundlich unterwegs.»
Begründung: Die SBB-Züge «fahren mit Strom, der grösstenteils in Wasserkraftwerken und damit praktisch klimaneutral erzeugt wird». Sämtlicher Wasserstrom fliesse aus Werken, die den SBB selber gehören oder an denen sie beteiligt seien. Das tönt alles gut.
«Keine nachhaltige Strombeschaffung»
Nicht an die grosse Glocke hängen die SBB hingegen: 2008 stammten 25,7 Prozent des Bahnstroms aus Atomkraftwerken (AKW). Über die Aktiengesellschaft für Kernenergiebeteiligungen (Akeb) besitzen die SBB Anteile an den französischen AKW Bugey 2+3 (2,5 Prozent) und Cattenom 3+4 (1 Prozent) sowie am Schweizer AKW Leibstadt (2 Prozent), wie SBB-Sprecher Reto Kormann bestätigt.
Und das ist ein ziemlicher Kratzer im Lack. Denn Atomenergie ist nicht erneuerbar. Sie verursacht klimaschädigende CO2-Emissionen – nicht bei der Produktion im Reaktor, wohl aber bei der vorgelagerten Urangewinnung. «Und eine Strombeschaffungspolitik, die einseitig auf Klimaargumenten aufbaut und dabei die Strahlengefahren und Uranminen-Opfer ausblendet, ist nicht nachhaltig», kritisiert Jürg Buri, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stifung (SES).
Wasserkraft ohne Ökostrom-Zertifikat
Trotzdem ist ein Ausstieg der SBB aus der Atomkraft zurzeit kein Thema. Angesichts der prognostizierten Leistungssteigerung im Bahnverkehr um 25 Prozent bis 2030 halten sie sich laut SBB-Magazin «Via» gar die Beteiligung an neuen AKW offen.
Aber auch beim Wasserstrom der SBB ist nicht alles grün, was fliesst: Keines der Kraftwerke, die diesen Strom produzieren, verfügt über die anerkannten Ökostrom-Zertifikate «Naturemade basic» oder «Naturemade star» des Vereins für umweltgerechte Elektrizität (VUE).
Die Naturemade-Gütezeichen gibts nur für Energie aus erneuerbaren Quellen. Sie verpflichten über detaillierte Kriterienkataloge zu nachhaltiger Produktion und umweltschonender Betriebsführung, machen aber – in der Variante «star» – zum Beispiel auch Auflagen zu Gewässer- und Landschaftsschutz.
Vorbildfunktion vernachlässigt
«Wir würden uns extrem über ein Zertifizierungsgesuch der SBB freuen», sagt VUE-Sprecherin Ursula Stocker. Und Jürg Buri von der SES ergänzt: «Man dürfte von einem Staatsbetrieb erwarten, dass er im Sinne der Vorbildfunktion auch seine Stromproduktion auf nachhaltig trimmt.» Doch die Bundesbahnen setzen andere Prioritäten. Sie wollen insbesondere ihre Energieeffizienz steigern und bis 2015 10 Prozent des prognostizierten Energiebedarfs einsparen.
Ganz schliessen die SBB indes nicht aus, dereinst auch die Produktion von Naturmade-Bahnstrom zu prüfen. Beim Kraftwerk Amsteg, an dem die Bundesbahnen mit 90 Prozent beteiligt sind, stand die Zertifizierung vor einigen Jahren bereits einmal zur Debatte. Sie wurde jedoch nicht realisiert. Der Grund: «Es gab schlicht kein Geschäftsmodell, mit dem die für die Zertifizierung notwendigen Investitionen rentabel geworden wären», so SBB-Sprecher Reto Kormann. Oder anders gesagt: Die SBB reuten das Geld.