Mit dem Velohelm auf die Skipiste?
Verwirrung total: Viele Helme erfüllen die Sicherheitsnorm für Skihelme nicht. Verkauft werden dürfen sie trotzdem - als Schneesporthelme.
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K-Tipp 19/2004
17.11.2004
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Eigentlich dürften viele Hersteller ihre Wintersporthelme nicht nach Europa importieren. Sie erfüllen zwar die gültige amerikanische ASTM-Norm 2040 für «snowsportshelmets». Doch weicht diese von der europäischen Skihelmnorm EN 1077 so stark ab, dass die Hersteller die Zulassung als Helme für den Skisport nicht erhalten.
Doch die findigen Hersteller wissen sich zu helfen: Sie versehen ihre Produkte mit der Etikette EN 1078. Diese Norm gilt für Velo-, Skateboard- und Rollsc...
Eigentlich dürften viele Hersteller ihre Wintersporthelme nicht nach Europa importieren. Sie erfüllen zwar die gültige amerikanische ASTM-Norm 2040 für «snowsportshelmets». Doch weicht diese von der europäischen Skihelmnorm EN 1077 so stark ab, dass die Hersteller die Zulassung als Helme für den Skisport nicht erhalten.
Doch die findigen Hersteller wissen sich zu helfen: Sie versehen ihre Produkte mit der Etikette EN 1078. Diese Norm gilt für Velo-, Skateboard- und Rollschuhhelme. Obwohl EN 1078 nicht das Geringste mit Schneesportarten zu tun hat, erhalten die US-Helmhersteller damit Zugang zum europäischen Markt. Die gleichen Helme werden auch in der Schweiz verkauft.
Velohelme werden zu Schneesporthelmen
In der Schweiz wacht die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) als Kontrollorgan darüber, dass Helme für Winter- und Sommersport den Sicherheitsbestimmungen genügen. Für sie ist klar: Erfüllt ein Produkt bloss die Norm für Velohelme, darf es nicht unter dem Namen «Skihelm» verkauft werden. Doch gibt es auch hier ein Hintertürchen: Hersteller verkaufen den Kopfschutz als «Schneesporthelm» oder «Snowboardhelm». Die BfU erlaubt dies ausdrücklich, wenn ein Helm die amerikanische oder die Velohelm-Norm erfüllt.
Käufer realisieren die Unterschiede kaum
«Da fragt man sich schon, ob der Konsument nicht in die Irre geführt wird», kritisiert Markus Ott, Geschäftsleiter von Uvex Schweiz. Der Käufer merke im Laden doch nicht, dass es zwischen Ski- und Schneesporthelmen einen grossen Unterschied geben könne. Hersteller Uvex hat sich entschieden, seine Helme weiterhin ausschliesslich nach der gültigen europäischen Norm für Skifahrer herzustellen.
Die US-Norm ist in zwei Punkten weniger streng als die europäische: Es fehlt ein Test, der den Schutz gegen spitze Gegenstände wie Skistockspitzen simuliert, und die Ohrenpartie muss nicht geschützt werden. Dafür wird die Schutzfunktion bei der Stossdämpfung etwas strenger bewertet.
Auch Fachleute stellen die Richtlinien der BfU in Frage: «Helme zuzulassen, die nur nach der Velohelmnorm geprüft sind, ist gewagt», sagt Stephan Andreae, Experte für persönliche Schutzausrüstung beim deutschen TÜV Rheinland und Mitglied im EU-Komitee, das sich mit der Überarbeitung der Skihelmnorm beschäftigt. «Irgendwann sind wir so weit, dass man Kinder mit Velohelmen auf die Piste schickt.»
Die BfU bestätigt, dass Hersteller tatsächlich normale Velohelme als Schneesporthelme verkaufen können. Trotz der verwirrenden Bestimmungen bleibt die BfU aber bei ihrer Empfehlung: Fürs Skifahren und Snowboarden ausschliesslich Helme nach EN 1077 tragen.