Morsche 4. Säule
Wer möchte das nicht? 20 000 Franken bar auf die Hand und ohne Eigenkapital in 25 Jahren Wohnungen besitzen? Mit solchen Offerten gehen Vermittler auf Kundenfang.
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K-Tipp 9/2003
07.05.2003
Marco Diener - mdiener@ktipp.ch
Die Briefe an den K-Tipp klingen alle ähnlich: «Ein Kollege hat mich auf die 4. Säule aufmerksam gemacht. Damit wäre ich meine finanziellen Sorgen im Alter los. Ich frage mich aber, ob dieses System auf Dauer funktionieren kann. Soll ich zugreifen?»
Nein, sagt der K-Tipp. Zwar ist in den Unterlagen unter dem Motto «Grundbuch statt Sparbuch» von einer «sensationellen Neuheit auf dem Schweizer Markt» die Rede, die den «3. Lebensabschnitt wirkungsvoll sichert». Doch dahint...
Die Briefe an den K-Tipp klingen alle ähnlich: «Ein Kollege hat mich auf die 4. Säule aufmerksam gemacht. Damit wäre ich meine finanziellen Sorgen im Alter los. Ich frage mich aber, ob dieses System auf Dauer funktionieren kann. Soll ich zugreifen?»
Nein, sagt der K-Tipp. Zwar ist in den Unterlagen unter dem Motto «Grundbuch statt Sparbuch» von einer «sensationellen Neuheit auf dem Schweizer Markt» die Rede, die den «3. Lebensabschnitt wirkungsvoll sichert». Doch dahinter steckt ein abenteuerliches Konstrukt. Dieses kann zwar auf Laien eindrücklich wirken, ist in Tat und Wahrheit aber morsch bis in die Grundfesten.
Worum geht es? Der Kunde soll vermietete Wohnungen kaufen. Eigenkapital braucht er dazu nicht. Mit den Mieteinnahmen zahlt er den Hypothekarzins, die Verwaltung der Wohnungen und macht Rückstellungen für Reparaturen.
Auch eine Lebensversicherung ist im Spiel. Sie dient dazu, die Hypothek abzuzahlen. Das heisst: Wenn die Lebensversicherung nach 25 Jahren ausgezahlt wird, dient dieses Geld zur Tilgung der Hypothek. Der Kunde ist dann angeblich Besitzer von zwei unbelasteten Wohnungen - und das «angenehme Leben im fortgeschrittenen Alter» ist gesichert. Meist befinden sich die Immobilien in Österreich.
Nach den Unterlagen reichen die Mietzinseinnahmen sogar noch, um die Prämien dieser Lebensversicherung zu bezahlen. Es handelt sich dabei um eine Fondspolice, der Ertrag soll also aus Börsengewinnen resultieren.
Keine Angaben über Anbieter und Bank
Um das finanztechnische Wunder komplett zu machen, erhält der Kunde bereits bei Geschäftsabschluss 20 000 Franken in bar.
Der K-Tipp rät aus folgenden Gründen ab:
- In allen vorliegenden Unterlagen fehlen Angaben über Anbieter und Bank. Das ist ein schlechtes Zeichen. Für Laien sind die Unterlagen nicht durchschaubar.
- Die Käufer werden im Kollegenkreis gesucht. Das ist typisch für Angebote, die in schneeballähnlich aufgebauten Strukturen vertrieben werden. Die Versprechen, die hier gemacht werden, sind nicht überprüfbar. Verkauft werden die Wohnungen auch an Veranstaltungen. Anwesend sind jeweils sehr viele Mitarbeiter, die auf die Teilnehmer Druck ausüben. Es ist sicher, dass die Verkäufer Provisionen kassieren.
- Vermittler sind nicht Finanzfachleute, sondern in Fällen, die der K-Tipp kennt, Coiffeurmeister oder Flachmaler. Ihre Aufgabe ist es, möglichst viele Kunden zu gewinnen.
- Die Anbieter sprechen gerne von der 4. Säule. Das klingt zwar offiziell, hat aber mit den seriösen Einrichtungen AHV, Pensionskasse oder 3. Säule nichts zu tun.
- Die Rechnung basiert auf einem Hypothekarzins von 2,5 Prozent. Im langfristigen Durchschnitt war er bisher etwa doppelt so hoch. Die Fondspolice wirft angeblich 6 Prozent pro Jahr ab. Auch das ist langfristig unsicher. Die Rechnung geht also höchstwahrscheinlich nicht auf - zumal zwischendurch auch Mieteinnahmen wegfallen können. Was dann passiert, ist absolut unklar. Es ist anzunehmen, dass die Opfer dann plötzlich mit Forderungen der Bank und der Versicherung konfrontiert sind.
Unrealistische Hypozins-Prognosen
«Es gibt Hunderte solcher Angebote», weiss Lorenz Heim vom VZ Vermögenszentrum in Zürich. «Da baut jemand eine Riesenkonstruktion, bei der niemand mehr durchblickt. Und dabei geht es nur darum, eine Fondspolice zu verkaufen und hohe Provisionen zu kassieren.»
Heim weist weiter auf die völlig unrealistischen Zins-Prognosen hin. «Wenn der Hypothekarzins steigt», sagt er, «sieht die Rechnung plötzlich ganz anders aus.»
Auch Tayfun Celiker vom Schweizerischen Verband der Immobilien-Treuhänder findet die Angebote «äusserst fragwürdig. Das Erwerben von Wohneigentum ohne Eigenkapital ist nach unserer Erfahrung weder möglich noch seriös.»
Weniger auskunftsfreudig zeigten sich die beiden Anbieter, welche der K-Tipp ausfindig machen konnte. Die Firma BDS in Cham ZG lässt verlauten: «Die Finanzierungen werden nach den Weisungen und Richtlinien der Banken offeriert und abgeschlossen.»
PM-Lifestyle in Vaduz (FL) hat den ausführlichen Fragen-Katalog des K-Tipp auch nicht beantwortet. Allerdings zeigt das Schreiben von PM-Lifestyle, dass Interessenten am besten die Finger von 4. Säule und ähnlichen Angeboten lassen. Denn da steht: «Nach den ersten Zusagen der Bank ist das ganze Projekt jetzt ins Stocken geraten, da die Bank das Projekt nicht finanziert.»