Motorenlärm im Naturpark
Regionale Naturpärke schiessen in der Schweiz fast wie Pilze aus dem Boden. Doch ihr Name ist nicht unbedingt Programm.
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K-Tipp 15/2012
18.09.2012
Gery Schwager
Rund 16 000 Motorsportfans haben am Wochenende vom 8. und 9. September das Gurnigel-Bergrennen verfolgt. Naturschützer dürften wenig begeistert gewesen sein – zumal die Rennstrecke im regionalen Naturpark Gantrisch BE liegt.
Wo Natur draufsteht, ist offenbar nicht nur Natur drin. Das zeigt auch ein Blick auf die Website der Schutzorganisation Mountain Wilderness Schweiz. Sie prangert zum Beispiel den Offroad-Verkehr mit Quads (vierrädrigen Geländet&...
Rund 16 000 Motorsportfans haben am Wochenende vom 8. und 9. September das Gurnigel-Bergrennen verfolgt. Naturschützer dürften wenig begeistert gewesen sein – zumal die Rennstrecke im regionalen Naturpark Gantrisch BE liegt.
Wo Natur draufsteht, ist offenbar nicht nur Natur drin. Das zeigt auch ein Blick auf die Website der Schutzorganisation Mountain Wilderness Schweiz. Sie prangert zum Beispiel den Offroad-Verkehr mit Quads (vierrädrigen Geländetöffs) und Motorschlitten an. Und sie listet zwölf speziell betroffene Gebiete auf. Sechs davon liegen ganz oder teilweise in regionalen Naturpärken. Es gibt gar private Veranstalter, die geführte Quad-Touren verkaufen – etwa im Park Gantrisch. Dort schreibt der Anbieter auch Helikopterflüge aus.
«Naturpärke sind bewohnte Räume»
Das Parkmanagement geht zu diesen Angeboten auf Distanz. Patrick Schmed vom Naturpark Gantrisch verweist lieber auf die landschaftlichen Werte, die als «Rückgrat» des Parks gepflegt und gefördert würden, und auf Parkprojekte wie Kulturpflege und Förderung regionaler Produkte. Quad-Touren seien «eine Randerscheinung» und nicht zu verhindern, da sie gesetzeskonform durchgeführt würden.
«Naturpärke sind keine Wildnisgebiete, sondern bewohnte Räume, in denen die Bevölkerung lebt und wirtschaftet und in denen sich Besucher in ihrer Freizeit bewegen», sagt Andreas Weissen, Geschäftsführer des Netzwerks Schweizer Pärke. Ihr Ziel sei es, die Leute zu motivieren, ihre natürlichen und kulturellen Werte zu erhalten und Ressourcen nachhaltig zu nutzen.
Landschaft als «blosse Kulisse»
Laut Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaft Schweiz (SL), gilt in Naturpärken kein Sonderrecht. «Darum können die Betreiber selbst dann praktisch nur zuschauen, wenn auf ihrem Gebiet – wie etwa im Walliser Naturpark Binntal – eine Staumauer erhöht werden soll.»
Hinzu kommt laut Rodewald der Trend, die Landschaft auch in Naturpärken als blosse Kulisse für alle möglichen Freizeit-Aktivitäten zu interpretieren. «Das ist für die Parkgemeinden ein Spiel mit dem Feuer», glaubt Rodewald. Denn Besucher könnten vom Rummel auch abgeschreckt werden.
Unter dem Strich rächt es sich jetzt, dass die Parkverordnung des Bundes von 2007 nirgends konkret definiert, was in Naturpärken nicht sein darf. Eine solche Auflistung hatte Pro Natura gemäss Zenralsekretär Otto Sieber gefordert – vergeblich.
Da wundert es nicht, dass «die Anstrengungen der Naturpärke im eigentlichen Naturschutzbereich verbesserungwürdig sind», wie es Fredi Lüthin vom WWF formuliert. Auch Katharina Konradin von Mountain Wilderness kritisiert: «Allzu oft werden Naturpärke als Instrument zur wirtschaftlichen Entwicklung missbraucht.»
Es wäre ehrlicher, sie dann nicht «Naturpärke» zu nennen.
14 Naturpärke innert 5 Jahren
Im August hat das Bundesamt für Umwelt vier Landschaften den Status «regionaler Naturpark von nationaler Bedeutung» verliehen. Damit gibt es ab 2013 in der Schweiz 14 Naturpärke.
Die Initiative zur Einrichtung eines Naturparks muss von den Gemeinden des betreffenden Gebiets ausgehen. Diese müssen auch «massgeblich in der Parkträgerschaft vertreten sein». So will es die Parkverordnung des Bundes von 2007. Zudem muss sich das Gebiet «durch seine natur- und kulturlandschaftlichen Eigenschaften» besonders auszeichnen. Laut Gesetz soll in den Pärken die Qualität von Natur und Landschaft erhalten und aufgewertet, aber auch «die nachhaltig betriebene Wirtschaft» gestärkt werden. Der Bund subventioniert die Pärke mit 10 Millionen pro Jahr. (Details: www.paerke.ch)
Nicht zu verwechseln sind Naturpärke mit dem Nationalpark im Engadin : Das Gesetz definiert ihn als «Reservat, in dem die Natur vor allen menschlichen Eingriffen geschützt und namentlich die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen wird».