Nase voll vom Qualm
Rauchfreie Restaurants sind nicht weniger rentabel als Gaststätten, wo geraucht werden darf. Trotzdem sträubt sich die Branche weiterhin gegen mehr Nichtraucherschutz.
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K-Tipp 15/2003
17.09.2003
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Die Tabakbarone reiben sich die Hände: Einzig der Kanton Tessin schreibt rauchfreie Zonen in Restaurants vor. Alle übrigen Schweizer Stände diktieren den Beizen in dieser Frage entweder gar nichts oder begnügen sich mit Gummiparagraphen.
Und zahlreiche Wirte freuts. Dabei hätte das Gastgewerbe von strengeren Bestimmungen zum Schutz der Nichtraucher gar nichts zu befürchten. Bis heute ist noch keine einzige wissenschaftlich seriöse und von der Tabakindustrie unabhängige Stu...
Die Tabakbarone reiben sich die Hände: Einzig der Kanton Tessin schreibt rauchfreie Zonen in Restaurants vor. Alle übrigen Schweizer Stände diktieren den Beizen in dieser Frage entweder gar nichts oder begnügen sich mit Gummiparagraphen.
Und zahlreiche Wirte freuts. Dabei hätte das Gastgewerbe von strengeren Bestimmungen zum Schutz der Nichtraucher gar nichts zu befürchten. Bis heute ist noch keine einzige wissenschaftlich seriöse und von der Tabakindustrie unabhängige Studie zum Schluss gekommen, dass sich Rauchverbote in Restaurants und Bars negativ auf Umsatz und Gewinn auswirken. Das hat ein Team um die australische Gesundheitsforscherin Michelle Scollo jüngst in einer breit angelegten Untersuchung herausgefunden.
Zahlen aus Kalifornien stützen diesen Befund. Dort ist das Rauchen in Restaurants seit 1995 und in Bars seit 1998 untersagt. Die kalifornische Gastrobranche vermochte ihren Gesamtumsatz aber nicht nur zu halten, sondern gar zu steigern, wie die University of California ermittelt hat. Zwischen 1998 und 2001 betrug das Wachstum jedes Jahr zwischen 6 und 10 Prozent.
Doch in der Schweiz sind Lokale mit Rauchverbot oder mindestens einem rauchfreien Raum nach wie vor eine Randerscheinung. Das Online-Verzeichnis der Lungenliga Zürich (www. eat-smokefree.ch) listet gerade mal 98 solche Betriebe auf - und das bei gesamtschweizerisch rund 25 000 Gastgewerbe-Unternehmen.
Einer der rauchfreien «Exoten» ist das Restaurant Sternen in Lengwil TG - und das seit über 16 Jahren. Trotzdem hat die Wirtschaft überlebt, «und zwar ausgezeichnet», wie Wirt Bernhard Bieri unterstreicht: «Unser Umsatz ist gestiegen, wir beschäftigen mehr Angestellte und bilden neu auch Lehrlinge aus.»
Gleichzeitig habe sich das Zielpublikum des «Sternen» verändert, so Bieri weiter: «Wir verkaufen deutlich mehr Essen. Dafür sind einige Vereine, die Stammtisch-Biertrinker, die Znüni-Gäste und die Automaten-Spieler fast völlig verschwunden.»
Mehr Umsatz - und früher Feierabend
Ähnliche Erfahrungen machen Christian Haller und Esther Johner vom Gasthaus Meinradsberg in Einsiedeln SZ, das seit Juni 2002 rauchfrei ist: «Die "ewigen Trin-kerrunden" bis in die Morgenstunden bleiben meist aus. Und wir können frühzeitig Feierabend machen, damit wir am Morgen wieder fit sind.»
Aber auch umsatzmässig sind Haller und Johner zufrieden; die Entwicklung verlaufe «sehr positiv».
Fast gleich tönts bei sechs weiteren vom K-Tipp befragten Betrieben, welche die Glimmstängel aus ihren Gaststuben verbannt haben. Es spricht also einiges dafür, dass «rauchfrei» auch in der Schweiz zum erfolgreichen Label werden könnte.
Gastrosuisse setzt auf Toleranz
Der Branchenverband Gastrosuisse allerdings winkt ab: In den meisten Restaurants sei eine räumliche Trennung in Raucher- und Nichtraucherbereich schon wegen der Grössenverhältnisse nicht möglich. Zudem sollten sich «alle Gäste wohl fühlen».
Gastrosuisse predigt denn auch die gegenseitige Rücksichtnahme - und offeriert den Mitgliedern im Rahmen der Kampagne «Toleranz und Lebensfreude: Raucher und Nichtraucher herzlich willkommen» z. B. gratis Zuckersäckchen und Tafeln zur Kennzeichnung der Raucher- und Nichtrauchertische.
Da kann Jürg Hurter nur lachen. Der Präsident der Stiftung für rauchfreie Luft «Pro Aere» spricht von «Alibi-Kampagne» und hält die Verbands-Argumente für «das übliche Geschwätz von Leuten, die nichts zum Besseren ändern wollen». Gastrosuisse sei «Diener der Zigarettenindustrie».
Tatsächlich hat eine Studie im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO bereits 2001 enge Beziehungen zwischen Schweizer Gastgewerbe und Tabakbranche nachgewiesen. Die Zigarettenindustrie sei eben «verzweifelt darum bemüht, dass drei Viertel der Bevölkerung auch in Zukunft von den 25 Prozent Rauchern belästigt und geschädigt werden», so Hurter. Und den Gastrosuisse-Direktoren empfiehlt er «einen Fremdwörter-Duden, damit sie das Wort Toleranz nicht missbrauchen: Jemanden zu vergiften hat nichts mit Toleranz zu tun.»
Was halten Sie von reinen Nichtraucher-Restaurants? Diskutieren Sie unter www.ktipp.ch.