«Granit aus Indien: Kindersklaven schuften für Schweizer Kunden»: Mit dieser Schlagzeile sorgte 2006 der «Kassensturz» für Aufsehen. Selbst kleine Kinder müssten unter unmenschlichen Bedingungen sechs Tage in der Woche in Staub und im Lärm Granit schlagen, berichtete die Konsumentensendung damals.
Steine werden nicht nur in Indien, sondern in vielen Ländern abgebaut und nachher in die Schweiz transportiert. Die Natursteine stammen zum Beispiel auch aus Vietnam, China und Brasilien.
Weniger bekannt ist, dass in der Schweiz zurzeit in über 70 Steinbrüchen Natursteine abgebaut werden. Laut dem Naturstein-Verband Schweiz handelt es sich hauptsächlich um Gneis, Granit, Quarzit, Sandstein und Kalkstein. Aber auch andere wie Marmor und Kieselkalk kommen vor (siehe Kasten «Schweizer Natursteine»).
Gneis und Granit für draussen geeignet
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. «Die meisten Schweizer Steine lassen sich für Fassaden, Swimmingpools, Gehwege und Treppenstufen verwenden, aber auch im Hausinnern für Bodenbeläge, Küchenabdeckungen, Lavabos und Tische», sagt Jürg Depierraz, Geschäftsführer des Natursteinverbandes.
Daniel A. Walser, Architekt und Dozent an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur, stimmt dem grundsätzlich zu: «Je härter das Material, desto besser kann es der Witterung standhalten. Harte Steine wie Gneise und Granite eignen sich deshalb besonders gut für den Einsatz draussen.»
Im Innern dagegen seien solch harte Steine nicht sehr sinnvoll, da sie schwieriger zu verarbeiten seien. Das führt zu höheren Kosten.
Weicher Stein wie etwa Kalk- oder Sandstein kann laut Walser sowohl innen wie aussen verwendet werden. Doch bei der Wahl des Steins ist Folgendes zu beachten: «Vor allem beim waagrechten Einsatz besteht die Gefahr, dass der Stein von Wasser zersetzt wird. Der Stein wird porös, deshalb entstehen leicht Flecken.» Dies beispielsweise bei auslaufenden Flüssigkeiten in der Küche oder im Bad. Wer Flecken vermeiden möchte, muss den Stein entsprechend pflegen. Walser: «Generell muss man sich bewusst sein, dass Stein eine gewisse Umsicht und Pflege erfordert.»
Schweizer Steine sind in der Regel teurer
Natursteine sind einzigartig. Je nach Stein variiert die Oberflächenstruktur innerhalb von wenigen Metern. «Natursteine kann man nicht einfach aus dem Katalog auswählen», sagt Depierraz. Er empfiehlt deshalb, sich vor dem Kauf umfassend zu informieren.
Tipp: Einen Überblick über alle Natursteinarten und Steinbrüche in der Schweiz findet man unter Pronaturstein.ch, Nvs.ch oder bei den einzelnen Steinbrüchen. Wie bei anderen grösseren Anschaffungen oder Bauten sollte man mehrere Offerten einholen. Denn: «Generelle Aussagen zu den Preisen der einzelnen Steine lassen sich nicht machen», so Jürg Depierraz. Klar ist aber: Schweizer Steine sind in der Regel teurer als vergleichbare aus dem Ausland.
Bunte und «faire» Steine aus dem Ausland
Schweizer Natursteine haben den Nachteil, dass sie bis auf einige Ausnahmen nur in den Farben Grün und Grau vorkommen. Wer andere Farbtöne oder eine andere Struktur bevorzugt, muss auf ein ausländisches Produkt ausweichen. Das Label «Fair Stone» zertifiziert Importeure und Händler, die sich für faire Herstellungsbedingungen – also gegen Kinderarbeit – einsetzen. Hinzu kommen Massnahmen zum Umweltschutz. Mehrere Schweizer Firmen tragen das Label. Die Website Label-online.de, die vom deutschen Ministerium für Verbraucherschutz gefördert wird, bewertet «Fair Stone» als «besonders empfehlenswert». www.fairstone.org
Schweizer Natursteine
In der Schweiz werden hauptsächlich Gneise (oft als Granit oder Quarzit bezeichnet), Sandsteine und Kalksteine abgebaut. Die meisten Steine tragen den Namen des Ortes oder der engeren Region, aus der sie stammen.
Gneis: Wichtigste Produktionsgebiete sind das Tessin und Graubünden. Bekannte Vertreter:
Andeer-Granit: Grüner Stein, der auch unter dem Handelsnamen Verde Andeer bekannt ist. Wurde unter anderem beim Luzerner Bahnhof und der Berliner U-Bahn-Station «Brandenburger Tor» verwendet.
Valser Quarzit: Dieser Stein kommt in verschiedenen Grau- und Grüntönen vor. Quarzeinschlüsse verleihen ihm zudem einen glitzernden Effekt. Bekannte Beispiele sind der Sechseläutenplatz in Zürich und die Therme in Vals.
Onsernone: Vielseitig einsetzbarer, grauer Gneis aus dem gleichnamigen Tessiner Tal.
Kalkstein: Wird hauptsächlich im Jura abgebaut. Bekannte Vertreter:
Liesberger Kalkstein: Farbige Variante in warmen Gelb-, Beige und Rottönen.
Jura Kalkstein: Dieser Kalk bietet ebenfalls ein breites Farbspektrum mit Abstufungen von Beige-Weiss über Gelb bis zu einem kalten Blaugrau.
Sandstein: Die wichtigsten Sandsteinbrüche liegen über das ganze Voralpengebiet verteilt vom Bodensee bis zum Genfersee. Bekannte Vertreter:
Berner Sandstein: Grauer, eher weicher Stein, besonders gut geeignet für Skulpturen. Kann aber auch für Öfen und Böden eingesetzt werden.
Bekannte Bauwerke: Bundeshaus Bern, Berner Münster
Bollinger Sandstein: Der blaugraue Stein wird am oberen Zürichsee gebrochen. Je nach Abbaugebiet variiert das Aussehen und die Beschaffenheit. Bekannte Bauwerke: Fraumünster und Grossmünster in Zürich sowie das Kloster Einsiedeln
Nebst dieser Auswahl gibt es in der Schweiz zahlreiche Spezialitäten, zum Beispiel:
Blausee-Kieselkalk: Stammt aus einem Bergsturzgebiet zwischen Kandersteg und Frutigen BE. Er ist grüngrau mit teilweise rötlichen und blaugrünlichen Färbungen.
Cristallina-Marmor: Bei Peccia TI wird der einzige Marmor der Schweiz abgebaut. Er kommt in sechs verschiedenen Farben und Strukturen vor, von weisslich über grau bis bräunlich.
Unter www.nvs.ch ! Dienstleistungen findet man die Oberflächen von über 160 Natursteinen weltweit.