Swisscom & Co. drücken sich bei Unterbrüchen des Telefonnetzes und des Internets vor der Verantwortung. Sie stellen den Kunden auch dann den ganzen Monat in Rechnung, wenn der Anschluss tage- oder wochenlang unterbrochen war. Nur in Einzelfällen sind sie bereit, die Gebühren freiwillig zu reduzieren. Dabei ist rechtlich klar: Bei einem Unterbruch von mehreren Tagen können Kunden eine Reduktion der Rechnung verlangen («Saldo» 2/2018). Wer sich wehrt, erhält deshalb oft eine Gutschrift (siehe unten).
Bei Pannen gibt es täglich Gutschriften
Doch es geht auch anders: Das zeigt die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom. Sie hat mit den fünf grössten Telecomfirmen verhandelt. Diese versorgen mehr als 90 Prozent aller Internet- und Telefonfestnetzkunden in Grossbritannien. Entstanden ist ein neuer Branchenvertrag, der auch die Kundenbedürfnisse berücksichtigt. Die englischen Unternehmen verpflichten sich darin, den Kunden bei Pannen bestimmte Beträge gutzuschreiben – und zwar umgerechnet:
- Fr. 10.40 pro Tag für Ausfälle von mehr als zwei Arbeitstagen
- Fr. 6.50 pro Tag, wenn ein neues Abo nicht läuft, und das ab dem ersten Tag
- Fr. 32.60 für jeden nicht eingehaltenen Reparaturtermin.
Praktisch: Die betroffenen Kunden müssen nicht aktiv werden und die Gelder selber einfordern. Die Telecomfirmen machen automatisch eine Gutschrift auf das Kundenkonto. In Finnland und Kroatien kennen ähnliche Regeln.
Weshalb gibt es in der Schweiz keine solchen Gutschriften? Frédéric Krauskopf, Professor an der Universität Bern, erklärt: «Für ein staatliches Eingreifen bräuchte es ein Gesetz.» Heute fehle eine staatliche Vorschrift. Eine Selbstregulierung durch die Branche wäre laut dem Professor aber schon heute möglich. Die Initiative dafür könne durchaus vom Bundesamt für Kommunikation ausgehen. Krauskopf: «Automatische Pauschalentschädigungen wegen Ausfällen der Dienstleistung wären für Konsumenten eine sinnvolle Lösung.» Dies würde für die Telekomfirmen einen Anreiz schaffen, solche Pannen zu vermeiden.
Der K-Tipp hat bei den Unternehmen Salt, Sunrise, Swisscom und UPC nachgefragt: Sie alle lehnen pauschale Gutschriften unisono ab. Man müsse die Einzelfälle anschauen, heisst es sinngemäss bei den vier Telecomfirmen.
In Grossbritannien spielt der Wettbewerb
Salt-Sprecher Benjamin Petrzilka sieht in einer automatischen Entschädigung «eine Beschneidung der Wirtschaftsfreiheit». Swisscom-Sprecherin Annina Merk behauptet, fixe Entschädigungen würden zu höheren Preisen führen.
Dem widerspricht die Aufsichtsbehörde Ofcom: «Die Firmen können die Entschädigungen selbst am einfachsten vermeiden, indem sie die Leistungen verbessern.»
In Grossbritannien spielt laut Ofcom-Sprecher Harry Rippon der Wettbewerb unter den Telecomfirmen. Die Unternehmen wüssten, dass sie Kunden verlieren könnten, wenn sie höhere Preise verlangen würden.
Der K-Tipp wollte vom Schweizer Bundesamt für Kommunikation wissen, was für die Einführung einer automatischen Entschädigung noch nötig sei. Sprecherin Silvia Canova dazu: «Es bräuchte das nötige öffentliche Interesse beziehungsweise den entsprechenden politischen Druck.» Beides aber habe bisher gefehlt.
SP-Nationalrat verspricht Antrag
Gefordert sind somit die Politiker. Das Parlament in Bern überarbeitet zurzeit das Fernmeldegesetz. Thomas Hardegger ist SP-Nationalrat aus Rümlang ZH und Mitglied der Nationalratskommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Er verspricht dem K-Tipp: «Ich werde im März in der Kommission den Antrag stellen, eine gesetzliche Grundlage für den Entschädigungsanspruch zu schaffen.»
So wehren Sie sich bei einer Festnetzstörung
- Streikt das Festnetztelefon, können Sie die Anrufe aufs Handy umleiten. Dafür genügt ein Anruf beim Kundendienst: Swisscom Tel. 0800 800 800, Sunrise Tel. 0800 707 707, UPC Tel. 0800 66 88 66.
- Bei einem Internetausfall hilft das mobile Internet des Handys weiter. Wer kein Handy hat, fordert von seiner Festnetzfirma am besten einen mobilen Hotspot. Damit kann man am Computer über das Handynetz surfen.
- Reklamieren Sie bei Netzausfall sofort bei Ihrer Telecomfirma. Machen Sie sich Notizen vom Inhalt des Gesprächs, und bewahren Sie diese auf. Im Streitfall sind vollständige Belege sehr vorteilhaft.
- Verlangen Sie eine Reduktion der nächsten Abo-Rechnung. Passiert nichts, sollten Sie die Rechnung rasch schriftlich beanstanden. Sie können die Tage, an denen das Telefon nicht funktionierte, anteilsmässig von der Rechnung abziehen und nur den Rest bezahlen.
- In Deutschland haben Gerichte bereits entschieden: Bei einem Ausfall des Internets haben Konsumenten «für den betreffenden Zeitraum» Anspruch auf Reduktion der Koste). In der Schweiz steht solch ein Gerichtsentscheid noch aus.