Lara Rizzi (Name geändert) aus Nyon VD sah beim Fernsehen die Werbung der Bank-now, einer Tochter der Credit Suisse. Die Werbung versprach einen «Sofort-Kredit». Die alleinstehende Mutter einer unterstützungspflichtigen Tochter von 18 Jahren holte eine Offerte ein. Sie hoffte, mit dem Kredit alle offenen Rechnungen begleichen zu können. Rizzi war erstaunt, wie einfach und schnell es ging: «Ich musste nur meine letzten drei Lohnabrechnungen schicken – und schon hatte ich von der Bank-now 5000 Franken auf dem Konto.»
Acht Kreditverträge unterzeichnet
Bald war klar: Die Sekretärin konnte das Darlehen nicht zurückzahlen. Darum gewährte ihr die Bank-now etappenweise weitere Kredite. Schliesslich hatte Rizzi acht Kreditverträge für total 37 000 Franken unterzeichnet. Rizzi sollte laut Vertrag während sechs Jahren jeden Monat rund 745 Franken zurückzahlen. Dann hätte sie für 37 000 Franken Kredit plus Zinsen insgesamt rund 53 600 Franken bezahlt.
Rizzi verdiente pro Monat 5185 Franken netto. Das war zu wenig, um neben den Haushaltskosten für sie und ihre Tochter noch die hohen Kreditraten abzuzahlen. Schliesslich leitete die Bank die Betreibung ein.
Diese wurde vom Bezirksgericht Nyon aber gestoppt. Begründung: Die Bank habe nicht ausreichend geprüft, ob die Kundin genug verdiene, um den Kredit in nützlicher Frist abzahlen zu können.
Bank muss prüfen, ob der Kredit tragbar ist
Rausan Noori, Anwältin der Caritas-Schuldenberatungsstelle: «Das Gesetz schützt die Kunden vor Überschuldung. Die Bank darf nur dann einen Kredit gewähren, wenn sie geprüft hat, ob der Kunde den Betrag mit allen Zinsen in drei Jahren zurückzahlen kann.» Dabei seien die Einnahmen des Haushalts mit den Ausgaben zu vergleichen. Die Bank müsse dem Kunden in jedem Fall das Existenzminimum belassen.
Mario Roncoroni, Leiter der Berner Schuldenberatung, ergänzt: «In den Berechnungen finden sich oft zu tiefe Berufsauslagen für Fahrtkosten zum Arbeitsort oder Ausgaben für auswärtiges Essen.» Zudem würden die Banken teilweise zu tiefe Steuern einsetzen.
Bernhard Schmid, Sprecher der Bank-now, sieht den Fehler nicht bei der Kreditgeberin: «Laut Gesetz darf die Bank davon ausgehen, dass der Kunde korrekte Angaben macht und beurteilen kann, welche Kosten er im Alltag zu tragen hat. In Zweifelsfällen werden die einzelnen Budgetposten mit dem Kunden durchgesprochen.»
Eine sorgfältige Prüfung der Tragbarkeit des Kredits für den Kunden wäre im eigenen Interesse der Bank. Denn laut dem Konsumkreditgesetz gilt: Macht die Bank einen Fehler bei der Berechnung des Budgets, muss der Kunde nur den Kredit zurückzahlen – aber keine Zinsen. Der Schuldner erhält in solchen Fällen somit einen Gratiskredit.
Berechnungsfehler: So entscheiden Gerichte
Macht die Bank sogar «schwerwiegende Berechnungsfehler», muss der Schuldner laut Gesetz nicht einmal den Kredit zurückzahlen. Und er kann erst noch bereits bezahlte Beträge zurückfordern. Was ist ein «schwerwiegender Berechnungsfehler»? Dazu drei Beispiele:
Berufsauslagen: Das Obergericht Bern hatte den Fall eines Spitalangestellten zu beurteilen, der den Bankkredit nicht zurückzahlen konnte. Die Bank wusste aufgrund der Angaben des Kunden, wo er wohnt und wo er arbeitet. Sie berechnete trotzdem nur Berufsauslagen von 100 Franken.
Laut Urteil des Obergerichts Bern vom September 2016 hat die Bank damit «ihre Pflichten schwer verletzt»: Weiss die Bank, dass beim Kunden Arbeitswegkosten und Mehrauslagen für auswärtige Verpflegung anfallen, muss sie nachfragen, wie hoch diese genau sind. Das gilt auch dann, wenn der Kunde das falsche Budget der Bank mit dem Vertrag unterzeichnet. Laut dem Urteil muss der Spitalangestellte der Bank nichts zurückzahlen.
Computerkauf: Das Bezirksgericht Zürich entschied im April 2016, dass ein Kaufvertrag für einen Computer im Wert von 1031 Franken ein Kreditgeschäft darstellt, wenn der Preis in vier Raten über ein Jahr zu zahlen ist. Da der Händler die Kreditfähigkeit des Kunden nicht prüfte, musste dieser nichts zahlen.
Kinderbetreuung: Ein Schuldner behauptete, die Bank habe die Kosten für die Kinderbetreuung nicht korrekt berücksichtigt. Damit kam er beim Bezirksgericht Zürich jedoch nicht durch: Im Januar 2017 entschied es, die Bank habe im Antragsformular für den Kredit explizit nach den Kosten für die Kinderkrippe gefragt. Wenn der Kunde zu tiefe Angaben mache, dürfe die Bank auf diese abstellen. Nur wenn die Angaben des Kunden «offensichtlich falsch» seien, müsse die Bank noch einmal nachfragen.