«Nicht erheblich störend»
Solaranlagen dürfen nicht stark blenden. Was das heisst, hat das Bundesgericht an einem Fall in Burgdorf ausgeführt.
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K-Tipp 07/2012
31.03.2012
Letzte Aktualisierung:
04.04.2012
Ernst Meierhofer
Ein Gutachten spricht von einer «erheblichen Belastung». Die Anlage blende so hell wie Hochleistungs-Flutlichtscheinwerfer, sei aber nur gerade 13 bis 25 Meter entfernt. Solche Scheinwerfer leuchten üblicherweise von hohen Masten herab auf Fussballfelder.
Die Anlage befindet sich in Burgdorf BE in der Nachbarschaft von Marlis Lauffer. Es handelt sich um Sonnenkollektoren auf dem Dach der Nachbarin. Zu gewissen Zeiten spiegeln sie das Sonnenl...
Ein Gutachten spricht von einer «erheblichen Belastung». Die Anlage blende so hell wie Hochleistungs-Flutlichtscheinwerfer, sei aber nur gerade 13 bis 25 Meter entfernt. Solche Scheinwerfer leuchten üblicherweise von hohen Masten herab auf Fussballfelder.
Die Anlage befindet sich in Burgdorf BE in der Nachbarschaft von Marlis Lauffer. Es handelt sich um Sonnenkollektoren auf dem Dach der Nachbarin. Zu gewissen Zeiten spiegeln sie das Sonnenlicht, und dieser Strahl bewegt sich dann über Lauffers Grundstück – je nach Sonnenstand und Jahreszeit.
Von Anfang März bis Mitte April und von Mitte August bis Mitte Oktober treten bei schönem Wetter am Nachmittag für rund 20 bis 40 Minuten Blendreflexionen auf – und zwar über die Südfassade von Lauffers Anwesen (siehe Bild). Auch Terrasse und Sitzplatz sind betroffen. «Meine Situation ist unerträglich», klagt Lauffer.
Vor Gericht verlangte Lauffer eine Sanierung der Anlage aus dem Jahr 2005. Gemäss Umweltschutzgesetz dürfen Einwirkungen von Emissionen – dazu gehören auch Strahlen – nicht «schädlich oder lästig» sein. Doch das Bundesgericht ist ihr nicht gefolgt. Die Blendwirkung sei «nicht erheblich störend», eine «erhebliche Störung des Wohlbefindens» sei nicht gegeben. Und Augenschäden seien auch nicht zu erwarten, da «der Mensch natürlicherweise den Blick abwendet, wenn er geblendet wird» (Entscheid 1C_177/2011).
Was «übermässig» ist, entscheidet Richter
Das Beispiel zeigt: Wenn sich Nachbarn vor Gericht streiten, müssen die Richter oft einen Ermessensentscheid fällen. Das gilt auch, wenn es um Lärm oder Gestank geht, und sogar beim «Entzug von Besonnung oder Tageslicht», wie es im Gesetz heisst.
Gemäss Zivilgesetzbuch sind «übermässige Einwirkungen auf das Eigentum des Nachbarn» verboten. Doch was «übermässig» ist und was nicht, darüber muss im Einzelfall das Gericht entscheiden. Im neuen «Saldo»-Ratgeber zum Nachbarrecht gibt es dazu eine Fülle von Beispielen (siehe Kasten oben).
Auch zur Blendung durch Solaranlagen gibt es anderslautende Urteile. Das Zürcher Verwaltungsgericht zum Beispiel gab im Jahr 2007 den Geblendeten in Hedingen ZH Recht. Gleich entschied 2009 das Landgericht im deutschen Heidelberg, das von einer «wesentlichen Beeinträchtigung» der Nachbarn sprach.
Solaranlagen: Tipps für Bauherren
Im Handel gibt es Solargläser, die weniger blenden.
Das Bundesgericht schreibt im Urteil zum Fall Burgdorf (siehe Haupttext): «Das Vorsorgeprinzip verpflichtet dazu, Produkte mit möglichst niedriger Blendwirkung zu verwenden.» Das gilt sowohl für Kollektoren, die das Brauchwasser wärmen und die Heizung unterstützen, als auch für Sonnenzellen, die Strom erzeugen.
Es lohnt sich also, die Installation mit kompetenten Fachleuten zu besprechen. Denn es gibt Fabrikate mit reflexarmen Solargläsern, die weniger blenden. So lassen sich Konflikte mit Nachbarn entschärfen oder gar vermeiden. Fachleute können auch bei der Wahl des Standorts der Anlage und bei der korrekten Dimensionierung helfen. Denn oft ist es möglich, mit einer anderen Platzierung die Nachbarn weniger zu blenden.
Buchtipp
Hausbesitzer finden im «Saldo»-Ratgeber «Die Rechte der Nachbarn» die Rechtsgrundlagen, die unter Nachbarn gelten und die bei der Beilegung von Streitigkeiten zu beachten sind. Bestellen Sie das Buch (1. Auflage, 132 Seiten, Fr. 27.–) auf www.ktipp.ch.