Nicht gut genug geschützt
Kindersitze könnten viel sicherer sein. Crash-Tests des K-Tipp zeigen klar: Für wenig Geld mehr liesse sich das Verletzungsrisiko stark reduzieren.
Inhalt
K-Tipp 1/2004
14.01.2004
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Die orange Etikette mit der Aufschrift ECE-R44 am Kindersitz garantiert: Er hat alle Tests bestanden, die für die Zulassung im europäischen Raum verlangt sind. In einem solchen Sitz ist ein Kind im Vergleich zu einem nicht angegurteten bei einem Unfall rund 40-mal besser vor Verletzungen geschützt.
Das ist gut - aber nicht gut genug, denn das Etikett bedeutet auch: «Wo die ECE-Norm nichts Spezielles verlangt, erfüllen die Sitze oft nur das Minimum, um die Tests zu bestehen»,...
Die orange Etikette mit der Aufschrift ECE-R44 am Kindersitz garantiert: Er hat alle Tests bestanden, die für die Zulassung im europäischen Raum verlangt sind. In einem solchen Sitz ist ein Kind im Vergleich zu einem nicht angegurteten bei einem Unfall rund 40-mal besser vor Verletzungen geschützt.
Das ist gut - aber nicht gut genug, denn das Etikett bedeutet auch: «Wo die ECE-Norm nichts Spezielles verlangt, erfüllen die Sitze oft nur das Minimum, um die Tests zu bestehen», sagt Bernhard Gerster, Dozent für Sicherheit an der Hochschule für Technik in Biel. Ein Beispiel dafür ist laut Unfall-Experten das so genannte Rückprall-Problem. Bei einem Frontalcrash wird ein angegurtetes Kind innert Sekundenbruchteilen nach vorn und dann mit Wucht wieder nach hinten in seinen Sitz zurückgeschleudert. Mit relativ einfachen Mitteln kann die Belastung bei der Rückwärtsbewegung massiv verringert werden. Aber: Da die ECE-Norm das nicht ausdrücklich verlangt, sparen die Hersteller in diesem Bereich.
Schaumstoff senkt Verletzungsgefahr
Deutlich zeigen das die Crash-Tests, die der K-Tipp mit Kindersitzen im Dynamic Test Center (DTC) in Vauffelin BE durchführen liess. Ausgewählt wurden die Sitze Maxi Cosi Priori SPS, HTS BeSafe iZi Comfort und Römer Duo Plus Isofix (alle für die Gewichtsklasse 9 bis 18 Kilo) und der Römer Kid für Kinder von 15 bis 36 Kilo Gewicht. Die vier Sitze sind ECE-geprüft und erreichen in der kostenlos erhältlichen TCS-Broschüre «Auto-Kindersitze» gute Noten.
Bei drei von ihnen - positive Ausnahme ist der Römer Kid - knallen Kinderköpfe mit fast derselben Wucht in die Sitzschale zurück wie bei der Vorwärtsbewegung (siehe Grafik).
Das muss aber nicht sein. Beim Maxi Cosi, der wie alle anderen im Test die Grenzwerte einhielt, aber insgesamt die höchsten Rückprall-Werte hatte, polsterte das DTC den Kopfbereich zusätzlich mit einem 5 cm dicken Spezial-Schaumstoff aus und machte damit einen Vergleichstest.
Mit Erfolg: Das nur wenige Franken teure Material reduzierte die Kopfbelastung beim Rückprall um über einen Drittel. Spezialist Gerster: «Für das Kind wird der Rückprall spürbar weicher und das Verletzungsrisiko sinkt deutlich.»
Für Peter Remund von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) steht darum fest: «Wenn ein Kindersitz so einfach verbessert werden kann, sollen die Hersteller das machen.» Dies auch dann, wenn die Grenzwerte grundsätzlich eingehalten würden, «schliesslich geht es hier um das Wohl unserer Kinder».
Es reicht nicht, nur Normen einzuhalten
Doch nicht alle Sitz-Hersteller sehen das so. Britax Römer etwa schreibt dem K-Tipp: «Aus unserer Realunfallauswertung ist nicht erkennbar, dass der Rückprall zu medizinisch nachweisbaren relevanten Verletzungen führt.» Offener gibt sich Maxi Cosi. «Ihr Test zeigt, dass hier noch Verbesserungen möglich sind. Wir werden dies weiteruntersuchen», sagt Geschäftsführer Michael Neumann.
«Hoffentlich», meint dazu Anton Brunner, Unfallforscher bei der Winterthur-Versicherung. Denn aus seiner Sicht reicht es bei weitem nicht, sich einfach mit eingehaltenen Grenzwerten zufrieden zu geben. «Jede noch so kleine Verbesserung ist ein Beitrag zu noch mehr Sicherheit.»