Nie bestellt und trotzdem verrechnet
Verkehrte Welt: Wer ein Angebot nicht will, muss es ablehnen. Mit dieser Masche gehen immer mehr Firmen auf Kundenfang. Doch Konsumenten sind auf der sicheren Seite - auch wenn sie nicht reagieren.
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K-Tipp 13/2003
20.08.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Wir freuen uns, Ihnen ein neues Angebot zu präsentieren», schrieb der Schweizerische Bankpersonalverband seinen 13 500 Mitgliedern im April. «In Zusammenarbeit mit Coop Rechtsschutz haben wir eine Rechtsschutzversicherung für nur 96 Franken im Jahr entwickelt.»
Weiter unten erfährt das «geschätzte Mitglied», dass es in ein paar Wochen die Prämienrechnung erhalten wird. Und: «Falls Sie wider Erwarten nicht interessiert sind, so senden Sie uns bitte die beiliegende Verzic...
Wir freuen uns, Ihnen ein neues Angebot zu präsentieren», schrieb der Schweizerische Bankpersonalverband seinen 13 500 Mitgliedern im April. «In Zusammenarbeit mit Coop Rechtsschutz haben wir eine Rechtsschutzversicherung für nur 96 Franken im Jahr entwickelt.»
Weiter unten erfährt das «geschätzte Mitglied», dass es in ein paar Wochen die Prämienrechnung erhalten wird. Und: «Falls Sie wider Erwarten nicht interessiert sind, so senden Sie uns bitte die beiliegende Verzichtserklärung ausgefüllt und unterschrieben zurück.»
Verbandsmitglied Ursula Zwikirsch aus Solduno TI ist irritiert: «Ich dachte immer, man müsse einen Antrag unterschreiben, um eine Versicherung abzuschliessen. Es genügt doch, nicht auf ein entsprechendes Angebot zu reagieren.»
Recht hat sie. Stillschweigen bedeutet grundsätzlich Ablehnung. Das bestätigen die Rechtsprofessoren Thomas Koller von der Uni Bern und sein Zürcher Kollege Heinrich Honsell. Für Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Sie gehen auch dann keinen Vertrag ein, wenn sie nichts unternehmen (siehe Kasten).
Die meisten Firmen wissen das. Dass sie trotzdem zu diesem Marketingtrick greifen, hat einen einfachen Grund: Sie rechnen mit der Bequemlichkeit und der Unwissenheit von Konsumenten, die nicht reagieren und brav zahlen.
Mit Erfolg. «Weniger als 20 Prozent der Mitglieder des Bankpersonalverbands haben die Verzichtserklärung zurückgeschickt», freut sich Thomas Geitlinger, Ressortleiter bei Coop Rechtsschutz. «Beim Angebot, das wir vor zwei Jahren den Kunden der Krankenkasse Helsana machten, war der Erfolg deutlich kleiner, weil die Rechtsschutzversicherung mit einem Talon beantragt werden musste.» Deshalb sei dort auch die Prämie höher.
«Sonst hätten zu wenige reagiert»
Immer mehr Firmen nutzen diese aggressive Verkaufsmethode, um ihre Angebote kostengünstig unter die Leute zu bringen. Beispiele:
- Der Schweizerische Seglerverband Swiss Sailing kündigte seinen Mitgliedern Ende März an, der neue Mitgliederausweis werde auch eine Diners-Club-Kreditkarte sein; die Jahresgebühr betrage 50 Franken. Wer die Kreditkarte nicht wolle, müsse eine Verzichtserklärung zurückschicken.
Mitglied Andreas Nyuli aus Horgen ZH ärgert sich: «Richtig wäre, wenn Interessenten die Karte bestellen könnten.» Doch diesen Weg hat Swiss Sailing bewusst nicht gewählt: «Es hätten zu wenige reagiert», ist Generalsekretär Ruedi Christen überzeugt. So aber habe man von 17 500 angeschriebenen Mitgliedern knapp 7000 für die Kreditkarte gewonnen.
- Das Zürcher Fotolabor Supracolor schickt seinen Kunden zusammen mit den entwickelten Bildern unaufgefordert neue Filme («damit Sie weiter fotografieren können»). Sehr zum Ärger von K-Tipp-Leserin Marianne Bolle, die Fr. 6.40 für einen Film zahlen soll, den sie nie bestellt hat.
Supracolor-Geschäftsführer Hanspeter Büchler beschwichtigt: «Die Kunden müssen halt das Kleingedruckte auf den Filmtaschen lesen. Dort kann man ankreuzen, wenn man keine neuen Filme wünscht.» Bolle findet das nicht kundenfreundlich: «Ich kann doch nicht alle Fototaschen und sonstigen Angebote nach solchen Texten absuchen.»
- Cablecom setzte Liegenschaftenbesitzern ungefragt ihr Angebot «Service Plus» auf die Rechnung. Wer nicht bereit war, für die Wartung der Hausverteilanlage zusätzlich zwei Franken im Monat zu bezahlen, musste bei der Kabelnetzbetreiberin reklamieren.
Gerügt als «aggressive Verkaufsmethode»
Die Schweizerische Lauterkeitskommission rügte das Vorgehen von Cablecom, «bei ihren Kunden durch Stillschweigen ein Serviceabo zu erwirken», als «aggressive Verkaufsmethode». Denn: «Wünscht der Kunde kein solches Abonnement, ist er genötigt, aktiv zu werden, um die offerierte Zusatzleistung abzulehnen.»
- Die Krankenkasse CSS setzte 43 000 Kunden eigenmächtig eine leicht verbesserte, aber auch teurere Patientenrechtsschutz-Versicherung auf die Police - und handelte sich damit ebenfalls eine Rüge der Lauterkeitskommission ein.
Dass es auch anders geht, zeigt die Generali, die ihren Lebensversicherungskunden kürzlich eine bessere Deckung bei Unfalltod anbot. Beilage: ein Antragstalon.
- Die «Neue Zürcher Zeitung» schickte allen Abonnenten die «NZZ am Sonntag» bis Ende 2002 gratis. Seit diesem Jahr wird das Blatt automatisch verrechnet. Wer nicht einverstanden ist, muss sich beschweren.
NZZ-Verlagsleiter Tobias Trevisan ist überzeugt, «dass die Mehrheit der Leser diesen Weg will, weil der Aufwand kleiner ist». Zudem seien die Abonnenten mit mehreren Schreiben informiert worden, bevor die Rechnung kam.
- Die Krankenkasse Helsana teilt Versicherten mit Spitalzusatzversicherung ab dem 65. Geburtstag automatisch eine Langzeit-Pflegeversicherung für rund 40 Franken pro Monat zu. Junge ab 21 erhalten ebenfalls ungefragt eine Zahnpflegeversicherung. Dass man sich dagegen wehren kann, erfahren Betroffene unter «PS».
Laut Pressesprecher Christian Beusch überprüft die Helsana zwar den Wortlaut der Briefe. In der Sache bleibt er jedoch hart: «Die Zuteilungen sind in den Versicherungsbedingungen, die die Kunden unterschrieben und akzeptiert haben, vorgesehen.»
- Der Atlas-Verlag schickt Bestellern von Unterwäsche alle drei Monate eine neue Lieferung. Marketingleiter Franz Reith weist darauf hin, dass Kunden das Angebot «bei Nichtgefallen problemlos ablehnen oder auf zukünftige Lieferungen ganz verzichten können». Der Kunde werde darüber informiert, aber: «Wir müssen natürlich auch gewisse Rentabilitätskriterien beachten.»
Unerwünschte Angebote: Schweigen genügt
Im Umgang mit aufdringlichen Firmen gilt Folgendes:
- Wer auf ein Angebot nicht reagiert, lehnt es ab. Konsumenten müssen also nichts tun und können eine allfällige Rechnung oder Mahnung in den Papierkorb werfen.
- Das gilt selbst dann, wenn man bereits Kunde eines Unternehmens ist und in dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht, dass Stillschweigen auf neue Angebote als Zustimmung gilt. «Eine solche Klausel wäre wohl ungewöhnlich und somit ungültig», erklärt der Berner Rechtsprofessor Thomas Koller. Darauf könne sich aber nicht berufen, wer sich von einem Versandhändler schon früher Waren zusenden liess und ab und zu etwas bestellt hat.
- Setzt eine Krankenkasse eigenmächtig eine Zusatzversicherung auf die Police, sollten Betroffene reklamieren. Falls sie für den unerwünschten Zusatz bereits Prämien bezahlt haben, können sie eine Rückerstattung verlangen.
- Wer unbestellte Ware zugesandt erhält, muss sie nicht zurückschicken; er kann sie gebrauchen oder wegwerfen. Ausnahme: Liegt ein offensichtlicher Irrtum vor, muss der Absender benachrichtigt werden.
- Abos für Zeitungen und Zeitschriften (auch für den K-Tipp) erneuern sich in der Regel erst mit der Einzahlung. Um unnötigen Aufwand zu vermeiden, sollte man das Abo telefonisch abbestellen oder die Rechnung mit dem entsprechenden Vermerk retournieren.
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