«Sind Sie ausgebildeter Jurist?», fragte mich ein Leser aus dem Kanton Graubünden am Telefon der K-Tipp-Rechtsberatung. «Ja, und zwar mit Anwaltspatent», antworte ich etwas irritiert und denke für mich: «Hätten Sie denn bei einer telefonischen Rechtsberatung einen Schuhverkäufer erwartet?»
«Sehr gut», fährt der Anrufer fort und fragt: «Kennen Sie sich auch im Erbrecht aus?» – «Ja klar! Wir beraten in allen Rechtsgebieten. Wir sind aber keine Erbrechtsspezialisten, sondern eher Generalisten.»
«Macht nichts, ich habe eine ganz einfache Frage, die Sie mir sicher gleich beantworten können.» – «Das hoffe ich doch», sage ich. Ich befürchte allerdings insgeheim, dass die Frage doch etwas kompliziert sein könnte. So die Erfahrung, wenn Ratsuchende nur eine «ganz einfache Frage» haben.
«Wer erbt mein Haus und das Geld auf der Bank, wenn ich sterbe. Ich bin verheiratet, wir haben aber keine Kinder.» – «Leben Ihre Eltern noch?» – «Nur noch die Mutter, mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben.» – «Haben Sie noch Geschwister?», frage ich. «Ja, noch zwei Schwestern und einen Bruder», sagt der Mann.
«Dann muss ich rechnen», antworte ich und verschweige, dass Mathematik und insbesondere Bruchrechnen nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört. Nach einer längeren Pause komme ich zum Schluss: «Also, klar ist, dass der Erbteil Ihrer Ehefrau drei Viertel des Erbes beträgt. Ihre Mutter erhält einen Achtel und Ihre Geschwister erhalten den anderen Achtel, also je einen Vierundzwanzigstel der Erbschaft.»
«Perfekt! Richtig!», sagt der Anrufer. «Kannten Sie denn die Antwort bereits?», frage ich den Mann. Seine Antwort: «Ja, mein Anwalt kam auf das gleiche Resultat.»