Jährlich wechseln rund 750 000 gebrauchte Fahrzeuge in der Schweiz ihren Besitzer. Das Hauptproblem beim Kauf einer Occasion: Viele Mängel sind bei der Besichtigung auf Anhieb schwer zu entdecken. Wer jedoch an den richtigen Stellen nachschaut, kann beurteilen, ob der Wagen seinen Preis wert ist. Der K-Tipp hat deshalb die wichtigsten Tipps der Autoclubs (TCS, ADAC, ÖAMTC) sowie der Prüforganisationen TüV und Dekra zusammengefasst. Folgendes sollte man vor dem Kauf eines Occasionsautos beachten:
1. Karosserie
Lackqualität und allfällige Unfallschäden sind bei Regen und bewölktem Himmel schlecht sichtbar. Auch ein nicht gewaschenes Auto erschwert die Kontrolle der Karosserie-Oberfläche. Deshalb Besichtigung bei Tageslicht, trockener Witterung und am sauberen Auto durchführen.
Zuerst seitlich über Flanken, Haube und Dach von verschiedenen Seiten schauen. Unterschiedlich glänzende Stellen und leichte Farbunterschiede sind ein Zeichen für schlecht durchgeführte Reparaturarbeiten. Weitere Indizien: Farbspuren an normalerweise unlackierten Teilen wie Türgummidichtungen und Federbeinen im Radkasten.
Die Abstände (Spalte) zwischen den einzelnen Karosserieteilen wie Türen und Säulen oder Motorhaube und Kotflügel müssen gleich sein. Das lässt sich mit einem Massband überprüfen.
Rostschäden: Auch einen Blick unter den Kofferraumteppich, hinter die Tankklappe und in die Radkästen werfen. Kleine Rostpickel oder blasenförmige Lack-Erhebungen sind nicht bloss Schönheitsfehler: Es liegt bereits eine Durchrostung vor.
2. Reifen und Felgen
Für die Reifen gilt die 4er-Regel: 4 gleiche Reifen mit mindestens 4 Millimeter Profiltiefe und nicht älter als 4 Jahre. Die Profiltiefe misst man mit einer 2-Franken-Münze in der mittleren Rille. Falls der Sockel der Helvetia noch nicht sichtbar ist, genügt das Profil. Achtung: Ungleichmässig abgenutzte Reifen weisen auf einen Fehler in der Lenkung oder am Fahrwerk hin.
Wie alt ein Reifen ist, zeigt die sogenannte DOT-Nummer auf der Reifenflanke. Beispiel: «DOT 2209». Der Reifen wurde in der 22. Woche des Jahres 2009 produziert. Achtung: Glänzende, schwarze Reifen können präpariert sein, um sie neuwertig erscheinen zu lassen.
Felgen sind auf Schürfungen, Verformungen und Dellen abzusuchen. Sie deuten auf Zusammenstösse mit dem Trottoirrand und mögliche Folgeschäden an der Radaufhängung hin.
3. Unter dem Auto
Der frisch gespritzte Unterboden ist eine beliebte Methode, Rostschäden zu verdecken. Den besten Blick unters Auto ermöglicht eine Hebebühne. Da diese vor Ort meist fehlt, sollte man eine Taschenlampe und einen kleinen Spiegel mitnehmen. Mit den Fingerspitzen lassen sich auch Roststellen und
-blasen ertasten.
4. Bremsscheiben
Mit einer Taschenlampe zwischen die Speichen leuchten: Sind die Bremsen rostig, handelt es sich entweder um harmlosen Flugrost oder um gravierende Korrosion, die sich schon ins Metall gefressen hat. Flugrost wird nach der ersten Vollbremsung während der Probefahrt abfallen, ein Korrosionsschaden nicht.
Die Oberfläche der Bremsscheibe lässt sich abtasten, sofern sie gut zugänglich ist. Sie sollte höchstens kleine Rillen von 0,5 Millimeter Tiefe aufweisen.
5. Innenraum
Die Sicherheitsgurte müssen zur Kontrolle komplett ausgezogen werden: Sie dürfen nirgendwo ausfransen. Zudem müssen sie leicht zurückrollen und auf ruckartigen Zug sofort stoppen. Die Sitze dürfen beim Rütteln nicht wackeln. Im Auto darf es nicht muffig riechen. Falls doch, unter den Teppichen nachschauen, ob Feuchtigkeitsschäden und Rost vorhanden sind.
6. Motorhaube
Wenn der Motorraum wie neu aussieht, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass der Verkäufer mit einer Motorwäsche und Schutzwachs undichte Stellen verstecken will. Deswegen gilt: Nach der Probefahrt nochmals unter der Haube und unter dem Auto kontrollieren, ob es irgendwo tropft.
Im Motorraum darf es keinen Rost haben. Dieser ist vor allem an Seitenwänden beim Übergang zu den Kotflügeln und im Batteriebereich zu suchen. Zudem: An allen Schläuchen ziehen, um zu prüfen, ob sie gut befestigt und weder porös noch undicht sind. Den Stand von Öl und Kühlwasser prüfen.
7. Probefahrt
Beim Einschalten der Zündung muss der Motor sofort anspringen, rund laufen und spontan aufs Gaspedal reagieren. Beim Bremsen muss das Auto in der Spur bleiben. Grundsätzlich gilt: Für die Probefahrt auch ausserorts fahren. Mängel wie ein vibrierendes Lenkrad tauchen erst bei höheren Geschwindigkeiten auf. Da die Beurteilung bei der Probefahrt Fahrpraxis erfordert, sollten Anfänger für solche Testfahrten einen erfahrenen Begleiter ans Steuer lassen.
8. Nie ohne ESP
Auch ältere Occasionen sollten mit einem Elektronischen Stabilitäts-Programm (ESP) ausgerüstet sein. Besonders junge Fahrer verunglücken häufig in Kurven und bei Glätte, wenn das Auto ins Schleudern gerät. Dies kann ESP verhindern. Der deutsche Automobilclub (ADAC) hat im Internet eine Gratis-Übersicht der älteren Modelle veröffentlicht, die mit ESP lieferbar sind (www. adac.de/infotestrat – in der Suchmaske «Nie ohne ESP» eingeben).
9. Papiere/Garantie
Der Fahrzeugausweis und das Abgaswartungsdokument müssen die gleiche Nummer tragen. Gleiches gilt für die Chassisnummer im Ausweis und auf der Herstellerplakette unter der Kühlerhaube. Das Serviceheft verrät, in welchen Intervallen Kontrollen durchgeführt wurden und was dabei repariert wurde.
Besonders wichtig: Kein Kauf ohne Garantie. Laut Gesetz beträgt die Garantie auch bei Occasionskäufen ein Jahr. Das Gesetz gilt immer dann, wenn im Vertrag nichts anderes abgemacht wurde. Deshalb sollte man möglichst keine kürzeren Garantiefristen oder Beschränkungen der Garantie auf bestimmte Teile akzeptieren.
10. Im Zweifelsfall: Zuerst zum TCS
Wer unsicher ist, sollte vor dem Kauf beim TCS eine unabhängige Kontrolle durchführen lassen. Für Nichtmitglieder kostet der Occasionstest Fr. 240.–, TCS-Mitglieder zahlen ab Fr. 120.–. Das nächstgelegene TCS-Testcenter finden Sie unter www.tcs.ch ! Auto & Mobilität ! Standorte und Dienstleistungen.
Occasions-Auto
Das gehört in den Kaufvertrag
Eine schlechte Garantie ist kurz, für die meisten Produktteile ausgeschlossen, und die Arbeit muss man selber zahlen. Ein solches Beispiel liefert etwa der Kaufvertrag der Autorama AG in Emmenbrücke LU: «Für das Fahrzeug wird eine Garantie von zwei Monaten, aber max. über eine Strecke von 3000 km, je nachdem, welcher Fall zuerst eintritt, und nur auf Ersatzteile von Motor und Getriebe gewährt. Pro Garantieschadenfall besteht ein Selbstbehalt von 50 Franken.»
Garantie-Klauseln in Kaufverträgen sollte man genau lesen und bei Bedarf wie folgt ändern:
- Bestehen Sie auf einer Garantie von mindestens drei Monaten (bei teureren Occasionen sechs Monaten).
- Ist bezüglich Garantie nichts vereinbart, gilt das Obligationenrecht: Der Verkäufer muss für auftretende Mängel während eines Jahres geradestehen.
- Halten Sie vorhandene Mängel aus Beweisgründen schriftlich fest. Nicht beanstandete Mängel gelten als akzeptiert.
- Lassen Sie sich mündliche Zusicherungen des Verkäufers schriftlich bestätigen.
- Überprüfen Sie im Vertrag, ob die Angaben zum Auto mit jenen im Fahrzeugausweis übereinstimmen (Chassisnummer, erste Inverkehrsetzung usw.).
- Verlangen Sie einen Vermerk, ob der Wagen unfallfrei ist oder nicht.
Buchtipp
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