Schweizer Bahn- und Busbetriebe arbeiten mit sogenannten Distanzzuschlägen, um mehr Geld einzunehmen. Das heisst: Sie berechnen mehr Fahrkilometer, als die Reisenden zurücklegen (siehe Unten). Darüber hat der K-Tipp schon mehrmals berichtet. Doch die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs haben noch einen anderen Trick auf Lager: eigene Rundungsregeln.
Jeder Primarschüler lernt, wann man auf- und wann man abrundet. Doch bei den Bahn- und Bustarifen gibt es nur eine Regel: immer aufrunden. Und zwar bei Distanzen und Preisen. Wie das geht, zeigt der K-Tipp an einer Bahnstrecke von 85 km Länge. Ein Einfachbillett in der 2. Klasse müsste aufgrund der Kilometertarife eigentlich Fr. 28.25 kosten. Doch die Bahnen rechnen anders:
1. «Rundung»: In der offiziellen Preistabelle gibt es nur die Distanzen 84 und 88 km. Hier wird ein erstes Mal aufgerundet: auf 88 km.
2. «Rundung»: Für diese 88 km würde das Billett in der 2. Klasse Fr. 29.02 kosten. Da es bekanntlich seit langem keine Einräppler mehr gibt, muss ein solcher Preis gerundet werden – richtigerweise auf 29 Franken. Doch die Transportunternehmen runden auf. Und zwar nicht auf Fr. 29.05, sondern gleich auf 30 Franken.
Resultat: Durch das kreative Aufrunden von Distanz und Preis ist das Billett Fr. 1.75 zu teuer. Das ist ein Aufschlag von 6,2 Prozent.
Falsche Rundungen schenken tüchtig ein
Diese Differenzen auf der 85-km-Strecke sind keine Ausnahme. Bis zu einer Distanz von 25 Kilometern führen die Rundungen immer zu einem überhöhten Preis. Und bei den längeren Distanzen meistens auch.
Besonders deutlich ist der Effekt, wenn zu den falschen Rundungen auch noch ein Distanzzuschlag hinzukommt – zum Beispiel auf der Strecke Zürich–Bern: Ein Billett dürfte aufgrund der Distanz «nur» Fr. 40.05 kosten. Es kostet aber 51 Franken. Das sind 27,3 Prozent mehr.
Die falschen Rundungen schenken bei den Bahn- und Busunternehmen tüchtig ein. Denn die Schweizer Passagiere kaufen jährlich Einzelbillette für 1,22 Milliarden Franken. Aufgrund der falschen Rundungen zahlen sie mehrere Dutzend Millionen Franken zu viel.
Genau beziffern kann auch die Tariforganisation CH-direct diese Beträge nicht. «Dies bräuchte komplexe Berechnungen, weil rund 150 verschiedene Transportunternehmen beteiligt sind», erklärt Sprecherin Sabine Krähenbühl. Natürlich könne man «Anpassungen» an der Rundungspraxis vornehmen. Aber: «Das würde hohe Umstellungskosten verursachen.»
Strecken werden «verlängert»
Die öffentlichen Transportfirmen kommen nicht nur auf überhöhte Billettpreise, indem sie falsch runden, sondern auch, indem sie viel benutzte Strecken «verlängern». Das heisst, sie berechnen mehr Kilometer, als die Passagiere zurücklegen. Das nennt sich Distanzzuschlag. Ein Beispiel:
Die Strecke von Genf zum Flughafen misst 6 Kilometer. Die SBB tun aber so, als mässe sie 14 Kilometer. Diese fiktive Grösse heisst Tarifkilometer. Die Tarifkilometer betragen mehr als das Doppelte der eigentlichen Distanz.
Die richtige Rundung und die richtige Distanz würden in der 2. Klasse zu einem Ticketpreis von Fr. 2.60 führen. Effektiv kostet das Billett aber 6 Franken.