Online-Betrügern ins Netz gegangen
Im Online-Handel gelten Treuhanddienste als probates und vor allem sicheres Mittel, um Ware gegen Geld zu tauschen. Doch nun haben sich Betrüger eingenistet, und zwar im grossen Stil.
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K-Tipp 10/2003
21.05.2003
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Beim Gebot von 1100 Euro erhielt Monique Bress aus Basel (Name geändert) den Zuschlag. Eine derart preiswerte Offerte für das Apple Powerbook G4 war ihr bislang noch nie zu Ohren gekommen. Ihr Web-Ausflug zur Auktionsplattform www. mac-auktion.ch schien sich also auszuzahlen.
Zufrieden begann sich Bress mit dem Verkäufer des Computers, einem Marco Rostock aus Deutschland, per E-Mail über das weitere Vorgehen zu besprechen. Rostock legte Wert auf eine Geschäftsabwicklung via O...
Beim Gebot von 1100 Euro erhielt Monique Bress aus Basel (Name geändert) den Zuschlag. Eine derart preiswerte Offerte für das Apple Powerbook G4 war ihr bislang noch nie zu Ohren gekommen. Ihr Web-Ausflug zur Auktionsplattform www. mac-auktion.ch schien sich also auszuzahlen.
Zufrieden begann sich Bress mit dem Verkäufer des Computers, einem Marco Rostock aus Deutschland, per E-Mail über das weitere Vorgehen zu besprechen. Rostock legte Wert auf eine Geschäftsabwicklung via Online-Treuhandservice. Damit schlug er vor, was auch Fachleute für Transaktionen ab etwa 300 Franken empfehlen.
Konkret überweist der Käufer in solchen Fällen das Geld an einen Treuhanddienst, der den Verkäufer daraufhin auffordert, die Ware abzuschicken. Sobald der Käufer deren Eingang meldet, zahlt der Treuhänder das Geld aus. Für seine Dienste erhält er eine Gebühr - meist etwa 2 Prozent des Warenwerts.
Rostock wollte den Deal unbedingt über den Treuhandservice www.commercescrows.com erledigen. Er habe dessen Dienste schon sechsmal in Anspruch genommen, teilte er Monique Bress mit. Also überwies Bress die 1100 Euro an Commercescrows - oder genauer an einen von Commercescrows bezeichneten Vertreter namens Dudy Milan in Paris.
Doch auf das Powerbook wartete sie vergeblich. Mehrmals erkundigte sie sich bei Rostock nach dem Verbleib des Geräts. Auch bat sie ihn wiederholt um Adresse und Telefonnummer. Es nützte nichts; Rostock beantwortete ihre Mails plötzlich nicht mehr.
Da beschloss Bress, bei Commercescrows ihr Geld zurückzufordern. Der Treuhandservice indes mahnte sie zu Geduld: Man müsse Rostock noch eine Chance geben.
Nach drei Wochen erhielt Bress dann die Auskunft, die Rückzahlung sei jetzt lanciert. Und nochmals fast vier Wochen und diverse Anfragen später hiess es, sie müsste eigentlich längst im Besitz des Geldes sein. Es war dies das letzte Lebenszeichen von Commercescrows.
Mit einem unguten Gefühl wandte sich Monique Bress an den K-Tipp. Und dessen Recherchen förderten Unerfreuliches zu Tage:
- An der deutschen Adresse, unter der sich Marco Rostock bei www.mac-auktion.ch registriert hatte, wohnt kein Marco Rostock.
- An der Adresse des angeblichen Commercescrows-Vertreters Dudy Milan in Paris wohnt kein Dudy Milan.
- Die Website www.comercescrows.com ist nicht mehr in Betrieb.
- Telefonnummer, Post- und E-Mail-Adresse einer Tiffany Aungst in Pennsylvania USA, unter deren Namen die Website von Commercescrows Ende 2002 registriert worden war, passen nicht zusammen.
Kein Wunder, blieben sämtliche Fragen des K-Tipp an jene E-Mail-Adressen, unter denen diese Leute zuletzt in Erscheinung traten, ohne Antwort. Monique Bress ist höchstwahrscheinlich Betrügern ins Netz gegangen.
Bei der Auktionsplattform www.mac-auktion.ch ist man überrascht. Betreiber Andreas Haeberli: «Ich höre zum erstenmal, dass jemand Opfer eines vermutlich betrügerischen Treuhanddienstes geworden ist.»
Tatsächlich scheint das Phänomen der falschen Treuhanddienste in der Schweiz noch völlig neu zu sein. Bei der nationalen Koordinationsstelle von Bund und Kantonen zur Bekämpfung der Internetkriminalität hat man zwar schon davon gehört, konkrete Schweizer Fälle liegen aber keine vor.
Jenseits des Atlantiks hingegen versuchen betrügerische Online-Treuhanddienste seit Monaten auf so ziemlich allen Auktionsplattformen Opfer zu ködern. Die meisten dieser «Treuhänder» verschwinden nach kurzer Zeit wieder - und werden sofort durch neue ersetzt, sagt der US-amerikanische Internet-Experte P. M., der die Szene minutiös beobachtet und aus Sicherheitsgründen nur unter dem Pseudonym Fenton Smith auftritt.
Die von Smith betriebene Aufklärungs-Website www. sos4auctions.com verzeichnet derzeit knapp fünfzig aktive betrügerische Treuhanddienste. «Bei den Urhebern handelt es sich gemäss meinen Recherchen mehrheitlich um international operierende organisierte Banden», so Smith. Deren Spuren führten auffallend oft nach Rumänien.
Jetzt schlagen in den USA auch die Behörden Alarm: Nachdem bei der Handelsaufsicht letztes Jahr über 50 000 Klagen wegen mutmasslichen Auktionsbetrugs eingegangen sind, haben sie Anfang Mai eine Kampagne gestartet, die über die Gefahren bei Online-Versteigerungen informieren will. Zugleich kündigten sie ein hartes Vorgehen gegen falsche Treuhanddienste an. Deren betrügerisches Treiben hat den Opfern nach Schätzungen von Fenton Smith bislang weltweit Verluste in dreistelliger Millionenhöhe beschert - in Dollar wohlverstanden.
Übrigens: In Smiths Register der mutmasslich betrügerischen Treuhanddienste taucht auch Commercescrows auf. Und im Diskussionsforum melden sich zwei Betroffene zu Wort, die beide auf der Auktionsplattform eBay ein Powerbook ersteigert zu haben glaubten, dieses via Commercescrows bezahlten - und fortan nicht nur ohne Powerbook, sondern auch ohne Geld dastanden.
Monique Bress befindet sich also in guter Gesellschaft. Doch das ist nur ein schwacher Trost.
Misstrauen ist angebracht, Kontrolle unbedingt nötig
Wer an Internet-Auktionen Waren ersteigert, sollte bei der Bezahlung Vorsicht walten lassen.
- Das Geschäft über einen Treuhandservice abzuwickeln ist grundsätzlich ein sicherer Weg. Besondere Vorsicht ist aber am Platz, wenn der Verkäufer den Handel unbedingt über einen ganz spezifischen Treuhandservice durchführen will: Es könnte sich um einen Betrüger handeln, der Leute auf einen falschen Treuhandservice zu locken versucht. Käufer sind deshalb gut beraten, selber einen Treuhanddienst vorzuschlagen. Willigt der Verkäufer nicht ein: Hände weg vom Geschäft!
Unter www.sos4auctions. com lässt sich eine umfangreiche Liste mutmasslich betrügerischer Treuhanddienste abrufen. Verzeichnet sind aber auch seriöse Online-Treuhänder.
- Das geringste Betrugsrisiko besteht nach wie vor dann, wenn sich Verkäufer und Käufer treffen: Der Käufer kann die Ware begutachten und bar bezahlen.
- Auf gar keinen Fall sollte der Käufer Geld überweisen, bevor er die Ware erhalten hat: Der häufigste Fall von Auktionsbetrug besteht nämlich darin, dass ein Verkäufer zwar kassiert, aber nicht liefert.
- Auch die Bezahlung per Nachnahme hat Tücken: Der Käufer sieht zwar, dass eine Lieferung eintrifft. Ob sie aber die richtige Ware in gutem Zustand enthält, kann er erst nach Aushändigung des Geldes kontrollieren.
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Sollen die Schweizer Behörden eine Kampagne gegen betrügerische Treuhanddienste lancieren? Antworten Sie auf www. ktipp.ch.