Die Klagen der Pensionskassen sind ein Dauerthema – doch so dreist wie dieses Mal waren die Forderungen noch nie zuvor: Dem Alterskapital der Erwerbstätigen soll nur noch ein Mindestzins von 1 statt 1,75 Prozent gutgeschrieben werden. Dies verlangte Philipp Gmür, Schweiz-Chef des Lebensversicherers Helvetia, Ende März in der «Schweiz am Sonntag». Auf ein Arbeitsleben würde das zu einer 15 Prozent tieferen Pensionskassenrente führen.
Dieses Jammern steht im krassen Kontrast zu den hohen Erträgen der letzten Jahre: Im Jahr 2014 erzielten 60 Pensionskassen, die bei einer Umfrage des Schweizerischen Pensionskassenverbandes ASIP mitmachten, durchschnittlich eine Rendite von 7,9 Prozent auf dem von ihnen verwalteten Geld. Zum Vergleich: 2012 waren es genau gleich viel, 2013 immerhin 6,2 Prozent.
Gutes Geschäft – für die Pensionskassen
Von der letztjährigen hohen Rendite von 7,9 Prozent erhielten aber sehr viele arbeitstätige Versicherte nur gerade 1,75 Prozent. So tief nämlich war letztes Jahr der gesetzliche Mindestzins. Kassen, die mehr Zins zahlen, tun dies freiwillig.
Letztes Jahr machten die Pensionskassen nicht nur mit den Erwerbstätigen, sondern auch mit den Rentnern ein gutes Geschäft. Ihr Altersguthaben muss im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 3,5 Prozent erreichen, damit das ersparte Geld bis zum Ableben reicht. Dank einer Rendite von 7,9 Prozent waren die Rentner für die Kassen so günstig wie schon lange nicht mehr.
Versicherte erhalten wenig vom Ertrag
Dabei geht es um sehr viel Geld: Laut unabhängigen Experten verwalten die Pensionskassen und Versicherungen in der 2. Säule mindestens 870 Milliarden Franken. 450 Milliarden Franken von den Erwerbstätigen und 420 Milliarden von den Rentnern.
Bei den Erwerbstätigen ergibt das bei einer Rendite von 7,9 Prozent rechnerisch rund 36 Milliarden Franken Ertrag. Davon müssen beim aktuellen Mindestzins den Versicherten nur gerade 8 Milliarden weitergegeben werden. Die restlichen fast 28 Milliarden bleiben bei den Kassen oder werden teilweise in Form freiwilliger höherer Zinsen den Alterskonten gutgeschrieben.
Dieselbe Rechnung für die Rentner zeigt: Bei einer Rendite von 7,9 Prozent erwirtschafteten die Pensionskassen auf den 420 Milliarden Franken Kapital der Rentner einen Ertrag von 33,2 Milliarden. Abzüglich des rechnerischen Zinses von 3,5 Prozent blieb so den Kassen ein Überschuss von 18,5 Milliarden – sofern sie nicht freiwillig die Renten erhöhten.
Damit ist klar: Die angebliche Umverteilung von Pensionskassengeld von den Jungen zu den Alten ist eine Mär. Richtig ist vielmehr: Die Pensionskassen machen mit beiden Gruppen ein gutes Geschäft.
Sehr viel Geld wanderte von den Jungen zu den Reserven der Kassen. Entsprechend stieg der Deckungsgrad der Kassen: bei Coop zum Beispiel in einem Jahr von 108,8 auf 113,3 Prozent, bei Gastro Social von 111 auf 116,6 Prozent und bei der Auffangeinrichtung BVG von 109,5 auf 115,8 Prozent.
Es gibt auch grosszügige Kassen
Die Rechnungen des K-Tipp basieren auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzins von 1,75 Prozent. Es gibt auch grosszügigere Kassen wie zum Beispiel die genossenschaftlich organisierte Pensionskasse ASGA. Sie erzielte letztes Jahr mit dem Kapital ihrer Versicherten eine Rendite von 7,94 Prozent und gibt davon zusätzlich 144 Millionen Franken freiwillig an ihre Mitglieder weiter. «Statt mit dem gesetzlichen Minimum von 1,75 Prozent konnten wir das Alterskapital unserer aktiv Versicherten mit einem mehr als doppelt so hohen Satz von 4 Prozent verzinsen», erklärt Geschäftsführer Sergio Bortolin auf der ASGA-Website.
Die ASGA ist nicht die einzige Kasse, die den Erwerbstätigen mehr als den Mindestzins weitergibt. So verzinsen auch Coop, die Zuger Pensionskasse und die Pensionskasse SRG SSR die Guthaben der Erwerbstätigen mit mehr als 3 Prozent.
Und es gibt auch Pensionskassen, die den Rentnern in solch guten Jahren einen Zustupf geben – beispielsweise die Allgemeine Pensionskasse der SAirgroup (APK): Sie zahlte ihren Versicherten im letzten Jahr sieben zusätzliche Monatsrenten – insgesamt also 19. Die APK ist die ehemalige 2. Säule der Angestellten der SAirgroup. Heute ist sie eine reine Rentnerkasse.
Presserat: Beschwerde gegen K-Tipp abgewiesen
«Pensionskassen: Milliarden-Bschiss»: Unter diesem Titel erschien vor einem Jahr ein Artikel über die Pensionskassen (7/14).
Die Kritik des K-Tipp lautete: Trotz einer durchschnittlichen Rendite von 6,2 Prozent im Jahr 2013 erhielten die Versicherten ihr Sparguthaben nur mit 1,5 Prozent verzinst – oder 32 Milliarden Franken zu wenig.
Gegen diesen Artikel reichte ein Kadermitglied der Swisscanto Vorsorge AG beim Presserat Beschwerde ein. Der Presserat ist eine Selbsthilfeorganisation der Medienbranche, bei dem jedermann Verstösse gegen berufsethische Fragen vorbringen kann.
Der Beschwerdeführer behauptete, der K-Tipp habe das Wahrheitsgebot missachtet. Der Presserat sah dies anders und lehnte die Beschwerde am 5. März ab.
In der ausführlichen Begründung hält der Presserat fest: «Im Artikel wird ausführlich begründet, dass die von den Pensionskassen mit dem Geld der Sparer erwirtschaftete Rendite nur zu einem kleineren Teil an die Versicherten und Sparer weitergeben wird, der grösste Teil fliesst in die Reserven der Pensionskassen.» Insgesamt könnten die Leser einordnen, worauf sich der Vorwurf des «Bschisses» beziehe. Im Artikel selbst würden die Mechanismen der Verzinsung und der Renditebildung genau erklärt.