Mag sein, dass ich ein bisschen förmlich bin. Aber wenn ich mit jemandem per Sie bin, dann schreibe ich in der Anrede stets «Sehr geehrter Herr Meyer», «Sehr geehrte Frau Müller». Egal ob in einem Brief oder einem Mail. Eigentlich ginge «Guten Tag Herr Meyer» auch. Aber «Hallo Frau Müller» wäre mir etwas zu salopp. Und «Liebe Frau Müller» zu intim.

Umgekehrt fällt mir seit etwa fünf Jahren auf, dass ich für andere immer öfter der «Liebe Herr Diener» bin. Zum Beispiel für Migros und Coop, Globus und Nestlé, SBB und TCS, Postfinance und UBS, Ticketcorner und Cablecom. Oder genauer gesagt: für deren Mediensprecher, mit denen ich im Namen des K-Tipp zu tun habe.

Mir ist das ausgesprochen unangenehm. Denn wir – die Mediensprecher und ich – sind keine dicken Freunde. Ganz und gar nicht. Denn wenn ich den Mediensprechern im Zusammenhang mit einem Artikel Fragen stelle, dann meistens, weil sich Leser bei uns beschwert haben. Und weil wir finden, die Beschwerden seien berechtigt. Für die betroffenen Firmen ist das oft eine unerfreuliche Situation.

Da wirkt die Anrede «Lieber Herr Diener» ganz so, als ob mir jemand auf die Schulter klopfen würde. Als ob er mich einseifen möchte. Als ob er ein Problem herunter­spielen würde. Als ob er den K-Tipp auf ­seiner Seite wissen möchte. Bei mir läuten jedenfalls die Alarmglocken.

Dabei, so vermute ich, tun die Mediensprecher nur, was ihnen in PR-Kursen gelehrt wird: Journalisten wie alte Kollegen behandeln. Und dazu gehört natürlich auch die ­kollegiale Anrede in einem Mail oder einem Brief.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Mails, die mit Smileys garniert waren, habe ich schon erhalten. Als Nächstes kommen wahrscheinlich Herzchen.