Pestizide verseuchen Trinkwasser, greifen die Gesundheit der Menschen an und schaden der Artenvielfalt. Diese Fakten sind wissenschaftlich belegt. Im Juni entscheidet das Schweizer Stimmvolk über zwei Initiativen, die den Einsatz von Pestiziden massiv einschränken oder gar verbieten wollen.
Das passt der Bauernlobby nicht. Der Bauernverband begann schon im vergangenen Jahr in einer gross angelegten Plakataktion, das schlechte Image der Pestizide aufzupolieren. Er behauptete, ohne Pestizide würde die Schweiz 30 bis 40 Prozent weniger Nahrungsmittel produzieren können («Saldo» 15/2020).
Jetzt doppeln Agrochemiekonzerne wie Syngenta und Bayer nach: Auf der von ihr finanzierten Internet-Plattform Swiss-food.ch heisst es: «Schlechte Ernten häufen sich, Importe aus dem Ausland nehmen zu.» Das sei etwa beim Rosenkohl der Fall, weil das Pestizid Methomyl seit 2016 in der Schweiz verboten sei. Deshalb komme es zu Qualitätsproblemen. Die Folge: Rosenkohlimporte aus Belgien und Holland hätten sich seit 2014 fast verdoppelt.
Die Statistiken der Gemüseproduzenten und der Zollverwaltung zeigen ein anderes Bild: Seit 2014 produzieren die Schweizer Bauern jährlich konstant zwischen 1200 und 1300 Tonnen Rosenkohl, mit Ausnahme des Jahres 2016. 2019 war der Ernteertrag pro Hektare sogar rekordmässig hoch, obwohl das Pestizid Methomyl seit 2016 verboten ist. Das beweist: Es geht auch ohne Methomyl.
Eine durch das Pestizidverbot verursachte Verdoppelung der Importe lässt sich aus der Importstatistik ebenfalls nicht ableiten. Die Importmenge verdoppelte sich nämlich vor dem Verbot von Methomyl – nicht nachher.
Fenaco torpediert Bio-Projekt des Bundes
Der Landwirtschaftskonzern Fenaco, zu dem Volg und Landi gehören, erwirtschaftet 7 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr. Das ist viel Geld – und reicht auch für die Bekämpfung der Pestizid-Initiativen mit 400 000 Franken. Fenaco dementiert diese Zahl nicht und schreibt dem K-Tipp: «Die Fenaco-Genossenschaft gehört den Schweizer Bäuerinnen und Bauern. Deren Existenz wäre bei einer Annahme der beiden Initiativen direkt gefährdet. Darum engagiert sich die Fenaco aktiv dagegen.»
Fenaco geht auch gegen Bio-Bauern vor – also gegen die, die längst bewiesen haben, dass es auch ohne künstliche Pestizide geht. Fenaco erhob im Januar erstmals überhaupt Einsprache gegen ein Bundesprojekt zur regionalen Entwicklung. Das Projekt hat die Absatzförderung von Bio-Gemüse aus der Freiburgischen Gemüsekammer zum Ziel. Bund und Kanton unterstützen es mit 16,9 Millionen Franken. Alle politischen Instanzen stimmten dem Projekt zu. Jetzt, im letzten Moment der jahrelangen Planung, blockiert Fenaco das Bio-Projekt. Der Konzern bestreitet einen Zusammenhang zwischen der Einsprache und den Pestizid-Initiativen. Vielmehr gehe es um – Zitat – «Wettbewerbsverzerrung».
Bauernverband blitzt mit Beschwerde ab
Martin Ott, Bio-Pionier und Schulleiter einer Bio-Bauernschule, deutet die Fenaco-Intervention ganz anders: «Für Unternehmen wie Fenaco darf es einfach nicht sein, dass es auch ohne Pestizide geht. Besonders jetzt vor der Abstimmung.»
Auch der Bauernverband giftelt gegen erfolgreiche Bio-Bauern. Das Schweizer Fernsehen SRF stellte in einer Sendung einige Bio-Bauern vor, die erfolgreich ohne Pestizide Nahrungsmittel herstellen. Das war dem Bauernverband im Vorfeld der Pestizid-Initiativen zu viel. Er beanstandete die Sendung. Die Ombudsstelle wies die Beanstandung ab.