Auf vielen Feldern sind Kartoffeln von der Kraut- und der Knollenfäule befallen. Einigen Bauern ist die ganze Ernte verrottet. Die konventionelle Landwirtschaft bekämpft die Krankheit mit chemischen Mitteln. Ein Bauer aus dem Kanton Zürich erzählt dem K-Tipp, er habe dieses Jahr einen Viertel mehr Pestizide gespritzt.
Dabei gäbe es eine bessere Lösung: Kartoffelsorten, die weniger anfällig sind für Krankheiten. BioBauer Konrad Langhart aus Stammheim ZH etwa baute die Sorte Vitabella an. Er hatte 2024 eine gute Ernte – ohne schädliche Spritzmittel. «Ich habe die Pflanzen nur mit Schachtelhalmtee behandelt», sagt Langhart. Vitabella gibt es etwa in der Migros.
Viel weniger Pestizide dank robusten Sorten
Robuste Sorten bieten sichere Erträge und erlauben es, den Einsatz von Pflanzengiften um zwei Drittel zu reduzieren. Aber sie werden laut Bundesamt für Landwirtschaft erst auf 8 Prozent der Anbaufläche der Schweiz eingesetzt – vor allem im Bio-Anbau. Über die verwendeten Sorten entscheiden wenige Händler und Verarbeiter, darunter der Berner Agrarkonzern Fenaco, Coop, die Migros und der Chipshersteller Zweifel.
Handel und Industrie haben zudem eine Mehrheit in der Branchenkommission, die Jahr für Jahr entscheidet, welche Kartoffeln auf die offizielle Liste mit 73 Sorten kommen. «Man kann keine Sorte anbauen, die nicht auf dieser Liste steht», sagt ein Bauer zum K-Tipp.
Dominanz von Fenaco führt zu Sortenarmut
Fenaco verkauft den Bauern das Saatgut, kauft ihnen die Ernte ab und liefert auch die Pestizide. Bauern erzählen, bis vor einigen Jahren habe es Knebelverträge gegeben: Landwirte mussten sich verpflichten, Dünger und Pestizide bei Fenaco zu beziehen, um Kartoffeln liefern zu können.
Das sei zwar heute nicht mehr der Fall, sagt ein Vertreter des Kartoffelproduzentenverbandes. «Aber der Fenaco-Konzern ist immer noch dominant. Er handelt etwa mit jeder dritten Kartoffel in der Schweiz.» Das führt zu einer Sortenarmut. Bauern, die Fenaco beliefern, können nur aus wenigen Sorten auswählen. Daten des Branchenverbands Swisspatat zeigen: Grossflächig angebaut werden nur rund 10 von 73 Sorten auf der offiziellen Liste. Auf fast einem Fünftel der Fläche wächst die Sorte Agria, auf einem Zehntel Erika.
Das Problem: Ausgerechnet die meistangebauten Kartoffeln sind krankheitsanfällig und brauchen viel Chemie.
Kartoffeln werden auf rund 11'000 Hektaren angebaut. Die Frage, wie viele Tonnen Pestizide pro Jahr darauf versprüht werden, kann das Bundesamt für Landwirtschaft nicht beantworten. Laut den Zielen der Landwirtschaftspolitik müssen die Bauern den Pestizideinsatz bis 2027 um die Hälfte reduzieren. Das Amt weiss nicht, ob man im Kartoffelanbau auf Kurs ist.
Wegen des nassen Sommers rufen viele Bauern nach mehr Chemie. So forderte Christoph Hagenbuch, Präsident des Aargauer Bauernverbandes, in der «Aargauer Zeitung» eine «sofortige massive Investition» in die Erforschung neuer Pestizide. Nur diese könnten gegen Krautfäule helfen. Ähnlich äusserten sich weitere Vertreter von Bauern- und Chemieverbänden.
Doch Pestizide schädigen viele Tierarten und gefährden die Gesundheit der Konsumenten. Vor kurzem fanden sich in einem «Saldo»-Test auf sieben von zehn konventionellen Kartoffeln Pestizidrückstände («Saldo» 15/2024).
Fachleute sagen, die Branche habe die Züchtung robuster Sorten verschlafen, weil man sich auf den Einsatz von chemischen Mitteln verliess. Die Saatguthersteller kämen aus dem konventionellen Bereich, und die Händler zeigten bisher kaum Interesse an robusten Sorten. Ertrag, Eigenschaften und Aussehen der Kartoffeln stünden im Vordergrund.
Beispiel Weizen zeigt: Züchtung lohnt sich
«Der Handel steuert die Nachfrage falsch», sagt der einzige Schweizer Hersteller von Kartoffelsaatgut, Stefan Griesser aus Weiach ZH. «Die Grossverteiler müssen robuste Sorten besser vermarkten und Kunden die Vorteile aufzeigen.» Griesser entwickelt Nischensorten für einzelne Bauern. Für den Massenanbau ist die Schweiz vollständig auf Saatgut aus dem Ausland angewiesen.
Der Weizenanbau zeigt, dass sich eine Züchtung besserer Sorten lohnt. Hier hat die Forschungsanstalt Agroscope Sorten gezüchtet, die speziell abwehrfähig sind. 70 Prozent des Weizens in der Schweiz können daher ohne oder mit wenig Chemie angebaut werden. So spart man laut Agroscope pro Jahr über 20 Tonnen Pestizide.
Fenaco, Coop und die Migros teilen mit, für die Züchtung robuster Sorten brauche es mehr Zeit. Man habe heute einen Anteil von 7 bis 15 Prozent solcher Sorten im Angebot. Fenaco sagt zudem, man sei «in intensivem Austausch mit Züchtungsfirmen, um neue Sorten frühzeitig testen zu können».
Coop schreibt, man unterstütze Feldversuche des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Die Migros sagt, robuste Sorten müssten «dieselben Qualitätserwartungen unserer Kunden erfüllen wie herkömmliche Sorten.»
Tipp: Manche Läden, etwa die Migros, schreiben auf Kartoffelpackungen an, um welche Sorte es sich handelt. Robuste Sorten sind beispielsweise Acoustic, Emanuelle, Sound, Twinner und Vitabella. Generell gilt: Bio-Produkte sind eher robuster als konventionelle Kartoffeln.