Die SBB schliessen immer mehr Schalter. Wo es überhaupt noch welche gibt, vergrault die Bahn ihre Kunden. Sie lässt sie mitunter eine halbe Stunde warten, wie der K-Tipp schon mehrfach berichtete. Angestellte fangen zudem Kunden ab, um sie zu den Automaten zu leiten. Und Sparbillette gibts nur übers Internet.
Allein in diesem Jahr reduzieren die SBB die Zahl ihrer Bahnhöfe mit Schaltern von 162 auf 153 (siehe Unten). Vor zehn Tagen berichtete die «Sonntagszeitung», dass auch einzelne Billettautomaten verschwinden werden.
Doch das ist nur Vorgeplänkel. Richtig losgehen dürfte es in den nächsten paar Jahren. Dem K-Tipp liegt ein «Projektauftrag» von CH-direct, der Tariforganisation des öffentlichen Verkehrs, vor. Darin steht: Bis 2025 sollen «Papiertickets und die entsprechenden Vertriebskanäle weitestgehend abgeschafft sein». Mit anderen Worten: An den Schaltern soll es keine Billette mehr geben, und die bisherigen Automaten sollen verschwinden.
Das Problem für die Abbauer: 2016 kauften – trotz allen Widrigkeiten – noch immer 70 Prozent aller Kunden ihre Billette am Schalter oder am Automaten. Das wissen auch die Verantwortlichen von CH-direct. Deshalb schreiben sie in einem anderen internen Papier: «Ohne drastische Massnahmen wird diese Transformation sehr lange dauern.»
Der K-Tipp wollte wissen, was diese «drastischen Massnahmen» sind. CH-direct beantwortete die Frage nicht. Die Tariforganisation versucht aber, die Angelegenheit herunterzuspielen: «Es handelt sich lediglich um ein Projekt. Es liegen keine verbindlichen Beschlüsse vor.» An einer Pressekonferenz im März behaupteten die Verantwortlichen sogar, «die bewährten Verkaufskanäle» würden bestehen bleiben. Und auch der Bundesrat gab sich in der Antwort auf eine Anfrage des Walliser SP-Nationalrats Mathias Reynard ahnungslos.
Viele Kunden haben kein Smartphone
In den Papieren, die dem K-Tipp vorliegen, sind Prognosen formuliert. Im Jahr 2030 sollen 95 Prozent der Kunden ein automatisches Zahlsystem benutzen. Der Kunde lädt dabei eine App auf sein Smartphone, seine Fahrten werden dort registriert und am Abend abgerechnet. Versuche laufen bereits. Das System steckt aber noch in den Kinderschuhen. Der Akku-Verbrauch der Smartphones ist viel zu hoch. 20 Prozent der Kunden besitzen gar keines, und 60 Prozent haben noch kein Abo mit unbeschränkter Datenmenge. Weiterer Nachteil: Sparbillette sind über diesen Kanal nicht erhältlich.
In einer Übergangsphase wollen die Transportunternehmen «papierlose Billette verkaufen». Sie sollen an festinstallierten Tablets erhältlich sein. Dort können die Kunden die Billette auf den Swisspass, auf die Debit- oder die Kreditkarte laden. Bargeldzahlungen sollen nicht mehr möglich sein. Doch das dürfte Probleme geben:
Im Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel ist nämlich eine «Annahmepflicht» für Bargeld festgeschrieben.
Kunden sehen auf dem Swisspass nicht, welche Tickets sie gekauft haben.
Offen ist auch, wie kontrolliert werden soll. Probleme wird es geben, wenn keine Internetverbindung vorhanden ist – zum Beispiel in Tunneln.
Den Leuten von CH-direct scheint klar zu sein, dass es nicht einfach wird, den Kunden die papierlosen Billette schmackhaft zu machen. Deshalb wollen sie «Opinionleader und Keyjournalisten zu tragfähigen Botschaftern machen». Sie wollen eine «Vorteilskommunikation etablieren».
Darum sprechen sie schon jetzt von einem «benutzerfreundlichen Automaten-Kauferlebnis» und von Billetten «auf einem wertigen Träger». Gemeint ist damit der Swisspass.
SBB schliessen Schalter in neun Bahnhöfen
In neun Bahnhöfen gehen dieses Jahr die SBB-Schalter zu: In Münchenbuchsee BE, Erlenbach ZH, Zürich-Tiefenbrunnen, am Basler Euroairport, in Küssnacht am Rigi SZ, in Turgi AG, Palézieux VD, Saint-Maurice VS und Renens ETH VD. Damit gehen wieder 5,6 Prozent der verbliebenen SBB-Schalter verloren. Interessant dabei: Nicht alle Transportunternehmen sehen so schwarz wie die SBB: Die Freiburger Verkehrsbetriebe werden die Schalter in Palézieux weiterführen, die von Lausanne die Schalter in Renens ETH.