Kunststoffe sind sehr stabil. Sie werden in der Natur nicht komplett abgebaut, sondern zerfallen im Lauf der Zeit in immer kleinere Teilchen – zu sogenanntem Mikroplastik. Darunter versteht man Kunststoffteilchen, die kleiner als 5 Millimeter sind.
Forscher konnten weltweit winzige Plastikpartikel in Fischen nachweisen. Wie stark landwirtschaftliche Böden mit Mikroplastik belastet sind, ist dagegen unklar.
Der K-Tipp schickte zehn Bodenproben von Schweizer Äckern in ein spezialisiertes Labor. Resultat: Alle Proben enthielten Mikroplastik. Untersucht wurde die Erde von Mais- und Weizenfeldern in der Nähe von grossen Siedlungsgebieten, aber auch von Ackerland weitab vom Verkehr – beispielsweise im Berner Emmental.
Viel Mikroplastik aus der Landwirtschaft
Am stärksten belastet waren zwei Proben aus den Kantonen Aargau und Thurgau: In einem Kilo Erde von einem Feld bei Felben-Wellhausen TG zählte das Labor über 100'000 Mikroplastikteilchen. In der Probe von Kölliken AG waren es mehr als 50'000.
Das sind sehr hohe Werte. Gemäss dem österreichischen Umweltbundesamt lag der bisherige Höchstwert bei 18'760 Plastikteilchen pro Kilo Ackerboden. In der K-Tipp-Stichprobe wurden in 5 Fällen mehr als 10'000 Mikroplastikteilchen gezählt.
In allen Proben fand das Labor Polyethylen. Das erstaunt nicht, denn dieser Kunststoff ist weit verbreitet. In der Landwirtschaft wird er vor allem für Siloballen und Tunnelfolien sowie für Vogelschutznetze eingesetzt.
Gemäss Berechnungen der Bundesforschungsanstalt Agroscope werden auf Schweizer Feldern rund 16'000 Tonnen Plastikmaterial pro Jahr eingesetzt. Sie geben rund 160 Tonnen an Plastikteilchen ab, die im Boden zurückbleiben.
Für die Mikroplastikbelastung der Böden kommen neben der Landwirtschaft einige weitere Quellen in Betracht. Denn die kleinen Teilchen verbreiten sich auch über die Luft und Gewässer.
In einer Studie von 2018 machte das Fraunhofer-Institut für Umwelttechnik in Deutschland die wichtigsten Quellen für Mikroplastik aus. Die Top 3 sind: Pneuabrieb von Autos und Velos, Abrieb von Kunststoffzusätzen, die sich im Asphalt befinden, und Staub aus der Abfallentsorgung.
In den vom K-Tipp untersuchten Bodenproben fand das Labor Mikroplastikteilchen mit einem Durchmesser von 6 bis 100 Mikrometern. Dieses Mikroplastik gelangt von den Feldern in die Nahrung, weil Pflanzen es aus dem Boden über die Wurzeln aufnehmen.
Vor zwei Jahren veröffentlichten Forscher der Universität Catania (I) erstmals Messungen von Mikroplastikpartikeln in Gemüse und Früchten. Sie hatten Äpfel, Birnen, Salat, Rüebli, Broccoli und Kartoffeln aus italienischen Supermärkten und dem Obsthandel untersucht.
Resultat: In allen 36 Proben fanden die Forscher Teilchen mit einem Durchmesser von 1,5 bis 3 Mikrometern. Am stärksten belastet waren Rüebli und Äpfel. In einigen Erdproben steckten bis zu 300'000 Partikel. Am wenigsten belastet war Salat.
Partikel gelangen bis ins Gehirn
Besonders die kleinsten Plastikteilchen sind gefährlich. Denn je kleiner sie sind, desto leichter können sie sich mit dem menschlichen Blut im Körper verbreiten. Das zeigt eine aktuelle Studie der Vrije Universität Amsterdam (NL). Das Forscherteam fand im Blut von 22 Probanden vor allem Polyethylen- und PET-Rückstände.
Und eine Forschergruppe des Daegu Gyeongbuk Institute of Science and Technology in Korea wies 2021 nach, dass Plastikpartikel, die kleiner als 2 Mikrometer sind, bis ins Gehirn vordringen können. Die Forscher gaben in ihrer Studie Mäusen sieben Tage lang Wasser, das mit Plastik belastet war. Zusätzlich untersuchten sie an Zellkulturen, ob sich Plastik in den Zellen anreichert und dort Schaden anrichtet. Ergebnis: Mikroplastikpartikel können sich in den Zellen anreichern und Entzündungen auslösen.
Jede Woche 5 Gramm Plastik verspeist
Trotz der beunruhigenden Studienergebnisse haben die Behörden bislang keine Massnahmen ergriffen. Das Bundesamt für Umwelt will erst handeln, wenn die EU definitive Beschränkungen für Mikroplastik beschliesst. Gemäss dem Bundesamt wurden bisher noch keine Bodenproben auf die Belastung mit Mikroplastik untersucht. Es kann also noch Jahre dauern, bis Massnahmen gegen die Verseuchung von Böden und Wasser durch Mikroplastik ergriffen werden.
Laut Studien der Universität Newcastle in Australien nehmen Menschen zirka 2000 winzige Kunststoffteilchen pro Woche mit der Nahrung auf. Das entspricht 5 Gramm Plastik – so viel wiegt eine Kreditkarte.
So hat der K-Tipp getestet
- Der K-Tipp grub auf zehn Feldern in der Deutsch- und der Westschweiz je 2 Kilo Erde aus einer Tiefe von rund 30 Zentimetern aus.
- Um die Proben nicht mit Plastik zu belasten, wurde ausschliesslich Werkzeug aus Metall und Holz verwendet. Für den Transport wurde die Erde in Behälter aus Glas und Metall gefüllt.
- Die Laborexperten mussten die Erde vor der Mikroplastik-Analyse zuerst vorbereiten: Sie wurde mit verschiedenen Verfahren gereinigt und gefiltert. So entstanden Proben, die das Labor mit einem speziellen Mikroskop untersuchte. Dabei wurde das Material mit einer Lasersonde auf Plastikpartikel abgesucht und die Kunststoffart bestimmt.
- Die Interpretation der Daten erfolgte mit einer Spezialsoftware. Diese glich die gemessenen Daten mit einer Datenbank von Referenzkunststoffen ab.
- Mit dem Mikroskop lassen sich sehr kleine Teilchen ab einem Millionstel Meter (Mikrometer) Durchmesser nachweisen. Bei jeder Probe wurde die Gesamtmenge an Mikroplastikteilchen pro Kilogramm Erde berechnet.