Die Post verfüge über ein «einzigartiges Datenuniversum», wirbt ein Mitarbeiter in einem Verkaufsvideo. Dank der steigenden Zahl an Paketsendungen kenne man jeden Briefkasten. «Wir haben Daten zu Lebensphase, Wohnsituation, Haushaltgrösse, Alter und Interessen.» So preist der Mitarbeiter der Post die Angebote für Firmen an, die Werbung verschicken wollen.
Lange benutzte die Post die Daten ihrer Kunden für das Bewerben eigener Dienstleistungen. Seit kurzem können aber auch andere Firmen die Daten zu den Haushalten kaufen und über die Post Werbung an bestimmte Zielgruppen versenden.
Jeder Bewohner ist automatisch Kunde
Der Mitarbeiter der Post betont im Video immer wieder den grossen Vorteil der Post: Sie verfügt über einen grossen Datenschatz, da jeder Landesbewohner automatisch Postkunde ist. Für Firmen, die Werbung versenden wollen, ist das praktisch. Sie können dank den Informationen zielgenau Leute ansprechen, die am ehesten auf die Werbung reagieren. Kunden wie das Rote Kreuz seien sehr zufrieden, heisst es im Video: «Je nach Branche können die Unternehmen entweder die Spenden erhöhen, Neukunden gewinnen oder mehr Abos abschliessen.»
Daten zu Lohn und Kaufverhalten
Aus dem Video wird auch ersichtlich, welche Daten die Post verwendet. Dazu zählen neben der Haushaltgrösse Informationen zur Zahl der zugestellten Päckli, zur Lohnkategorie und zum Kaufverhalten im Internet. Doch darf die Post ihr Kundenwissen an Werber weitergeben? Im Video erklärt der Mitarbeiter der Post, man habe von rund 500'000 Postkunden die Einwilligung bekommen, Werbung von Drittfirmen zustellen zu dürfen. Bei allen anderen darf die Post die vorhandenen Daten nicht für Werbezwecke verkaufen.
Deshalb ködert sie Kunden mit Wettbewerben und Gratisleistungen, um die Erlaubnis für Werbesendungen zu erhalten. Und sie nutzt auch Daten von Kunden, die keine Zustimmung erteilt haben – für unadressierte Werbung. Die interessierten Firmen können eine Zielgruppe für ihre Werbung definieren. Die Post analysiert dann, in welchen Quartieren die Zielgruppe am ehesten zu finden ist. «Wir wissen genau, welche Gebiete für die Werbung erfolgversprechend sind», sagt der Mitarbeiter der Post.
Die «Gebiete» sind sehr kleinräumig: Sie umfassen teilweise nur 30 bis 35 Haushalte. Die Post bietet einen Rundumservice: von der Datenanalyse über die Herstellung des Werbematerials bis zum Versand. Das entsprechende Angebot heisst «360° Dialog Solutions».
Das Beispiel einer Unternehmerin zeigt, was die Post darunter versteht. Die Frau teilte der Post mit, sie wolle Werbung an Sportinteressierte schicken. Daraufhin erhielt sie ein Dokument mit dem Titel «Selektionsmöglichkeiten, Adressen mieten oder kaufen». Laut diesem kann die Kundin auswählen, welche Ausbildung die Zielperson haben soll und ob sie sich für News, Wirtschaft, Mode, Unterhaltung oder Autos interessiert. Die Miete von rund 2500 Adressen kostet 6000 bis 7000 Franken.
Gesetz verbietet Weitergabe von Daten
Für die Post gelten strenge Vorgaben bezüglich Datenverwendung. Das Postgeheimnis untersagt es «Beamten, Angestellten oder Hilfspersonen einer Organisation, die Postdienste erbringt, einem Dritten Angaben über den Postverkehr der Kundschaft zu machen». Doch die Angebote der Post lassen den Schluss zu, dass die Post genau das tut: Sie macht die Kundendaten, die sie aus dem Postgeschäft hat, auf verschiedenen Wegen Dritten für Werbung zugänglich.
Die Post bestreitet, das Postgeheimnis zu verletzen. Man nutze nur Daten ohne Personenbezug aus öffentlichen Quellen wie dem Bundesamt für Statistik und posteigenen Systemen. Dabei handle es sich etwa um Daten, die zeigen, aus welcher Branche ein Produkt bestellt wurde. «Wir verkaufen keine Adressdaten, wir erlauben es Geschäftskunden nur, passende Zustellgebiete zu wählen», sagt Post-Sprecherin Silvana Grellmann.
Logo der Post für Partnerfirma benutzt
Das Dokument «Adressen mieten oder kaufen», das dem K-Tipp vorliegt, widerspricht dieser Aussage. Dazu sagt die Post, man vermittle Leistungen Dritter. Beim Dokument handle es sich um Informationen einer Partnerfirma, die Adressen verkaufe. Das Adressmaterial stamme nicht von der Post. Das Dokument trägt aber das Logo und die Adresse der Post. Damit konfrontiert, sagt die Post, ein Mitarbeiter habe das Layout verändert «mit der Absicht, das Angebot der Post mit dem Angebot des Partners optisch zu vereinheitlichen».
Die Aufsichtsbehörde Postcom äussert sich nicht dazu, ob die Post das Postgeheimnis verletzt. Dies zu prüfen, sei Sache der zuständigen Strafverfolgungsbehörde.
Post lockt mit Wettbewerben für Zustimmung zu Werbung
oll sind Kunden, die «Angebote Dritter kennenlernen» wollen. Denn wenn Kunden ihre Einwilligung geben, kann die Post ihnen gezielt Werbung von anderen Unternehmen zustellen. Die Post wertet dazu laut eigenen Aussagen Stammdaten aus der «postalisch-logistischen Leistungserbringung» und Verhaltensdaten aus.
Viele Postkunden dürften diese Einwilligung erteilt haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Denn die Post versucht gezielt, Kunden zu ködern. So finden immer wieder Wettbewerbe statt, bei denen die Teilnehmer zwingend zustimmen müssen, dass die Post die Daten für Dritte verwenden darf.
Aktuell kann man zum Beispiel Gutscheine für den Postshop gewinnen. Ähnlich ist es bei der App «Postcard Creator». Kunden können die App zum kostenlosen Versenden von Postkarten nur dann benutzen, wenn sie ihre Zustimmung zu Werbung geben. Sonst müssen sie pro Postkarte Fr. 2.20 bezahlen.
Gut zu wissen: Kunden können ihre Zustimmung zu Werbung jederzeit widerrufen. So geht es: Loggen Sie sich mit Ihrem Konto auf Post.ch ein. Klicken Sie oben rechts auf den Profilbutton mit den eigenen Initialen, und wählen Sie «Einstellungen». Unter «Interessen» bei «Postdienste» und «Angebote Dritter kennenlernen» die Schalter nach links legen. Kunden ohne Login der Post können die Zustimmung telefonisch widerrufen. Die Nummer lautet 0848 888 888.