Mehr als 1200 Schweizer Gemeinden verfügen über keine Poststellen mehr. Stattdessen gibt es nur noch kleine Postagenturen in Geschäften oder Apotheken mit stark reduziertem Angebot. Die Post sagt: Wenn Poststellen schliessen und dafür Agenturen in Dorfläden öffnen, nutze das den Dorfläden. Denn diese erhalten von der Post Geld dafür, dass sie Postgeschäfte abwickeln.
Tatsache ist: Viele Läden profitieren nicht. Beispiel: Die Bäckerei Merz in der Luzerner Altstadt kündigte im vergangenen Oktober ihren Vertrag mit der Post. Geschäftsleiterin Nathalie Nowak sagt dem K-Tipp: «Es gibt zu viel Ärger mit den Postgeschäften.» Denn ändert die Post die Bedingungen, müssen das die Agenturen ausbaden.
So verfügte die Post zum Beispiel, dass Kunden in Agenturen keine Auslandpakete mehr aufgeben können – ausser sie erledigen die Arbeit selbst und füllen eine Zolldeklaration im Internet aus. Nowak: «Das führt oft zu langen Diskussionen. Dafür haben meine Angestellten aber keine Zeit. Sie müssen rasch die Kundinnen und Kunden bedienen, die bei uns einkaufen.» Für die Bäckerei gehe die Rechnung mit dem Postservice nicht auf.
Auch ein Lebensmittelladen im Kanton Schwyz kündigte im vergangenen Jahr den Vertrag mit der Post. Der Inhaber möchte nicht, dass sein Geschäft genannt wird. Er sagt: Die Post habe plötzlich 20 Prozent weniger als bisher dafür zahlen wollen, dass die Mitarbeiter seines Ladens die Postgeschäfte erledigen.
Die Post garantiert einer Agentur jeweils einen fixen Geldbetrag, den sie mit dem Inhaber aushandelt. Dazu kommt ein variabler Betrag. Dieser hängt davon ab, wie viele Postgeschäfte der Laden abwickelt. Laut dem Inhaber des Schwyzer Ladens wollte die Post den Fixbetrag senken. Deshalb rentiert die Agentur für ihn nicht mehr.
Allein 2022 machten 73 Agenturen dicht
Luzern und Schwyz sind keine Einzelfälle. Im Jahr 2022 kündigten gemäss Angaben der Post 73 Geschäfte den Agenturvertrag. Das sind 22 mehr als im Vorjahr. Die Post schreibt: Wenn eine Agentur schliesse, könne man in über der Hälfte der Fälle eine neue Agentur in einem anderen Dorfladen eröffnen.
Die Post sagt nicht, wie viel sie den Läden für die Erledigung der Postgeschäfte zahlt. Die Kürzung der Entschädigungen begründet sie so: Die Post stelle den Läden eine Theke zur Verfügung, an der Ladenangestellte die Kunden bedienen. Diese sei kleiner geworden und einfacher zu bedienen als früher. Gemäss der Post-Sprecherin sind nicht alle Agenturen unzufrieden. Am häufigsten komme es zu Agenturschliessungen, weil ein Dorfladen schliesse.
Für die Kunden bedeutet das: Sie können ihre Postgeschäfte nicht mehr vor Ort erledigen. Das ist etwa in der genannten Schwyzer Gemeinde der Fall. Dort will die Post den Betroffenen neu einen «Hausservice» anbieten. In Informationsblättern freut sie sich: «Jetzt können Kunden ihre Postgeschäfte direkt an der Haustüre erledigen.»
Doch dieser Service hat Nachteile. So nimmt der Pöstler Briefe und Pakete nur dann mit, wenn Kundinnen und Kunden den Hausservice im Voraus anfordern. Und um den Service im Internet zu bestellen, braucht man zwingend die umstrittene Swiss-ID der Post («Saldo» 20/2022).
Postverantwortliche brechen Versprechen
Auch viele klassische Poststellen schliessen: Im letzten Jahr hob die Post 32 Filialen auf. Aktuell gibt es nur noch 773 Poststellen. Damit brechen die Postverantwortlichen ihr Versprechen vom Mai 2020. Der damalige Postpräsident Urs Schwaller versicherte: «Die Zahl der Filialen wird sich bei 800 stabilisieren.»
Am Abbau seien die Gemeinden mitschuldig, behauptete der heutige Postpräsident Christian Levrat kürzlich in einem «Blick»-Interview. Denn die lokalen Behörden würden teils eine Schliessung verlangen: «Wenn eine Gemeinde eine Änderung wünscht, kommen wir dieser entgegen.»
Auf Nachfrage des K-Tipp krebst Levrat zurück und nennt nur zwei Gemeinden: Däniken SO und Simplon VS. Die Gemeinderäte beider Ortschaften forderten allerdings nicht die Schliessung der Poststelle, sondern stimmten der von der Post verfügten Schliessung erst nachträglich zu.
Postaufsicht lässt Gemeinden hängen
Was Levrat nicht sagt: Die meisten Gemeinden wehren sich gegen Schliessungen. Doch der Bund lässt sie hängen. In den letzten zwei Jahren legten 23 Gemeinden bei der Postcom Beschwerden gegen Postschliessungen ein. Doch die Aufsichtsbehörde liess die Post in allen Fällen gewähren. Mittlerweile sind alle 23 Filialen geschlossen.
Die Post schreibt: Die Zahl von 800 Poststellen, die erhalten bleiben sollen, sei bloss ein «runder Richtwert». Weitere Postschliessungen seien möglich.
Diese Postfilialen schlossen im Jahr 2022
- Bern, Matte-Quartier
- Bettlach SO
- Bubikon ZH
- Däniken SO
- Eggersriet SG
- Glattfelden ZH
- Hallau SH
- Hergiswil NW
- Hünenberg ZG
- Leuggern AG
- Lützelflüh-Goldbach BE
- Luzern, Universität
- Mels SG
- Nesslau SG
- Oberburg BE
- Ramsen SH
- Schattdorf UR
- Sigriswil BE (Schliessung angekündigt)
- Tiefencastel GR
- Waldstatt AR