Eine Solothurner Aktiengesellschaft verbuchte mehrere Rechnungen zu Unrecht als Aufwand. Die Ausgaben von rund 200 000 Franken waren erfunden. Entsprechend reduzierte sich der Gewinn des Unternehmens. Ein Revisor erklärte den Jahresabschluss trotzdem für gesetzeskonform.
Doch die Steuerverwaltung schöpfte Verdacht auf Urkundenfälschung und Steuerbetrug. Dann passierte, was in solchen Fällen üblich ist: Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren, liess Häuser durchsuchen und Verdächtige einvernehmen. Aus den sichergestellten Unterlagen und E-Mails ergab sich, dass der Revisor über die fiktiven Abrechnungen Bescheid wusste. Er wurde schliesslich vom Bundesgericht im Mai 2013 wegen Gehilfenschaft zum Steuerbetrug verurteilt.
In der Schweiz ist es bei solchen Delikten normal, dass Unterlagen sofort beschlagnahmt und Beschuldigte einvernommen oder verhaftet werden. Damit will man Absprachen und die Beseitigung von Beweisen verhindern.
Anders bei der Schweizer Post: Aus den Zeitungen konnten die Strafbehörden entnehmen, dass das Bundesamt für Verkehr in einem Prüfbericht über die Postauto Schweiz AG feststellte, dass von 2007 bis 2015 durch illegale Buchungen Subventionen von 78,3 Millionen Franken erschwindelt wurden. Postauto verbuchte Aufwand, den es gar nicht gab. Zum Beispiel Pneus, die nicht gekauft wurden. Oder Treibstoff zu fiktiven Preisen. Laut Medienberichten sollen nicht weniger als 200 000 Buchungen in der Postautobuchhaltung gefälscht sein. So versteckte die Post Gewinne.
Das Bundesamt vermutet, dass die Trickserei auch 2016 weiterging. Die Post bestritt den Sachverhalt nicht. Sie bestätigte die erschwindelten Subventionen in einer Medienmitteilung und erklärte sich bereit, das Geld zurückzuzahlen.
Post rechnete mit Hausdurchsuchung
Falschbuchungen in Unternehmen sind strafbar. In Frage kommen Delikte wie etwa Urkundenfälschung, Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung. Das sind Offizialdelikte. Das heisst, die Strafbehörden müssten ohne Anzeige von sich aus tätig werden, sobald sie Verdacht schöpfen.
Das weiss auch die Post. Sie rechnete mit einer Hausdurchsuchung. In einer dem «Blick» zugespielten internen Mitteilung vom 14. Februar an die Mitarbeiter am Empfang des Hauptsitzes heisst es: «Die Bundesanwaltschaft kann jederzeit und unangemeldet Hausdurchsuchungen durchführen. Sie kann Dokumente und Dateien beschlagnahmen.» Dann folgen Anweisungen an die Mitarbeitenden des Empfangs: «Begrüssen Sie die Beamten bei ihrer Ankunft höflich und bitten Sie sie, sich in ein Besprechungszimmer zu begeben und dort zu warten.» Und: «In diesem Besprechungszimmer darf es keine Computer oder Unterlagen von Postauto haben, und es dürfen sich darin keine Mitarbeitenden von Postauto AG befinden.»
Polizei sollte Beweise sichern
Die Befürchtung der Post, dass sich die Schweizer Strafbehörden für ihre jahrelangen Falschbuchungen in der Buchhaltung interessieren, ist bisher unbegründet. Bis heute ist noch kein Strafverfahren in Gang. Die Strafverfolger des Bundes und des Kantons Bern warteten zunächst die schriftliche Anzeige des Bundesamts für Verkehr ab. Eine Woche später schoben sie den Ball zurück. Da es um Subventionsbetrug gehe, sei das Bundesamt zuständig.
Niklaus Ruckstuhl, Professor für Strafprozessrecht an der Universität Basel, kritisiert: «Es ist problematisch, dass keine Strafbehörde von sich aus Ermittlungen aufgenommen hat, nachdem die Sache publik wurde. Es besteht die Gefahr, dass sich die verdächtigen Personen in der Zwischenzeit absprechen.» Laut Ruckstuhl hätte die zuständige Behörde in einem normalen Fall mindestens die Polizei beauftragt, Beweise zu sichern.
Die Untätigkeit der Strafbehörden spielt den Verantwortlichen der Postauto-Buchhaltung in die Hände. Die Post wusste spätestens seit November 2017, dass das Bundesamt für Verkehr die illegalen Buchungen entdeckt hatte.
Inzwischen hat sie eine grosse Schweizer Anwaltskanzlei mit «internen Abklärungen» beauftragt. Deren Anwälte werden wohl kaum Material sammeln, das ihren Auftraggeber, die Post-Chefetage, belastet.
Preisüberwacher: «Halbtax-Preis sollte gesenkt werden»
Die Dunkelkammer namens Schweizerische Post beschäftigt auch den Preisüberwacher Stefan Meierhans. Gegenüber dem K-Tipp fordert er: «Als Regulierungsbehörde müssen wir uneingeschränkten Zugang zu den Daten des gesamten Konzerns haben.»
Meierhans erinnert daran, dass die generelle Preiserhöhung im öffentlichen Verkehr von Ende 2014 unter anderem aufgrund einer angeblichen Unterdeckung im Regionalverkehr erfolgt sei. Zu diesem Bereich gehört das Postauto. Damals wurden die Preise durchschnittlich um 2,3 Prozent, die Einzeltarife um 2,9 Prozent erhöht. Angesichts der von Postauto zu viel kassierten Subventionen von 78 Millionen Franken fordert Meierhans: «Diese Preiserhöhung von 2014 sollte zumindest teilweise kompensiert werden – zum Beispiel über eine Senkung des Preises für das Halbtax.» Und er schiebt nach: «Billettpreiserhöhungen im öffentlichen Verkehr sind heute generell nicht mehr angezeigt.»
Politiker ändern plötzlich ihre Meinung
2016 forderte die K-Tipp-Initiative «Pro Service public»:
1. Bundesbetriebe sollen in der Grundversorgung nicht nach Gewinn streben.
2. Über die Kosten und die Verwendung der Einnahmen ist Transparenz zu schaffen.
3. Die Chefs der Bundesbetriebe sollen nicht mehr verdienen als ein Bundesrat. Alle Parteien bekämpften das Volksbegehren heftig. Der K-Tipp zeigt, was prominente Gegner damals sagten und wie sie sich heute, nach dem Postauto-Skandal, äussern.
Kurt Fluri, NR (FDP/SO)
- 2015/16
«Durch das Gewinnverbot für bundesnahe Betriebe wird die Qualität des Service public weder besser noch günstiger, im Gegenteil.»
Als Präsident des Städteverbands, 24. Mai 2016 - 2018
«Entweder man erbringt Service public oder erzielt Gewinne. Beides geht nicht. Definitionsgemäss.»
«10 vor 10», SRF, 8. Februar 2018
Martin Candinas, NR (CVP/GR)
- 2015/16
«Ohne Gewinne fehlen genau jene Mittel, welche zur Finanzierung der Grundversorgung und für Investitionen erforderlich sind.»
«Bündner Tagblatt», 18. Mai 2016 - 2018
«Ich frage mich, wie sinnvoll eine Gewinnvorgabe für einen Bereich ist, der 85 Prozent des Umsatzes
im subventionierten Geschäft erzielt.»
«Aargauer Zeitung», 12. Februar 2018
Regula Rytz, NR (GPS/BE)
- 2015/16
«Für drei Chefs eine Volksinitiative zu machen, finde ich völlig unverhältnismässig.»
«Arena», SRF, 27. Mai 2016 - 2018
«Es ist höchste Zeit, die teils exzessiven individuellen Bonuszahlungen endlich zu korrigieren.»
«Sonntagsblick», 18. Februar 2018
Thomas Hardegger, NR (SP/ZH)
- 2015/16
«Statt den Service public nachhaltig zu sichern, gefährdet diese Volksinitiative eine gute und sichere Grundversorgung.»
Im Nationalrat, 15. September 2015 - 2018
«Es befällt mich ein schaler Nachgeschmack, wenn ich an die Argumente denke, mit denen wir die
Service-public-Initiative bekämpft haben.»
www.thomashardegger.ch, Februar 2018
Kommentare zu diesem Artikel
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar hinzuzufügen
Sind Sie bereits Abonnent, dann melden Sie sich bitte an.
Nichtabonnenten können sich kostenlos registrieren.
Besten Dank für Ihre Registration
Sie erhalten eine E-Mail mit einem Link zur Bestätigung Ihrer Registration.
Keine Kommentare vorhanden