Die meisten Schweizer Mastpoulets stammen aus Betrieben mit über 12 000 Tieren. Das zeigen Zahlen des Bauernverbandes. Auch in der Europäischen Union sind Mastpoulets Massenware: Hier gibt es sogar Ställe mit über 100 000 Tieren.
Der K-Tipp wollte wissen, wie sich das auf die Fleischqualität auswirkt. Er schickte 30 frische Proben rohes Pouletfleisch gekühlt ins Labor. Die Experten prüften den Einkauf auf gesundheitsgefährdende Keime wie Enterobakterien, Campylobacter sowie antibiotikaresistente Bakterien. Zudem wurde das Fleisch auf Rückstände von Arzneimitteln untersucht (siehe «So wurde getestet» im PDF).
Das Ergebnis schadet dem Appetit: Nur 9 der 30 Proben waren tadellos. Acht davon stammten aus der Schweiz. Auch in der letzten K-Tipp-Stichprobe waren fast alle guten Proben Schweizer Poulet (K-Tipp 9/2016). Die besten Chancen auf gutes Fleisch haben Migros-Kunden. 5 der 7 geprüften Migros-Produkte waren unbelastet. Anders bei Coop: Hier enthielten 5 der 6 Einkäufe krank machende Bakterien.
Auch Bio-Poulets mit resistenten Keimen
Das Labor fand in vierzehn Poulets antibiotikaresistente Keime. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit gibt es bei keiner Nutztierart so viele antibiotikaresistente Keime wie beim Geflügel. Durch den Antibiotika-Einsatz vermehren sie sich in der Schar. Eine Studie zeigte zudem, dass für die Bruteier-Produktion in die Schweiz eingeführte Elterntiere bereits Träger antibiotikaresistenter Bakterien sind und diese an ihre Küken weitergeben. Lösen solche Bakterien Infektionen bei Menschen aus, helfen bestimmte Antibiotika kaum noch.
Antibiotika sind auch in der Bio-Mast erlaubt. Laut dem Forschungsinstitut für Biologischen Landbau in Frick AG darf ein Bio-Masthuhn aber nur eine einzige Antibiotika-Behandlung während der ganzen Mast erhalten – sonst verliert das Fleisch das Bio-Label.
Neun untersuchte Poulets waren mit Campylobacter belastet. Diese Bakterien können bei Menschen Fieber, Bauchkrämpfe und Durchfall auslösen. Schweizer Ärzte melden jährlich bis 8000 Infektionen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung bezeichnet Campylobacter als häufigsten bakteriellen Erreger von Darminfektionen und fordert «neue Strategien zu Prävention, Kontrolle und Behandlung». Laut der europäischen Lebensmittelbehörde ist «ein beträchtlicher Teil der Campylobacter- Bakterien» gegen wichtige Antibiotika unempfindlich. Inzwischen melden fast alle EU-Länder «sehr hohe oder extrem hohe Prozentsätze» solcher Resistenzen. Auch in der Schweiz sind laut dem «Swiss Antibiotic Resistance Report 2020» je nach Antibiotikum bis über 50 Prozent der Campylobacter-Bakterien resistent.
Der Test zeigt auch: Bei Poulets wird oft unsauber gearbeitet. Vier Produkte waren so stark verkeimt, dass sie am Ablaufdatum nicht mehr hätten verkauft werden dürfen. Das Globus-«Coquelet» enthielt fast hundert Mal mehr Pseudomonaden, als laut der deutschen Gesellschaft für Mikrobiologie «bei Einhaltung einer guten Hygiene- und Herstellungspraxis» zu erwarten wäre. Pseudomonaden sind speziell für Leute mit geschwächtem Immunsystem riskant. Die Globus-Pouletbrust und das Bio-Pouletsteak von Manor waren übermässig mit Enterobakterien belastet – sie überschritten den von der Gesellschaft vorgegebenen Warnwert um fast das Zwanzigfache. Diese Darmbakterien können je nach Art Durchfall und Infektionen auslösen. Im Globus-«Coquelet» und der «Prix-Garantie»-Poulebrust fand das Labor die Fäkalkeime E. coli – immerhin nur in geringen Mengen.
Jedes dritte Poulet enthielt Spuren von Medikamenten. Der Hintergrund: Masthühner erhalten Arzneien vorbeugend im Futter. Die Betriebe wollen so eine für Hühner tödliche Darmkrankheit verhindern. Das Risiko für einen Ausbruch der Krankheit steigt mit mangelnder Hygiene und zu vielen Tieren auf engem Raum.
«Mit Campylobacter muss man rechnen»
Konfrontiert mit den Ergebnissen der Stichprobe, schreibt Bio Suisse: «Antibiotikaresistente Bakterien in Bio-Poulets bedeuten nicht, dass bei der Mast tatsächlich Antibiotika verabreicht wurden.» Man gehe von «Kontaminationen» aus – etwa durch Menschen, Einstreu, Wasser oder Schlachthöfe, da dort konventionelle wie Bio-Tiere verarbeitet würden.
Der Schweizer Geflügelproduzent Frifag bezeichnet antibiotikaresistente Bakterien und Campylobacter als «Branchenproblem». Produzenten und Schlachthöfe würden «mit grösster Sorgfalt» arbeiten. Trotzdem müsse man bei rohem Poulet «immer mit Campylobacter rechnen».
Laut Aldi ist Campylobacter «in der Umwelt weit verbreitet». Gemäss Spar gilt das auch für ESBL-Keime. Lidl hält fest, dass «alle drei geprüften Produkte nach Schweizer Gesetzgebung handelsüblich und verkehrsfähig sind».
Galliwag, Produzent des Manor-Bio-Poulets, prüft das Fleisch weder auf Pseudomonaden noch Enterobakterien. Man werde jedoch «die Hygienemassnahmen verstärkt überwachen». Globus verspricht, bezüglich «Hygiene Massnahmen einzuleiten», und die Hans + Wurst Naturmetzg will «mit dem Labor zukünftigen Keimbelastungen entgegenwirken». Coop erklärt, der Geflügelgenuss sei «grundsätzlich unbedenklich, wenn die Zubereitungs- und Hygienehinweise auf der Verpackung eingehalten werden».
Poulet vollständig durchbraten
Allein letztes Jahr wurden laut dem Bauernverband 70 Millionen Masthühner geschlachtet. Vor zwanzig Jahren produzierte die Schweiz 35 000 Tonnen Geflügelfleisch, 2020 waren es mit 108 000 Tonnen mehr als das Dreifache. Pro Einwohner und Jahr landeten über 14 Kilo Poulet auf dem Teller (siehe Grafik im PDF).
Deshalb gilt: Hände, Unterlage und Messer nach Kontakt mit rohem Huhn gründlich mit heissem Wasser waschen. Roher Fleischsaft darf nicht an andere Lebensmittel geraten. Poulets müssen immer vollständig durchgebraten werden.
So wurde getestet
Zwei Labors prüften für den K-Tipp 30 Proben rohes Pouletfleisch am Ablaufdatum. Das waren die Testpunkte:
- Gesamtkeimzahl: Wie hoch ist die allgemeine mikrobielle Belastung des Poulets? Keime gelangen beispielsweise durch unsaubere Verarbeitungsgeräte ins Geflügel. Und ungenügende Kühlung und zu lange Lagerung lassen sie stark vermehren.
- Pseudomonaden: Die Umweltkeime besiedeln Haut und Darm von Tieren und Menschen. Bei Leuten mit geschwächtem Immunsystem können sie Harnwegsinfektionen oder Lungenentzündungen verursachen.
- Enterobakterien: Eine hohe Zahl der verschiedenen Darm- und Umweltbakterien ist ein Hinweis auf verunreinigte oder verdorbene Ware. Mögliche Ursache: mangelnde Hygiene des Personals oder unsaubere Geräte. Je nach Art können sie Infektionen oder Durchfall auslösen.
- Escherichia coli: Die Fäkalkeime gehören zu den Enterobakterien. Manche Stämme können zu schweren Erkrankungen führen wie Darminfektionen mit Bauchkrämpfen und Durchfall.
- Campylobacter: Verursachen Fieber, Bauchkrämpfe und Durchfall. Häufigste Ursache ist verseuchtes und ungenügend erhitztes Poulet.
- Multiresistente Keime: Das Kürzel ESBL steht für «Extended Spectrum Beta Lactamase». Beta-Laktamasen sind Enzyme. Sie werden von verschiedenen Bakteriengattungen gebildet – meist Enterobakterien – und können bestimmte Antibiotika so verändern, dass diese wirkungslos werden. MRSA heisst «Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus». Die antibiotikaresistente Staphylokokken-Art kann Infektionen und Entzündungen auslösen.
- Arzneimittel: Sind im Fleisch Rückstände von Medikamenten wie Antibiotika und Steroide?
- Weitere Krankmacher: Listerien, Salmonellen und Staphylokokken fand das Labor in den untersuchten Proben nicht.
Konventionelle und Bio-Mast – die Unterschiede
Konventionelle Mastbetriebe dürfen bis zu 24 000 Masthühner ab dem 29. Lebenstag in einem Stall halten. In Bio-Ställen sind lediglich 2000 Tiere erlaubt.
In der konventionellen Mast sind 15 Tiere à zwei Kilo Körpergewicht pro Quadratmeter erlaubt. In der Bio-Mast 13 Tiere.
- Im vergangenen Jahr konnte knapp eines von fünf konventionellen Masthühnern raus an die frische Luft. In der Bio-Haltung müssen die Tiere täglich ins Freie gelassen werden.
- Konventionelle Masthühner werden mit etwa 35 Tagen geschlachtet. Die Mindestmastdauer bei Bio-Hühnern beträgt 63 Tage.
- Bei Bio-Poulets müssen 90 Prozent des Futters aus Bio-Produktion stammen.