Für Arbeitgeber und Angestellte in der Schweiz ist die 2. Säule eine ziemlich teure Sache. Mit ihren obligatorischen Pensionskassenbeiträgen müssen sie nicht nur fürs Alter vorsorgen. Sie zahlen auch Prämien für Versicherungsleistungen bei Todesfall und Invalidität.
Im Geschäft mit der 2. Säule mischen Lebensversicherungen kräftig mit (siehe auch K-Tipp 20/13). Bei ihnen ist rund die Hälfte aller Angestellten in der Schweiz versichert. Neueste Zahlen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) zeigen:
- Von 2005 bis 2012 kassierten die Lebensversicherer rund 23,1 Milliarden Franken an Risikoprämien ein. Für Todesfall- und Invaliditätsleistungen gaben sie im gleichen Zeitraum 11,9 Milliarden Franken aus. Das ergibt einen Bruttogewinn von 11,2 Milliarden Franken oder gut 94 Prozent.
- 2012 machte die Versicherungsgesellschaft Zurich das beste Geschäft: Ihren Einnahmen aus Risikoprämien von 290,1 Millionen Franken standen Ausgaben von nur 110,8 Millionen Franken gegenüber. Das ergibt ein Plus von knapp 162 Prozent.
- Kumuliert über den Zeitraum von 2007 bis 2012 steht die Axa Winterthur an der Spitze: Ihre Risikoprämien-Einnahmen in der 2. Säule übertrafen im Total dieser sechs Jahre die Ausgaben für Todesfall- und Invaliditätsleistungen um rund 140 Prozent oder 2,65 Milliarden Franken.
Bei solchen Zahlen sehen Arbeitnehmervertreter rot. Martin Flügel, Präsident von Travail Suisse, kritisierte, solche Prämien seien «nicht zu rechtfertigen». Ein grosser Teil der überhöhten Gewinne der Lebensversicherer resultiere aus diesen viel zu hohen Risikoprämien.
Eine Branche, verschiedene Prämien
Die Risikoprämien sind nicht nur bei Lebensversicherern überhöht. Branchenfachleute erachten die Situation bei autonomen Pensionskassen und Sammelstiftungen als vergleichbar. Veröffentlichte Zahlen dazu gibts allerdings nicht. Die überrissenen Prämien kamen auch im Parlament zur Sprache. Ende November hiess der Ständerat einen Vorstoss von Christine Egerszegi (FDP, AG) gut, der «faire Risikoprämien in der beruflichen Vorsorge» fordert.
Wie stark die Risikoprämien sinken müssten, lässt Egerszegi offen. Fakt ist, dass die Prämien schon heute je nach Branche und Pensionskasse recht unterschiedlich sind. Finanzmathematiker Florian Bodenmann arbeitet für den Pensionskassen-Ver- gleichsdienst Besser-Vorsorgen. Er stellte bei Bauarbeitern eine grosse Prämien-Bandbreite fest: Die höchsten Risikoprämien liegen rund 3,2 Lohnprozente über den günstigsten. Für Bodenmann ist deshalb klar: «Die Prämien könnten bei vielen Versicherern und Pensionskassen gesenkt werden.»
Bis zu 25 Prozent höhere Rente möglich
3,2 Lohnprozente sind nicht wenig. Fallen sie weg, profitieren Angestellte von höheren Nettolöhnen. Und Arbeitgeber von tieferen Lohnkosten. Wenn das Geld nicht abgezogen, sondern ins Altersguthaben fliessen würde, hätte das spürbare Folgen für die Rente: Sie wäre 25 Prozent höher. So die Rechnung von Bodenmann, ausgehend von einem Jahreslohn von 59 670 Franken und 40-jähriger Erwerbstätigkeit. Das Alterskapital würde sich in diesem Fall um 76 378 Franken erhöhen.
Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) wehrt sich gegen den Vorwurf, die hohen Risikoprämien dienten einzig der Gewinnerwirtschaftung der Lebensversicherer. Die Prämien würden auf der Beobachtung des Risikoverlaufs basieren, wobei das Erstellen der Statistiken sowie Eingabe und Genehmigung der Tarife einige Zeit brauchten. Deshalb hinke die Anpassung der Risikoprämien der Entwicklung des Schadenverlaufs stets hinterher.
Die Axa Winterthur macht darüber hinaus u. a. geltend, mit den Risikoprämien würden nicht nur Leistungen im Invaliditäts- oder Todesfall finanziert, sondern auch Rückstellungen. Ferner fliesse ein Teil in einen Überschussfonds, dessen Gelder innert fünf Jahren wieder an die Versicherten auszuschütten sei. Ihren eigentlichen Gewinn im Risikoprozess beziffert die Axa 2012 auf 8,5 Prozent der Risikoprämien.
Ähnlich argumentiert die Zurich. Mediensprecher Frank Keidel räumt aber ein: «Wir sind uns bewusst, dass unsere Risikoprämien vorsichtig kalkuliert sind.» Und er kündigt an: «Zurich plant eine Tarifreduktion, die spürbar niedrigere Risikoprämien vorsieht.»