Christian Fravi lebt mehrheitlich bei seiner Frau und seinen zwei Töchtern im thailändischen Kham Yai. Seit Frühling 2020 war er nicht mehr in der Schweiz. Er befürchtete, wegen der Corona-Massnahmen nicht mehr nach Thailand zurückehren zu können. Deshalb benutzte er seine Prepaid-Karte Lebara – eine Marke des Telecomunternehmens Sunrise – mehr als ein halbes Jahr nicht mehr. Diese kaufte er für Telefonate aus der Schweiz nach Thailand.
Ende 2020 stand auf dem Display seines Smartphones: «SIM-Karten Registrierung fehlgeschlagen.» Auf der Internetseite von Lebara erfuhr er, dass seine Prepaid-Karte gekündigt und sein Guthaben von rund 150 Franken verfallen sei.
Fravi reklamierte mehrmals vergeblich und wandte sich schliesslich an die Schlichtungsstelle Ombudscom. Diese vermittelt bei Streitigkeiten zwischen Kunden und Telecomfirmen.
Sunrise berief sich vor der Ombudscom auf folgende Klausel im Kleingedruckten: «Bleibt ein Prepaid- Mobilfunkanschluss während sechs Monaten ungenutzt, ist Lebara berechtigt, diesen ohne Ankündigung zu sperren. Sofern der Kunde nach einem weiteren Monat nicht eine Wiederaufschaltung des Anschlusses verlangt, ist Lebara berechtigt, den Vertrag zu kündigen.» Rückerstattungen von Kontoguthaben seien ausgeschlossen.
Ombudsmann Oliver Sidler schlug vor, dass Sunrise das gesamte Guthaben erstattet. Fravi habe die Rufnummer unverschuldet nicht mehr verwendet. Zudem war unklar, ob das Kleingedruckte überhaupt Vertragsbestandteil geworden war – also ob Fravi es hätte lesen und zustimmen müssen. Denn beide Parteien konnten keinen Vertrag vorlegen. Sunrise akzeptierte den Schlichtungsvorschlag «freiwillig und ohne Schuldeingeständnis».
Ähnliche Klauseln bei andern Telecomfirmen
Die meisten anderen Telecomfirmen verfügen über ähnliche Klauseln im Kleingedruckten wie Sunrise:
Salt: In den AGB steht, dass Prepaid-Karten nach 435 Tagen Inaktivität abgeschaltet werden. Guthaben könnten weder erstattet noch zu anderen Anbietern transferiert werden.
Swisscom: Hier wird die SIM-Karte nach zwölfmonatiger Nichtbenutzung ungültig und «das Kartenguthaben verfällt».
Der Ombudsmann hält solche Klauseln laut seinen Ausführungen im Schlichtungsvorschlag von Fravi für rechtens. Konsumenten seien nicht erheblich benachteiligt – deshalb sei die Klausel nicht unlauter.
«Ungewöhnlich und unzulässig»
Vito Roberto, Professor an der Universität St. Gallen, widerspricht dieser Ansicht: Konsumenten müssen nicht damit rechnen, dass sie für das vorausbezahlte Guthaben keine Gegenleistung erhalten. Die Klausel sei daher ungewöhnlich und unzulässig. «Das Restguthaben gehört dem Kunden», hält Roberto fest. Konsumenten würden stark benachteiligt, wenn die Telecomfirmen Guthaben ohne Gegenleistung behalten. Solche Bestimmungen seien deshalb auch unlauter.
Keine Auszahlung auch bei Swisscom
Die Telecomunternehmen halten ihre Klausel für rechtens, wie sie auf Anfrage des K-Tipp sagten. Salt bemüht sich gemäss Sprecherin Viola Lebel, für betroffene Kunden eine «zufriedenstellende Lösung zu finden». Eine Auszahlung des Guthabens käme jedoch nicht in Frage. Bei Swisscom ist es laut Sprecherin Annina Merk möglich, das Guthaben an ein Handy-Abo anzurechnen.
Bei Sunrise steht: «Allfällige Restguthaben werden dem Kunden auf Verlangen gegen eine angemessene Bearbeitungsgebühr ausbezahlt.» Die Frage des K-Tipp, warum eine solche Erstattung bei Lebara nicht möglich ist, hat Sunrise- Sprecher Rolf Ziebold nicht beantwortet.