Programmierte Fehler
Die Intrum Justitia mahnt Schuldner neuerdings auch mit Computer-Telefonanrufen ab Band. Doch die Inkassofirma hat die Technologie nicht im Griff.
Inhalt
K-Tipp 8/2005
20.04.2005
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Unsereiner könnte nicht so schlampig arbeiten», empört sich Silvia Fitzner aus Lausen BL. «Was sich diese Firma leistet, ist eine Unverschämtheit.»
Fitzner ärgert sich über die Intrum Justitia. Von dieser bekannten Inkassofirma erhielt Fitzner im November 2004 einen Anruf. Am Telefon war aber nicht ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit dem sie hätte reden können. Fitzner bekam vielmehr eine Bandansage ab Computer zu h...
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Unsereiner könnte nicht so schlampig arbeiten», empört sich Silvia Fitzner aus Lausen BL. «Was sich diese Firma leistet, ist eine Unverschämtheit.»
Fitzner ärgert sich über die Intrum Justitia. Von dieser bekannten Inkassofirma erhielt Fitzner im November 2004 einen Anruf. Am Telefon war aber nicht ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit dem sie hätte reden können. Fitzner bekam vielmehr eine Bandansage ab Computer zu hören: Sie habe Schulden, und die solle sie nun endlich zahlen.
Fitzner hat aber keine Schulden - und das wollte sie auch gleich klären. Weil sie einen ISDN-Fixnetanschluss hat, konnte sie auf dem Display die Intrum-Nummer 0844 85 33 32 ablesen und zurückrufen. Der Herr am Telefon gab sich ungehalten und meinte nach längerer Diskussion, der Anruf sei wohl ein Versehen gewesen.
Doch dieses Eingeständnis nützte Silvia Fitzner nichts. Seither hat sie trotz Intervention und der Bitte um Abklärung mindestens weitere sechs Anrufe ab Computer erhalten.
Der Hintergrund: Seit rund einem Jahr mahnt die Inkassofirma Intrum Justitia säumige Zahler, die auf schriftliche Mahnungen nicht reagieren, auch per Telefonautomat. Ein Computer wählt die eingegebenen Nummern und lässt ein Band ablaufen, wenn am anderen Ende abgehoben wird.
Das Problem ist allerdings, dass die Intrum die neue Technologie nicht im Griff hat. Auf den Fall Fitzner angesprochen sagt Intrum-Sprecherin Bettina Bickel: «Zurzeit prüfen wir eine technische Lösung, die es uns erlaubt, gewisse Telefonnummern für computergestützte Anrufe zu sperren. Dies um zu gewährleisten, dass bereits blockierte Nummern nicht erneut ins System gelangen.» Die Umsetzung erfolge «in den nächsten Wochen».
Intrum überprüft die Telefonnummern nicht
Anders ausgedrückt: Silvia Fitzners Nummer sei zwar nach dem ersten falschen Anruf gesperrt worden, dann aber trotzdem wieder in die Computer-Wählmaschine geraten.
Die Ursache für den Fehler liegt auch darin, dass die Intrum in der Regel Adresse und Telefonnummer des Schuldners nicht näher überprüft, wenn sie von einem Gläubiger einen Inkassoauftrag erhält und dann aktiv wird. «Uns wurde ein Mandat übergeben, bei dem die Telefonnummer von Silvia Fitzner vermerkt ist. Es ist möglich, dass unser Schuldner vormals Besitzer dieser Telefonnummer war oder dass er immer wieder die falsche Telefonnummer angibt», rechtfertigt Intrum-Sprecherin Bettina Bickel die Fehlanrufe. Das ist auch der Grund, warum Fitzner vorher nie schriftliche Mahnungen erhalten hatte.
Mahnungen auch per SMS
Peinlich für die Intrum ist auch der Fall von Hans Wacker aus Reinach AG. Als er sich Anfang März beim K-Tipp meldete, hatte er schon zweimal den Computeranruf von der Intrum erhalten. Obwohl sich der K-Tipp sogleich bei der Intrum nach dem Vorgang erkundigte und sofort klar war, dass Wacker keinerlei Schulden hat - und auch nie Intrum-Mahnungen in der Post -, erhielt er einen Monat später dennoch wieder eine telefonische Zahlungsaufforderung vom Intrum-Automaten.
Ausrede der Intrum: «Wir haben auf dieser Telefonnummer keine computerunterstützten Anrufe ausgeführt. Wir haben auch keine Mandate, die auf Herrn Wacker lauten. Die einzige Erklärung ist, dass jemand sein Telefon auf das von Herrn Wacker umgeleitet hat.» Davon hat Wacker allerdings nichts bemerkt. Und die Swisscom sagt, Wackers Anschluss sei technisch in Ordnung.
Übrigens: Die Intrum schickt auch Zahlungsaufforderungen per SMS - wenn Schuldner auf drei schriftliche Mahnungen nicht reagiert haben. Falls Sie als unbescholtener Bürger fälschlicherweise solche SMS erhalten - jetzt wissen Sie wenigstens warum.
Mit «Effizienz» ab Tonband gegen säumige Schuldner
Die Inkassofirma Intrum Justitia nennt ihre computergestützte Telefonanlage eine «innovative» Methode, mit der sie «Pionierarbeit» leiste. Gemäss ihren Angaben macht der Computer jeden Tag 3500 bis 4000 Anrufe: an Wochentagen von 8 bis 19 Uhr und am Samstag zwischen 13 und 16 Uhr. In 500 bis 1000 Fällen nehme jemand ab. Parallel würden auch rund 20 000 SMS pro Jahr verschickt.
Das Intrum-Motto dazu lautet: «Mit Effizienz gegen verschlechterte Zahlungsmoral.» Der K-Tipp hat den Verband Schweizerischer Inkassotreuhandinstitute gefragt, ob unpersönliche Anrufe ab Computer den verbandseigenen Standesregeln entsprechen. Die Antwort steht noch aus.