Das hätten sich die Organisatoren des Luzerner Stadtfestes mit 60 000 erwarteten Besuchern anders vorgestellt: Sie wollten am Grossereignis Ende Juni kein Bargeld akzeptieren, sondern nur noch Bankkarten oder Twint. Das löste Empörung aus. Junge Leute protestierten, weil sie beim Bezahlen von Essen und Trinken keine persönlichen Daten an Banken mitliefern wollen. Und ältere Leute fühlen sich zunehmend ausgeschlossen.
Angelica Ferroni, Präsidentin des Forums Luzern60plus: «Viele ältere Leute sind nicht digital unterwegs. Sie müssen mit Münz und Noten zahlen können.» Das Luzerner Fest-OK lenkte schliesslich wegen des Protests der Bevölkerung ein: Die Festbesucher werden jetzt doch mit Bargeld zahlen können.
Bargeld liess sich nie aus KKL verbannen
Eine ähnliche Erfahrung machte das Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL): Es stellte seinen Betrieb im August 2020 vollständig auf bargeldlos um, mit der fadenscheinigen Begründung: «Es ist bekannt, dass Bargeld nicht sehr hygienisch ist.» Zudem seien bargeldlose Transaktionen in der Handhabung einfacher und schneller.
Heute muss das KKL zugeben: Das Projekt kam nie zum Laufen. Bargeld liess sich nicht verbannen. Über die Gründe schweigt sich das KKL aus.
Welle der Entrüstung im FCL-Stadion
Auch die Luzerner Fussballfans wehrten sich gegen die Abschaffung von Bargeld: Nach der Eröffnung ihres neuen Stadions 2010 konnten sie Wurst und Bier nur noch mit vorausbezahlten Guthabenkarten der Migros zahlen, die für das Catering verantwortlich war. Der Aufschrei war gross – und der Bargeldlosversuch wurde nach kurzer Zeit abgebrochen. Seither können Fussballfans an ausgewählten Kassen wieder mit Bargeld bezahlen.
Eine Umfrage der Schweizerischen Nationalbank bei 2000 Unternehmen im Sommer 2021 ergab: In der Coronazeit schränkte jedes zehnte Unternehmen in der Schweiz die Möglichkeit für Barzahlung ein. Kunden erledigen aber gemäss Swiss Payment Monitor heute immer noch jedes dritte Geschäft im Laden bar. Seit Anfang Jahr ist die Tendenz sogar wieder leicht steigend: von 33,7 auf 34,9 Prozent.
Die jüngste repräsentative Erhebung der Handelshochschule St. Gallen und der Fachhochschule ZHAW zeigt: 63 Prozent der Bevölkerung lehnten die Abschaffung von Bargeld ab. Unternehmen und Organisationen unterschätzen die Reaktionen der Öffentlichkeit, sagt Zahlungsmittelexperte Marcel Stadelmann von der Fachhochschule ZHAW. Die Folge: Neben einem Imageschaden könne es auch zu Umsatzeinbussen kommen: «Wer Bargeld abschafft, läuft Gefahr, dass manche Kunden nicht mehr kommen.» Studien würden zeigen, dass viele Konsumenten ein bevorzugtes Zahlungsmittel haben. Wenn sie damit nicht zahlen können, wandern sie zur Konkurrenz ab und kaufen dort ein.
Das musste auch Ikea erleben: Der schwedische Möbelverkäufer betrieb 2017/18 ein halbes Jahr lang einen bargeldlosen Laden in Zürich. Inzwischen ist das Experiment gestoppt. Ikea schreibt auf Anfrage des K-Tipp: «Einige Kunden wünschen nach wie vor Barzahlung. Dem wollen wir nachkommen.» Auch Nespresso stoppte das Experiment in Winterthur und Basel: «Heute haben unsere Kunden in allen unseren Boutiquen die Möglichkeit, bar zu bezahlen.»