Rauchfrei - so ein Witz!
Viele Beizen locken Kunden mit separaten rauchfreien Räumen. Doch Messungen zeigen: Rauchfrei ist es darin oft nicht.
Inhalt
K-Tipp 19/2005
16.11.2005
Gery Schwager - gery.schwager@ktipp.ch
Mit dem Internet-Gastroführer «Rauchfrei essen» gelang der Lungenliga Zürich eine Pioniertat. Das 2001 lancierte Verzeichnis will den Nichtrauchern - immerhin über 70 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz - die Möglichkeit geben, sich für den nächsten Beizenbesuch ein Lokal mit sauberer Luft auszusuchen.
«Rauchfrei essen» unterscheidet für jeden Kanton komplett rauchfreie Betriebe von Lokalen, die «rauchfreie Essenszeiten» oder einen «abgetrennten rauchfreien Raum...
Mit dem Internet-Gastroführer «Rauchfrei essen» gelang der Lungenliga Zürich eine Pioniertat. Das 2001 lancierte Verzeichnis will den Nichtrauchern - immerhin über 70 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz - die Möglichkeit geben, sich für den nächsten Beizenbesuch ein Lokal mit sauberer Luft auszusuchen.
«Rauchfrei essen» unterscheidet für jeden Kanton komplett rauchfreie Betriebe von Lokalen, die «rauchfreie Essenszeiten» oder einen «abgetrennten rauchfreien Raum» anbieten. In der letzten Kategorie finden sich am meisten Restaurants. Aber: Der Eintrag ins Verzeichnis beruht auf Selbstdeklaration; ob die Angaben korrekt sind, wird nicht kontrolliert.
Der K-Tipp wollte genauer wissen, was die Beizer sich unter einem abgetrennten rauchfreien Raum vorstellen. In einer Stichprobe stattete er den 20 im Online-Gastroführer entsprechend eingetragenen Stadtzürcher Lokalen einen Besuch ab. Von einem Experten der Bau- und Umweltchemie Beratungen und Messungen AG wurde in drei Restaurants zudem die Feinstaubbelastung im so genannt rauchfreien Raum ermittelt; Zigarettenrauch weist einen sehr hohen Gehalt an Feinstaubpartikeln auf.
Resultat:
- In neun Lokalen grenzen Nichtraucher- und Raucherraum nicht direkt aneinander. Teils trennt ein Korridor die beiden Räume, teils befinden sie sich auf verschiedenen Etagen.
- Das Café Letten und das Internet-Café an der Uraniastrasse verfügen beide über gar keinen Nichtraucherraum. Während Letzteres dem K-Tipp eine Antwort schuldig blieb, hat sich das Café Letten sofort aus «Rauchfrei essen» austragen lassen. Wirt Pius Schmid weiss nicht, wie sein Café in dieses Verzeichnis gelangt ist.
- Neun Lokale weisen zwar einen Nichtraucherraum auf, doch ist dieser zum direkt anstossenden Raucherraum mindestens doppeltürbreit offen.
Lokale mit offenen Nichtraucherzonen
Für Robert Zuber, Geschäftsführer der Lungenliga Zürich, ist klar: «Einen Nichtraucherraum mit offenem Durchgang zum Raucherbereich kann man nicht als rauchfrei bezeichnen.» Gestützt wird Zubers Einschätzung durch die vom K-Tipp veranlassten Feinstaubmessungen in drei Lokalen mit offenem «Nichtraucher».
So lag, wenn niemand rauchte, die Feinstaubbelastung mit Teilchen über 0,75 Mikrometer im Restaurant À l'Opéra und im Restaurant Letzi Leu bei 600 Partikeln pro Liter. Sie war damit gar um gut 100 Partikel tiefer als in der Aussenluft. Im «À l'Opéra» stieg sie im Nichtraucherbereich auf 4500 Partikel pro Liter an, nachdem im «Raucher» nahe beim Durchgang eine Zigarette angezündet worden war. Im offenbar gut belüfteten «Letzi Leu» erhöhte sie sich auf 700 Partikel.
Im Restaurant Geeren wiederum war die Feinstaubkonzentration im Nichtraucherraum stets deutlich höher als in der Aussenluft. Sie schwankte zwischen 2000 und 3600 Partikeln pro Liter, wobei neben «aktuellem» Qualm aus dem Raucherraum auch aufgewirbelter älterer Staub eine Rolle gespielt haben dürfte.
«Geeren»-Wirt Peter Fullin zeigt sich von diesem Befund überrascht. Die Lüftung sei so konzipiert, dass kein Rauch in den Nichtraucherraum gelangen sollte. Fullin will sein Lokal nun aus «Rauchfrei essen» streichen und den Nichtraucherteil mit einer Glasscheibe besser abschirmen; ihn völlig abzutrennen, sei nicht möglich, «da der Durchgang zum WC gewährleistet sein muss».
Nichts unternehmen will man im «À l'Opéra». Für Direktor Rudolf Zehnder wäre eine bauliche Trennung von Raucher- und Nichtraucherraum «weder finanziell noch ästhetisch vertretbar». Und bislang habe sich noch kein Gast wegen der fehlenden hermetischen Trennung beschwert.
«Mehr oder weniger Salmonellen?»
Das liegt wohl daran, dass die Luft in einem offenen Nichtraucherraum noch immer besser ist als in einem verqualmten «Raucher». Doch laut Jürg Hurter, Präsident der Stiftung für rauchfreie Luft Pro Aere, genügt das nicht: «Auf die Frage, ob man sein Tiramisu lieber mit wenig oder mit mehr Salmonellen haben möchte, kann es ja auch nur eine Anwort geben: mit gar keinen.»
Dasselbe gelte beim Tabakrauch, der gemäss Weltgesundheitsorganisation ein krebserregender Stoff der gefährlichsten Klasse ist. Schon kleinste Mengen sind massiv gesundheitsschädlich», so Hurter, «daher werden auch keine Grenzwerte festgelegt.» Das Resultat der K-Tipp-Stichprobe bestärkt den Pro-Aere-Präsidenten in seiner Forderung nach einem gesetzlichen Rauchverbot.
Auf Appelle des Branchenverbandes Gastrosuisse, der die Wirte zu freiwilligen Massnahmen einlädt, gibt Hurter schon lange nichts mehr. Aber auch bei der Lungenliga Zürich ist man ziemlich ernüchtert. Robert Zuber: «Wir haben die Gastroverbände schon vor Jahren aufgefordert, bei "Rauchfrei essen" aktiv mitzumachen. Niemand interessierte sich dafür.» Jetzt trete man für eine gesetzliche Regelung ein.
Ein Herz für Raucher
Der Wirteverband Gastrosuisse fürchtet ein gesetzliches Rauchverbot in Restaurants wie der Teufel das Weihwasser.
Die jüngste Kampagne aus der Küche von Gastrosuisse nennt sich «Rauchfrei geniessen» *. Sie möchte Gastwirte dazu bringen, ihre Betriebe freiwillig mit einem der vier neu geschaffenen Labels «rauchfrei», «rauchfreier Raum», «rauchfreie Zeiten» oder «Raucher» zu zieren.
Dies soll laut Zentralpräsident Klaus Künzli «mehr Transparenz und Klarheit für die Gäste sowie einen markanten Ausbau des Angebots an rauchfreien Plätzen» bringen. Erklärtes Ziel ist zudem die Verhinderung von Gesetzen, die das Rauchen in Gaststätten generell verbieten. «Auch die Minorität der Raucher gehört zu unseren gern gesehenen Gästen», so Künzli.
Die Lungenliga Zürich als Initiantin des Internet-Gastroführers «Rauchfrei essen» 2 hält nichts von der Kampagne. Geschäftsführer Robert Zuber: «Jetzt, wo gesetzliche Regelungen drohen, hat Gastrosuisse unseren Führer komplett kopiert und ein Verzeichnis geschaffen, das absurderweise auch noch die Restaurants für Raucher aufführt.» Man hege die etwas bösartige Vermutung, der Wirteverband wolle statt «rauchfrei geniessen» weiterhin den «Rauch frei geniessen».
Zuber erinnert zudem daran, dass «rauchfrei» für Wirte nicht zu Ertragseinbussen führen müsse. «Erfahrungszahlen aus unzähligen Studien belegen das deutlich», sagt auch die Stiftung Pro Aere. Schon vor zwei Jahren hat in einer Umfrage, die der K-Tipp in acht rauchfreien Beizen durchführte, kein Wirt Umsatzverluste beklagt (siehe K-Tipp 15/03).
* www.rauchfreigeniessen.ch (Gastrosuisse), 2 www.rauch freiessen.ch (Lungenliga ZH)
Sind Sie für ein Rauchverbot in Restaurants? Stimmen Sie ab unter www.ktipp.ch.