Felix Diethelm (Name geändert) aus dem Kanton Aargau arbeitete seit 1989 bei einer Firma im Kanton Zürich, die medizinische Geräte an Spitäler verkauft. Der 62-jährige Medizinaltechniker mit Zusatzausbildung in Betriebswirtschaft war im Verkauf tätig. Vor zwei Jahren wechselte sein direkter Vorgesetzter.
Der neue Chef war mit seinen Leistungen nicht mehr zufrieden. Im Dezember 2019 erhielt Diethelm eine schriftliche Mahnung, weil er seine Umsatzziele nicht erreiche. «Ich war völlig überrascht», sagt Diethelm. Denn die bis Ende Jahr vorgegebenen Ziele seien erreicht worden. Im Januar protestierte er schriftlich. Im Februar erhielt er unbeabsichtigt ein E-Mail seines Vorgesetzen. Darin stand, dass ein «Replacement» (Ersatz) eines langjährigen Mitarbeiters anstehe und dass sein Nachfolger bereits Anfang März beginnen werde. Für Diethelm war klar: Er würde bald entlassen.
Ende April erhielt er die Kündigung mit sofortiger Freistellung – nachdem er über 30 Jahre für das Unternehmen gearbeitet hatte. Diethelm weigerte sich, die ihm vorgelegte Aufhebungsvereinbarung zu unterschreiben, und schaltete seine Rechtsschutzversicherung ein. Der Anwalt verlangte eine schriftliche Begründung der Kündigung und erhob Einsprache.
Das zeigte Wirkung: Die Firma bot dem Entlassenen eine Stelle in einem anderen Bereich an, die jedoch ungeeignet war. Am Ende einigte er sich mit der Firma auf eine Auflösung des Arbeitsvertrages per Ende Oktober 2020 und erhielt drei Monatslöhne als Abgangsentschädigung. «Die Kündigung nach so vielen Jahren hatte mich sehr verletzt. Jetzt schaue ich aber vorwärts», sagt Diethelm.
Bis zu 6 Monatslöhne als Entschädigung
Arbeitgeber dürfen zwar auch älteren und langjährigen Angestellten kündigen. Das Gesetz sieht für sie keinen besonderen Kündigungsschutz vor. Das Bundesgericht erhöhte aber in den vergangenen Jahren die Anforderungen für Kündigungen von älteren und langjährigen Angestellten: Bei ihnen gelte eine «erhöhte Fürsorgepflicht». Das heisst: Der Arbeitgeber hat den Angestellten rechtzeitig über die beabsichtigte Kündigung zu informieren und anzuhören. Zudem muss er nach Lösungen suchen, die eine Weiterführung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Sonst sei die Kündigung missbräuchlich. Das hat zur Folge, dass die Kündigung zwar weiterhin gilt, die betroffene Person aber Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen hat.
Als missbräuchlich taxierte das Bundesgericht folgende drei Kündigungen:
Ein 63-jähriger Heizungsmonteur aus dem Kanton Bern wurde ohne Vorgespräch nach 44 Jahren unbeanstandeter Tätigkeit in der Firma kurz vor der Pensionierung entlassen. Für das Bundesgericht war dieses Vorgehen missbräuchlich. Gegenüber einem solchen Angestellten bestehe eine «erhöhte Fürsorgepflicht». Der Arbeitgeber musste dem Monteur sechs Monatslöhne als Entschädigung bezahlen (Urteil 132 III 115).
Vier Monatslöhne musste ein Arbeitgeber aus dem Kanton Neuenburg einem 64-Jährigen bezahlen. Er wurde nach 12 Jahren in der Firma und ein Jahr vor der Pensionierung entlassen (Urteil 4A_558/2012).
2014 beurteilte das Bundesgericht die Kündigung eines 59-jährigen Key-Account-Managers aus dem Kanton Uri als missbräuchlich. Der Mann hatte 35 Jahre lang gut für seinen Arbeitgeber gearbeitet. Die Firma musste ihm eine Entschädigung von zwei Monatslöhnen bezahlen (Urteil 4A_384/2014).
Vorgehensweise bei einer missbräuchlichen Kündigung
Verlangen Sie vom Arbeitgeber eine schriftliche Begründung für die Kündigung.
Sind Sie mit der Begründung nicht einverstanden, müssen Sie vor Ablauf der Kündigungsfrist schriftlich gegen die Kündigung Einsprache erheben. Aus Beweisgründen sollten Sie den Brief eingeschrieben schicken. Ein E-Mail genügt nicht. Einen Musterbrief und zusätzliche Infos zum Thema finden Sie im «Saldo»-Ratgeber Arbeitsrecht: Was Angestellte wissen müssen. Bestellen können Sie das Buch mit dem Talon auf Seite 28, über Tel. 044 253 90 70, ratgeber@ktipp.ch oder www.ktipp.ch.
Ist die Kündigung missbräuchlich, und einigen Sie sich mit dem Arbeitgeber nicht über eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, können Sie eine Entschädigung einfordern, indem Sie eine Klage einreichen. Diese muss bis spätestens 180 Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Gericht eingereicht werden. Zuständig ist die Schlichtungsbehörde am Arbeitsplatz oder am Sitz des Arbeitgebers.
Die Entschädigung beträgt maximal sechs Monatslöhne. Sie wird vom Gericht festgesetzt.
Arbeitsrecht: In diesen Fällen hilft eine Rechtsschutzversicherung
Folgende Konflikte am Arbeitsplatz zählen zu den häufigsten Ursachen für Rechtsstreitigkeiten:
- Der Lohn wird nur teilweise oder erst verspätet ausbezahlt
- Der Vorgesetzte bestreitet Überstunden
- Der Betrieb verunmöglicht den Ferienbezug
- Die Kündigung ist missbräuchlich
- Das Konkurrenzverbot geht viel zu weit
- Der Arbeitgeber stellt kein oder ein schlechtes Arbeitszeugnis aus
Eine Rechtsschutzversicherung des K-Tipp versichert die Kosten von Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber. K-Tipp Rechtsschutz ist unabhängig, nicht gewinnorientiert und vertritt einzig die Interessen der Versicherten.
Unterlagen erhalten Sie unter ktipprechtsschutz.ch oder Tel. 044 527 22 22.