Es wird mal wieder gejammert in den Chefetagen der Stromkonzerne. Der neue Axpo-Chef Andrew Walo forderte kürzlich in der «Sonntagszeitung», es brauche jetzt Massnahmen, um Wasserkraftwerke finanziell zu entlasten. Knapp zwei Jahre vorher hatte Alpiq-Manager Pierre Guesry in einem Firmenvideo Zuschüsse für Pumpspeicherkraftwerke verlangt.
Zehn Jahre lang Milliardenüberschüsse
Auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) singt in diesem Chor mit: Der Strom aus heimischer, erneuerbarer Wasserkraft müsse «wieder rentabel» werden, hiess es Mitte April in einer Mitteilung. «Deshalb unterstützt der VSE Massnahmen und neue Denkanstösse, welche die Wirtschaftlichkeit wiederherstellen, wie zum Beispiel zinslose oder vergünstigte Darlehen.»
Die Branche jammert auf hohem Niveau:
- In den letzten zehn Jahren erzielte die Schweizer Elektrizitätswirtschaft im europäischen Stromhandel einen Einnahmenüberschuss von über 11 Milliarden Franken – nicht zuletzt dank ihrer Pumpspeicherkraftwerke: Diese pumpten nachts mit billigem Importstrom aus Kohle- und Atomkraftwerken Wasser ins Speicherbecken hoch. Tagsüber liessen sie es bei starker Nachfrage am Morgen und am Mittag zu Tal schiessen und produzierten so Strom, den sie zu Höchstpreisen ins Ausland verkaufen konnten. Der Überschuss aus dem Stromhandel ist erst 2012 unter eine Milliarde Franken gesunken. Zuvor lag er sechs Jahre lang darüber, und zwar teilweise deutlich.
- Aus der aktuellsten Elektrizitätsstatistik des Bundes geht hervor: Die Schweizer Stromversorger machten in den fünf Jahren von 2007 bis 2011 einen Reingewinn von insgesamt rund 12,5 Milliarden Franken – das sind 2,5 Milliarden pro Jahr. Neuere Zahlen für die ganze Branche liegen noch nicht vor.
- Der Grosshandelspreis für Elektrizität ist in den letzten fünf Jahren wegen stark steigender Mengen an Wind- und Sonnen- sowie billig produziertem Kohlenstrom aus Deutschland zwar markant gesunken. Er liegt mit rund 5 Rappen pro Kilowattstunde (kWh) knapp unter dem Niveau der durchschnittlichen Gestehungskosten für die Stromerzeugung in schweizerischen Wasserkraftwerken.
Doch ein Rentabilitätsproblem entsteht daraus höchstens bei Wasserkraftstrom, der in den Handel kommt. Wie viel das ist, war beim VSE nicht zu erfahren. Auch die Stromkonzerne selber geben keine Zahlen preis (K-Tipp 16/2013). Fakt ist aber, dass ihnen der Strom aus Wasserkraft, der an Haushalte und Kleinkunden in der Schweiz verkauft wird, keine Verluste beschert.
Wasserkraftwerke: Nicht unrentabel
Der frühere Geschäftsleiter und Beirat der Schweizerischen Energie-Stiftung Kurt Marti schreibt vor diesem Hintergrund in der Zeitung «Infosperber.ch»: «Die Stromkonzerne können die Gestehungskosten auf die Zwangskunden im Inland überwälzen. Die niedrigen Grosshandelspreise spielen dabei keine Rolle.» Sie schmälerten nur die Gewinne der Stromverkäufer im internationalen Grosshandel.
Damit wird klar: Wasserkraftwerke sind keineswegs plötzlich alle unrentabel geworden. Die Wirtschaftlichkeitsfrage stellt sich vor allem bei auf Stromhandel ausgerichteten Pumpspeicherwerken, bei denen
die Gestehungskosten laut Bundesamt für Energie rund 7 Rappen pro kWh betragen. Und sie stellt sich für künftige Grosswasserkraftwerke wie die im Bau stehenden, rund 4 Milliarden Franken teuren Pumpspeicheranlagen Limmern GL und Nant de Drance VS.
«Kein Verständnis für neue Subventionen»
Im Klartext: Die Strombranche ruft nach Subventionen für die Wasserkraft, weil ihre Handelsgewinne eingebrochen sind. Und weil sie fürchtet, dass sich ihre Investitionen in neue grosse Wasserkraftwerke sonst als Fehlinvestitionen erweisen könnten. Darum sollen Schweizer Haushalte und Kleinkunden jetzt auch noch als Steuerzahler zur Kasse gebeten werden. Gleichzeitig können grosse Betriebe mit den Stromversorgern weiterhin hohe Rabatte aushandeln.
Preisüberwacher Stefan Meierhans: «Für neue Subventionen habe ich gar kein Verständnis. Wollen wir die Stromkonzerne wirklich dafür belohnen, dass sie Entwicklungen verpasst haben?», sagte er kürzlich in der «Zentralschweiz am Sonntag». Mässig begeistert zeigte sich schon im Herbst 2013 auch Bundesrätin Doris Leuthard, als sie bei der Beratung eines Postulats im Ständerat bemerkte: «Ist es jetzt Sache des Staates, sofort zu subventionieren, nachdem die Branche jahrzehntelang auch Profite hatte und diese Anlagen gut rentierten?»