Die Tasche «Crosslight Duffel» kostet im Internetshop von Victorinox 195 Franken. Vertrauliche Zolldokumente zeigen: Der Messer- und Reisegepäckhersteller mit Sitz in Ibach SZ kauft die Tasche in Vietnam für Fr. 25.91. Kunden in der Schweiz zahlen also das Siebeneinhalbfache des Herstellungspreises – und mehr als für Taschen anderer Marken.
Eine K-Tipp-Stichprobe bei elf Victorinox-Taschen und -Koffern ergibt: Kunden zahlen dafür durchschnittlich sechs Mal so viel, wie die Artikel im Einkauf kosteten. Bei Taschen, Rucksäcken und Koffern des deutschen Outdoorausrüsters Vaude beträgt der Aufschlag das Vierfache, der deutsche Hersteller Deuter verlangt das Fünffache. Das zeigt ein Vergleich der Einkaufs- preise von 42 in Vietnam produzierten Artikeln mit den Verkaufspreisen in der Schweiz. Beispiele:
- Der Rucksack «Victorinox Crosslight City Daypack» kostet 195 Franken in der Schweiz. Victorinox kauft ihn in Vietnam für Fr. 23.68.
- Victorinox zahlt für den Rollkoffer «Crosslight Medium Softside Case» in Vietnam Fr. 59.50. In der Schweiz verkauft die Firma das Produkt für 425 Franken. Käufer zahlen also einen Aufschlag von rund 365 Franken.
Es geht auch mit einer niedrigeren Marge: Der US-Hersteller Travelpro kauft den Rollkoffer «Crew Classic Medium» für Fr. 57.76 pro Stück und verlangt dafür in der Schweiz 198 Franken. Der Aufschlag beträgt also 140 Franken. Beide Koffer stammen aus einer Fabrik des Unternehmens Santerlon Travel Goods in Vietnam.
Schweizerkreuz verschleiert Herkunft
Victorinox verlangt beim Reisegepäck nicht nur höhere Margen als andere Firmen. Das Unternehmen lässt Kunden auch über die Herkunft der Ware im Unklaren. So prangt auf Taschen und Koffern der Marke Victorinox gut sichtbar ein graues Schweizerkreuz auf hellem Hintergrund – obwohl sie aus dem Fernen Osten stammen.
Laut Gesetz ist es verboten, die Schweizer Landesfarben Weiss und Rot bei im Ausland hergestellten Produkten zu verwenden. Victorinox sagt dazu, das Logo diene als «Erkennungszeichen für Victorinox». Es sehe dem Schweizerkreuz nur ähnlich.
Auf den Anhängeetiketten der Koffer und Taschen stellt Victorinox das Schweizer Design und sich als Hersteller der «Original Schweizer Armeemesser» in den Vordergrund. Die Angabe «made in Vietnam» findet sich lediglich versteckt in sehr kleiner Schrift in der Etikettenbroschüre.
Auch im Internetshop schreibt Victorinox im Abschnitt zum Reisegepäck bloss, dass es «in der Schweiz entwickelt und designt» werde. Erst nach einer Anfrage des K-Tipp wurde in der Rubrik «Häufige Fragen» der Hinweis ergänzt, dass «Hersteller in Asien (China, Thailand, Vietnam, Indonesien)» die Reiseartikel produzieren.
Andere Hersteller machen es besser
Im Vergleich zu Victorinox ist Deuter punkto Herkunft seiner Artikel transparenter: In einem im Internet verfügbaren Bericht legt das Unternehmen offen, dass zwei Fabriken der Firma Vina Duke in Vietnam sämtliche Deuter-Rucksäcke herstellen. Die Kunden erfahren auch, welche Löhne etwa Schneiderinnen oder Verpacker erhalten und wie häufig diese Überstunden leisten.
Überrissene Preise für Importprodukte passen nicht ins öffentliche Bild von Victorinox. So titelte die «Sonntags-Zeitung» vor zwei Jahren: «Victorinox – die Firma, die alles anders macht als die anderen». Das «beliebteste Unternehmen der Schweiz» produziere seine Sackmesser im Inland, und das ohne Skandale, Abzockerlöhne oder Entlassungen aus betrieblichen Gründen. Auch Einsteigern würden beim Unternehmen in Ibach hohe Löhne winken.
Auf Anfrage des K-Tipp bestreitet Victorinox, dass man in der Schweiz überhöhte Preise verlange. Victorinox biete die Produkte weltweit «in einem ähnlichen Preisband» an. Bei Reisegepäck habe man hohe «Fixkosten», da «Designentwicklung, Engineering, Produkt- und Qualitätsmanagement» sowie die Kundenbetreuung in der Schweiz stattfänden.
Victorinox sagt zudem, man überwache die Arbeitsbedingungen bei asiatischen Herstellern regelmässig. Bei Santerlon sei dies zuletzt im Juni 2024 geschehen. Die vietnamesischen Hersteller bezahlten Arbeitern «mehr als 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns». Konkrete Zahlen nennt Victorinox dem K-Tipp nicht. Laut amtlichen Angaben liegt der Mindestlohn bei Santerlon bei rund 150 Franken pro Monat.
Tabelle mit Einkaufs- und Verkaufspreisen der 42 Reiseartikel: Ktipp.ch/reisegepaeck
Reisegepäck: In Internetshops der Hersteller am teuersten
Reisegepäck ist bei anderen Händlern oft günstiger als in den Internetshops der Hersteller. So kostet der «Altmont Original Standard Rucksack» etwa auf Brack.ch Fr. 95.–. Bei Victorinox.ch sind es Fr. 100.–. Und den Wanderrucksack «Aircontact Core 60+10» bekommt man bei Galaxus.ch Fr. 106.90 günstiger als bei Deuter.com. Dort ist er für Fr. 299.90 zu haben.