Rentenklau à la Zürich
Rente oder Kapitalbezug? Wer sich bei der Zürich-Versicherung zuerst für eine Bar-auszahlung entscheidet, dann aber doch die Rente wählt, kassiert einen Strafabzug.
Inhalt
K-Tipp 3/2004
11.02.2004
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Am 29. Oktober 2003 feierte Siegmar Pomrehn aus Ottoberg TG seinen 65. Geburtstag - und trat somit ins Pensionierungsalter ein.
Sein Pensionskassengeld hatte der Handelsvertreter bei der Sammelstiftung der Zürich-Versicherung. Gemäss Vorsorgeausweis hätte seine Altersrente pro Jahr 13858 Franken ausgemacht.
Doch im November 2003 schrieb ihm die Zürich, er erhalte nur 11231 Franken. Das sind 19 Prozent weniger.
Die Kürzung ist eine Strafe, weil Po...
Am 29. Oktober 2003 feierte Siegmar Pomrehn aus Ottoberg TG seinen 65. Geburtstag - und trat somit ins Pensionierungsalter ein.
Sein Pensionskassengeld hatte der Handelsvertreter bei der Sammelstiftung der Zürich-Versicherung. Gemäss Vorsorgeausweis hätte seine Altersrente pro Jahr 13858 Franken ausgemacht.
Doch im November 2003 schrieb ihm die Zürich, er erhalte nur 11231 Franken. Das sind 19 Prozent weniger.
Die Kürzung ist eine Strafe, weil Pomrehn seine Meinung geändert hat. Drei Jahre vor der Pensionierung hatte er sich für den Kapitalbezug entschieden und der Zürich mitgeteilt, er wolle sich sein Pensionskassengeld bei der Pensionierung bar auszahlen lassen, statt eine monatliche Rente zu beziehen (siehe Kasten).
Doch ein paar Monate vor seinem 65. Geburtstag besann sich Pomrehn um und verlangte dennoch die Rente.
Das sei grundsätzlich möglich, war die Antwort der Zürich - aber die Rente werde deshalb tiefer ausfallen. «Wir bedauern, Ihnen keinen anderweitigen Bescheid geben zu können.»
«Ich bin empört», ärgert sich der Betroffene.
Die Zürich ist mit ihrem harten Vorgehen ziemlich allein auf weiter Flur. Der K-Tipp hat 16 Sammelstiftungen und Pensionskassen nach ihrer Praxis angefragt. Resultat: Nebst der Zürich springt unter den Grossen im Pensionskassengeschäft nur noch die Helvetia-Patria so gnadenlos mit ihren Versicherten um, wenn sie ihre Meinung ändern und von der Kapitaloption doch noch auf die lebenslänglich garantierte Rente umschwenken.
Bei anderen Kassen ist Widerruf möglich
- Bei der Sammelstiftung der Winterthur können angehende Rentnerinnen und Rentner den Wunsch nach Barbezug «jederzeit» widerrufen, also bis wenige Tage vor der eigentlichen Pensionierung - ohne negative Konsequenzen. Das Gleiche gilt bei den Pensionskassen von Migros und Swisscom, bei der Pensionskasse des Bundes (Publica) sowie bei den Sammelstiftungen Asga, Gemini und Nest.
- Andere Pensionskassen legen fest, dass sich angehende Rentner nur wenige Monate vor der Pensionierung zwischen Barbezug und Rente entscheiden müssen - dann allerdings definitiv (ohne Widerrufsmöglichkeit): etwa Novartis (1 Monat), IGP-Sammelstiftung (2 Monate) oder ABB (6 Monate).
- Weniger kulant ist die Sammelstiftung des Gesundheitswesens Veska Pensionskasse H+: Hier gilt für die Kapitaloption die auch im Gesetz verankerte Frist von 3 Jahren, und eine nachträgliche Änderung der Option ist nicht möglich. Das war bis Ende 2003 auch bei der Rentenanstalt der Fall; seit Anfang 2004 ist diese Frist hier auf 1 Jahr verkürzt.
- Auch bei den BVG-Sammelstiftungen der Allianz gilt seit Anfang 2003 eine verkürzte Vorankündigungsdauer von 1 Jahr (ohne Möglichkeit der Umbesinnung). Die Kunden hätten das Bedürfnis, «Finanzplanungsentscheide auch kurzfristig zu fällen».
- Die Einjahresfrist gilt auch bei der Sammelstiftung der Basler. «In der Regel» sei es möglich, den Wunsch nach Barauszahlung des Kapitals bis 6 Monate vor der Pensionierung ohne Strafabzug rückgängig zu machen.
Kürzung erfolgt mit amtlichem Segen
Entscheidend ist immer das jeweilige Reglement. Bei der Zürich heisst es dazu: Macht eine Person ihren ursprünglichen Wunsch nach Barauszahlung rückgängig, so erfolgt die spätere Umwandlung des Kapitals in die Rente «nach dem in diesem Zeitpunkt gültigen Tarif für Einzelversicherungen der Zürich Lebensversicherungs-Gesellschaft».
Dass damit eine markant tiefere Rente verbunden ist, ahnen Laien meist nicht. Gemeint ist nämlich die so genannte Leibrente. Nach dem Wortlaut dieses Reglementspassus hätten für Pomrehn sogar nur rund 9300 Franken Jahresrente herausgeschaut.
Dass der düpierte Zürich-Kunde trotzdem mehr erhält (11231 statt rund 9300 Franken), habe «technische» Gründe und geschehe «zugunsten der versicherten Person».
Die Zürich handelt mit dem Segen der Aufsichtsbehörde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schrieb dem K-Tipp, es habe die Reglementsbestimmung «geprüft und nicht beanstandet».
Auch Siegmar Pomrehn hat seinen Entscheid noch einmal geprüft. Angesichts der angedrohten massiven Rentenkürzung hat er sich entschieden, sich das Pensionskassengeld doch bar auszahlen zu lassen.
In vielen Fällen ist die Rente die bessere Lösung
Wer die Rente wählt, hat sein Einkommen auf sicher - lebenslänglich. Wer das Geld bar nimmt, muss gut damit umgehen können.
Das Pensionskassengesetz BVG über die berufliche Vorsorge sieht im Prinzip nur die monatliche Altersrente vor; es räumt aber den Pensionskassen die Möglichkeit ein, den angehenden Rentnern das Pensionskassengeld bar auszuzahlen, falls sie das wünschen.
Viele Pensionskassen erfüllen diesen Wunsch. Je nach Reglement kann das ganze angesparte Altersgeld bar bezogen werden oder zumindest ein Teil.
Für die Anmeldung der Kapitaloption sieht das Gesetz eine Frist von drei Jahren vor; die Vorsorgeeinrichtungen können aber im Reglement eine kürzere Frist (oder gar keine) bestimmen.
2005 tritt eine Gesetzes-änderung in Kraft: Neu haben Versicherte dann einen rechtlichen Anspruch darauf, mindestens einen Viertel ihres Altersguthabens bar ausbezahlt zu erhalten. Eine Frist für die Anmeldung der Kapitaloption legt das neue Gesetz nicht mehr fest, sie bleibt den Kassen überlassen.
Die Altersrente bietet hohe Sicherheit: Sie kommt garantiert lebenslänglich. Und: Wer sich für die Rente entscheidet, muss sich nicht darum kümmern, wie die Barauszahlungssumme geschickt angelegt werden soll. Es gibt Pensionskassen, die ihren Versicherten diese Wahl ausdrücklich empfehlen und sie vor dem Barbezug warnen.
Der Barbezug kann dann interessant sein, wenn der Rentner Erfahrung mit Geldanlagen hat.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Thema:
- Im Internet finden Sie auf www.kgeld.ch das Merkblatt «Pensionierung: Rente oder Kapital?»
- Alles Wichtige zum Thema Pensionskasse steht im neuen Saldo-Ratgeber «Gut vorsorgen: Pensionskasse, AHV und 3. Säule». Sie können das Buch mit der Karte auf Seite 9 oder über www.saldo.ch bestellen.