Sein Einfluss in Bern erfüllt den Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) mit Stolz. Im Jahresbericht 2008 steht, es sei nicht zuletzt «der beharrlichen Lobbyingarbeit des SVV» zu verdanken, dass das Parlament der Senkung des Umwandlungssatzes für die Pensionskassenrenten auf 6,4 Prozent zugestimmt habe.
Und weiter erfährt der Leser: «Das wichtigste Argument, wonach junge, aktive Beitragszahler jährlich in Milliardenhöhe Rentner subventionierten und damit ihre eigene Rentenbasis schmälerten, überzeugte die Legislative offensichtlich.» Man müsse deshalb die Stimmbürger mit dem gleichen Argument bekehren.
Die Rentenkürzungsvorlage kommt am 7. März vors Volk (Details siehe Abstimmungsbeilage oder saldo 1/10). Und tatsächlich setzen die Befürworter in ihrer Kampagne schwergewichtig auf das «Rentenloch»-Argument: Die Versicherungen müssten bereits jetzt Gelder aus den Beiträgen der Erwerbstätigen aufwenden, um die Renten auszahlen zu können.
Dabei wird mit falschen Zahlen argumentiert: Zuerst wurde das angebliche «jährliche Rentenloch» plötzlich sehr viel kleiner. Von «Milliardenhöhe» ist nicht mehr die Rede. Jetzt sollen es nur noch 600 Millionen Franken sein. Der K-Tipp hätte vom SVV gerne gewusst, wie sich die unterschiedlichen Angaben erklären, erhielt aber keine Auskunft.
Schwarzmalerei ohne Beweise
Das «Rentenloch» ist auch nicht 600 Millionen Franken gross. In die Welt gesetzt wurde die 600-Millionen-Zahl vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV). Das Amt hat sie geschätzt ausgehend von der Annahme, dass ein Umwandlungssatz von 6,4 Prozent heute «sachgerecht» wäre. Erstaunlich: Bei der ersten, 2003 beschlossenen Revision des Pensionskassengesetzes galt noch eine Senkung des Umwandlungssatzes auf 6,8 Prozent bis 2014 als sachgerecht. Und der damalige Direktor des Bundesamts, Otto Piller, hält gegenüber dem K-Tipp auch heute noch nachdrücklich fest, man habe bei der Vorbereitung der ersten Revision sehr seriös gerechnet.
Für ihn ist denn auch klar: Die jetzt verbreiteten 600 Millionen sind nicht erhärtet. «Hier wird, ohne Beweise zu liefern, einfach schwarz gemalt.» Die Grösse eines Rentenlochs vorherzusagen – sollte es denn überhaupt auftreten –, sei schlicht nicht möglich. Denn niemand kenne die künftige Höhe der Zinsen auf dem angesparten Alterskapital. Abgesehen davon, so Piller weiter, liesse sich selbst ein 600-Millionen-Loch problemlos stopfen, wenn die massiv überrissenen Verwaltungskosten der Pensionskassen auf ein vernünftiges Mass reduziert würden.
Fazit: Weder die heutige Lebenserwartung noch die aktuelle Ertragslage bei den Pensionskassen schaffen ein «Rentenloch». Ob es im Jahr 2016 oder später eines geben wird, ist heute noch offen. Die Befürworter einer Rentenkürzung gehen von einer bis dann stark steigenden Lebenserwartung bei gleichzeitig dauerhaft sinkenden Kapitalerträgen aus. Die Gegner sehen heute keinen Grund für eine Senkung der Renten. Sie argumentieren, dass man den Umwandlungssatz auch noch im Jahr 2015 senken könnte, falls sich die Prognosen der Pessimisten erfüllen sollten.
Ein «Ja» kann Renten ab 2011 schmälern
Wer am 7. März «Ja» stimmt, muss wissen: Damit gibt er dem Bundesrat die Befugnis, die Renten schon ab dem Jahr 2011 – und nicht erst 2016 – zu senken. Denn mit Inkrafttreten der Vorlage kann die Regierung den Umwandlungssatz per sofort senken, bis 2016 der Wert von 6,4 Prozent erreicht wird. Das steht so ausdrücklich im Gesetzestext.
Wer «Nein» sagt, verhindert dies. Dann bliebe es bei der bereits früher beschlossenen Senkung der Renten bis auf einen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent im Jahr 2014. Das heisst: Ein «Ja» kann die Kürzung der Renten für die ab dem Jahr 2011 Pensionierten bewirken. Leidtragende sind nicht die heutigen Rentner, sondern alle jüngeren Jahrgänge. Mit einem «Ja» kürzen sich die heutigen Erwerbstätigen die spätere Pensionskassenrente. Deshalb sollten gerade Jüngere «Nein» sagen.
Rente: Keine politische Frage
Die Beilage des K-Tipp (Ausgabe 1/2010) zur Abstimmung über die Rentenkürzung hat in politischen Kreisen Aufsehen erregt. Die Befürworter der Rentensenkung kritisierten, dass der K-Tipp die Abstimmungsvorlage analysiert hat und ein «Nein» empfiehlt. Sie forderten vom Schweizer Fernsehen, die Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen von K-Tipp und «Kassensturz» zu beenden. Deshalb zur Klarstellung: Die Redaktionen von «Kassensturz» und K-Tipp arbeiten selbständig. Der K-Tipp ist von Behörden unabhängig und nimmt zu Konsumententhemen klar Stellung.
Bei der Volksabstimmung vom 7. März über die Rentenkürzung geht es nicht um eine Frage der Politik oder der Weltanschauung. Zu beantworten ist eine rein rechnerische Frage: Reicht der bereits auf 6,8 % reduzierte Umwandlungssatz für die lebenslängliche Auszahlung der Renten? Der K-Tipp hat nachgerechnet. Resultat: Aufgrund der heutigen Lebenserwartung sowie der heutigen und der langfristigen Erträge reicht er aus.