Reptilienleder: Herkunft unbekannt
Schweizer Läden verkaufen immer mehr Schuhe, <br />
Handtaschen und Uhrenarmbänder aus Reptilienhaut. Der Bund kritisiert die Haltung und Schlachtung der Tiere, lässt aber Importe weiter zu.
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saldo 20/2012
05.12.2012
Sabine Rindlisbacher
Liebhaber von Reptilienhäuten haben in den Boutiquen an der Zürcher Bahnhofstrasse die Qual der Wahl: Bei Bally findet man Pythonleder-schuhe (695 Franken), Jimmy Choo hat eine Tasche aus Anakondaleder (3315 Franken) im Angebot, Dior eine Tasche aus Krokodilleder (22 000 Franken) und bei Beyer Uhren & Juwelen gibt es eine Breguet-Uhr mit einem Bändchen aus Alligatorenleder (23 100 Franken). Laut dem Modehaus Gassmann am Zürcher Paradeplatz ist Schlangenleder «meg...
Liebhaber von Reptilienhäuten haben in den Boutiquen an der Zürcher Bahnhofstrasse die Qual der Wahl: Bei Bally findet man Pythonleder-schuhe (695 Franken), Jimmy Choo hat eine Tasche aus Anakondaleder (3315 Franken) im Angebot, Dior eine Tasche aus Krokodilleder (22 000 Franken) und bei Beyer Uhren & Juwelen gibt es eine Breguet-Uhr mit einem Bändchen aus Alligatorenleder (23 100 Franken). Laut dem Modehaus Gassmann am Zürcher Paradeplatz ist Schlangenleder «mega beliebt».
Die Begeisterung schwand bei der Frage von saldo nach der Herkunft der Häute: Neun von zehn besuchten Läden mussten passen. Bei Gassmann suchte der Verkäufer in der Pythontasche von Burberry vergeblich nach Hinweisen. Auch die Angestellte bei Jimmy Choo zuckte mit einer Wasserschlangentasche in der Hand die Schultern. Coop-Tochter Christ wusste nicht einmal, ob das Armband der Tissot-Uhr aus Krokodilhaut besteht. Montblanc gab an, seine Reptilienleder stammten angeblich aus Italien und Spanien. Einzig Cartier wusste mehr: Das Alligatorenleder komme aus Zuchtfarmen in den USA.
Importzahlen: Mehr als doppelt so hoch wie vor zehn Jahren
Der Handel mit Reptilienleder floriert. Laut dem Bundesamt für Veterinärwesen gelangten im letzten Jahr insgesamt 2,15 Millionen Schuhe, Taschen und Uhrenbänder aus diesem Material über die Schweizer Grenze. Das ist so viel wie noch nie. Vor zehn Jahren waren es 900 000 Artikel, nicht eingerechnet Gürtel oder ganze Häute.
Was viele Kunden nicht wissen: Die Reptilienhäute stammen von artgeschützten Tieren. Für den Import und Export braucht es sogenannte Cites-Papiere. Diese sollen den nachhaltigen Handel gewährleisten. Das Problem: Jedes Land bestimmt selbst, wie viele heimische Tiere für den Handel sterben dürfen. Und es gibt keine international bindenden Verpflichtungen für das Tierwohl.
Dies bestätigt das Bundesamt für Veterinärwesen, in der Schweiz zuständig für die Importbewilligungen von artgeschützten Tieren. Mathias Lörtscher, Leiter Artenschutz, gibt zu: «Aus Tierschutzsicht bestehen Probleme bei der Haltung, der Jagd und der Tötung von artgeschützten Reptilien.»
Beim Wildfang betrifft das vor allem Schlangen- und Waranenleder. Schlangenleder stammt meist aus Indonesien, Vietnam und Malaysia, Waran aus Indonesien, Tschad und dem Sudan. Lörtscher: «Die heimischen Jäger und Händler sind mitunter alles andere als zimperlich.»
«Leder aus Zucht ist nicht unbedingt besser»
Laut Lörtscher gibt es auch unseriöse Zuchtbetriebe. Alligatorenleder stamme fast immer aus den USA, wo man die Tiere jagt oder für die Ledergewinnung züchtet. Das Leder von Nil-Krokodilen komme aus Südafrika und Simbabwe, oft von Farmen. Hier bestehe noch «Nachholbedarf». Lörtscher: «Leder aus Zucht ist nicht unbedingt besser.»
Die Hersteller der Lederprodukte weisen die Kritik von sich. Uwe Liebminger, Sprecher der Uhren-Nobelmarke IWC Schaffhausen: «Wir vertrauen bei Alligatorenleder auf kontrollierte Zuchten in den USA.» Immerhin: Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie, hat alle Mitglieder eingeladen, «gegebenenfalls auf Armbänder aus Schlangen- und Waranenleder aus Asien zu verzichten».
Dem Schweizer Tierschutz geht das zu wenig weit – er fordert ein Handelsverbot für Leder von artgeschützten Reptilien aus Wildfang sowie aus nicht tiergerechter Farmhaltung. Geschäftsführer Hans-Ulricht Huber: «Es ist höchste Zeit, dem verantwortungslosen Geschäft endlich einen Riegel vorzuschieben.»