Die Krankenkassen sitzen auf enormen Reserven: Laut Zahlen des Bundesamts für Gesundheit legten die Krankenversicherer bis 2021 über 12 Milliarden Franken aus der Grundversicherung auf die hohe Kante. Das ist doppelt so viel wie vom Gesetz vorgeschrieben. Bundesrat und Kantone fordern seit Jahren, dass die Kassen ihre übermässigen Reserven an die Kunden zurückzahlen sollen.
Das Problem: Die Kassen dürfen so viel Prämiengeld bunkern, wie sie wollen. Der Nationalrat will jetzt die Krankenkassen zwingen, den Versicherten einen Teil der Überschüsse zurückzuzahlen. Das beschloss er im Juni dieses Jahres. Die Kassen dürften zwar weiterhin mehr Geld zur Seite legen, als sie müssten. Aber mehr als 50 Prozent der Mindestreserve dürfte die Gesamtsumme nicht übersteigen. Der K-Tipp hat nachgerechnet: Würde die neue Regel heute bereits gelten, müssten die Kassen dieses Jahr rund drei Milliarden Franken zurückzahlen.
CSS: Reservequote von über 200 Prozent
Die Kassen lehnen dieses Vorhaben ab. Begründung des Krankenkassenverbandes Curafutura gegenüber dem K-Tipp: Man habe bereits freiwillig Reserven in der Höhe von 380 Millionen Franken zurückbezahlt. Die CSS etwa kündigte für dieses Jahr einen Reserveabbau von 90 Millionen Franken an – das sind 60 Franken Prämienrabatt pro Kunden.
Die CSS hatte im Jahr 2021 Reserven von knapp 1,3 Milliarden Franken angehäuft. Gemäss Bundesamt für Gesundheit bedeutet das eine Reservequote von 244 Prozent. Über die gesetzlich vorgeschriebenen 520 Millionen Franken hinaus steckte die Versicherung also zusätzlich 750 Millionen Franken aus der Grundversicherung in die Reserven. Würde die neue Obergrenze bereits gelten, müsste die CSS ihren Kunden dieses Jahr um die 490 Millionen Franken auszahlen – also pro Versicherten rund 327 statt nur 60 Franken
Die Helsana kündigte für 2022 eine Rückzahlung von 76 Millionen Franken an – das sind ebenfalls 60 Franken pro Kunden. Nach der neuen Regel müsste sie rund 430 Millionen auszahlen – 340 Franken pro Kunden. Bei der Concordia wären es rund 446 statt 73 Millionen Franken.
Kassenlobbyisten im Ständerat
Damit die Obergrenze bei den Kassenreserven zustande kommt, muss der Ständerat zustimmen. Allerdings: 7 der 46 Ständeratsmitglieder haben ein bezahltes Mandat von einer Krankenkasse. Sechs von ihnen sitzen in der einflussreichen Gesundheitskommission. Diese empfiehlt, die Obergrenze abzulehnen.
Der Berner Hans Stöckli (SP) ist der einzige Ständerat im Sold einer Krankenkasse, der in der Vergangenheit für einen zwingenden Abbau der Reserven stimmte. Für den Schwyzer Ständerat Alex Kuprecht (SVP) hingegen sind Reserven «ausserordentlich wichtig», Die Forderung aus dem Nationalrat sei eine «radikale Abbaustrategie». Und der Urner Ständerat Josef Dittli (FDP) sagt: «Reserven könnten etwa rasch notwendig werden, wenn die Gesundheitskosten innert kurzer Zeit stark ansteigen oder die Finanzmärkte rote Zahlen schreiben.»
Laut Prognosen des Bundesamts für Gesundheit werden die Reserven der Kassen dieses Jahr deutlich sinken. Aber: Das Finanzpolster werde noch immer 40 bis 70 Prozent über der Mindestreserve liegen.