Der Verband der Kantonschemiker untersuchte unlängst vorgekochte Speisen in Schweizer Beizen. Also Gerichte, die vorgegart, gelagert und dann wieder aufgewärmt werden. Dazu nahm der Verband 818 Proben aus Gastronomiebetrieben in 13 Kantonen.
Jede fünfte Probe überschritt den gesetzlichen Richtwert für die Gesamtkeimzahl, jede vierte den Richtwert für Enterobakterien. Das sind Keime, die unter anderem im Darm von Mensch und Tier vorkommen. Einige Arten können Durchfall und teils noch ernsthaftere Erkrankungen auslösen.
Werden die in der Hygieneverordnung festgelegten Richtwerte für die Gesamtkeimzahl oder für Enterobakterien in einer Speise überschritten, gilt diese als verunreinigt oder gar verdorben. Das stellt Koch und Küche kein gutes Zeugnis aus. Denn es deutet auf unsaubere Kochutensilien, verunreinigte Zutaten, ungenügend gekühlte oder zu lange aufbewahrte Waren sowie mangelhafte Hygiene beim Personal hin.
In Gastrobetrieben sind solche Probleme verbreiteter, als es den Gästen lieb sein dürfte. Und zwar schon lange. Das zeigt eine Erhebung des K-Tipp, gestützt auf die Jahresberichte 2011 bis 2016 der Kantonslabors von Aargau, Basel-Stadt, Bern, Luzern, St. Gallen, Solothurn und Wallis. Im Fokus stand dabei die Keimbelastung von vorgekochten Speisen, besonders von Teigwaren-, Reis- und Gemüsegerichten. Resultat:
In den sechs Jahren ab 2011 nahmen die Kantonschemiker von den erwähnten Gerichten insgesamt 26 687 Proben. In 7046 Fällen war die mikrobiologische Qualität ungenügend. Es wurde also fast jede vierte Probe beanstandet.
Die Zahl der Beanstandungen schwankte über die Jahre in allen Kantonen. Doch meist fiel mehr als ein Fünftel der Proben durch.
Im Wallis war der Anteil der beanstandeten Proben in den sechs untersuchten Jahren viermal am höchsten. 2013 war dort mehr als die Hälfte der Proben zu stark verkeimt.
Die meisten Kantonslabors erklären, sie würden «risikobasiert» vorgehen, also mangelhafte Betriebe häufiger kontrollieren und gezielt Proben von potenziell problematischen Lebensmitteln nehmen. Somit seien die statistischen Ergebnisse «nicht als repräsentativ für die allgemeine Lage zu betrachten», schreibt etwa die Walliser Dienststelle für Verbraucherschutz.
Das macht die Lage bei den vorgekochten Speisen aber nicht appetitlicher. Besonders schlecht schneiden immer wieder Teigwarengerichte ab.
Nudeln mit blossen Händen geschöpft
Das Bündner Amt für Lebensmittelsicherheit schrieb im Jahresbericht 2011, woran das liegt: «Leider werden vorgekochte Teigwaren oft mit blossen Händen ‹geschöpft›. Der letzte Gang zum WC spiegelt sich dann in den Resultaten wider: 45 Prozent aller geprüften Teigwaren mussten 2011 beanstandet werden!» 2016 waren es noch gut 39 Prozent.
Der Verband der Kantons- chemiker zeigt sich über die neuen Richtwertüberschreitungen nicht sehr erstaunt: «Die mikrobiologische Qualität der untersuchten Proben entspricht dem langjährigen Erfahrungswert der schweizerischen Lebensmittelkontrolle.» Im Klartext: Es hat sich seit Jahren nichts verbessert.
Der Wirteverband Gastrosuisse schreibt auf Anfrage: «Hygiene und Lebensmittelsicherheit sind zentrale Bestandteile unserer Aus- und Weiterbildung.» Die neuesten Ergebnisse des Verbands der Kantonschemiker werde man «sorgfältig studieren».
Die Sünder dürfen nicht genannt werden – Kanton Zug fand anderen Weg
Es ist ein riesiges Ärgernis: Regelmässig stellen die Lebensmittelkontrolleure in Restaurants, Cafés, Kantinen und anderen Verpflegungsbetrieben gravierende Hygienemängel fest. Doch die Sünder werden nicht beim Namen genannt, die Kunden bleiben im Ungewissen.
Warum? «Die Mitarbeitenden der kantonalen Laboratorien unterstehen der Schweigepflicht», erklärt die Aargauer Kantonschemikerin Alda Breitenmoser und verweist auf das Lebensmittelgesetz des Bundes.
Das ist rechtlich nicht haltbar. Schon vor knapp fünf Jahren sagte der Sprecher des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten gegenüber dem K-Tipp: «Die Konsumenten haben das Recht auf Einsicht in die Berichte der Lebensmittelkontrolleure. Und zwar gestützt auf das im jeweiligen Kanton geltende Öffentlichkeitsgesetz.» Dieses gehe der Schweigepflicht vor (K-Tipp 5/2013).
Mit gutem Beispiel geht der Kanton Zug voran. 2009 führte er eine amtliche Qualitätsbescheinigung für Lebensmittelbetriebe ein. Diesen steht es frei, das «Hygienezeugnis» ihren Kunden im Restaurant zu präsentieren. Seither ist der Anteil der als «ungenügend» bewerteten Betriebe um über ein Drittel gesunken und jener der «sehr guten» Betriebe um 12 Prozent angestiegen.