Das Businesshemd aus Stretch-Jersey der Marke Boss kostet bei Globus zurzeit 119 Franken. Hugo Boss Deutschland kaufte es fixfertig bei der Textilfabrik Smart Shirts Garments in Vietnam – für Fr. 11.57 pro Stück. Konsumenten zahlen also rund das Zehnfache. Die gleiche Textilfabrik in Vietnam näht auch Poloshirts für Lacoste und Giorgio Armani.
Dem K-Tipp liegen Zolldokumente vom Herbst 2022 vor. Sie zeigen, dass Konzerne wie Hugo Boss, Tommy Hilfiger und WE ihre Textilien bei Firmen mit Monatslöhnen von 150 bis 300 Franken in Vietnam produzieren lassen und zu stolzen Preisen in der Schweiz verkaufen. Die Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis heisst Bruttomarge. Sie ist das grosse Geheimnis der Branche.
Hersteller und Läden kassieren ab
Der K-Tipp lüftete dieses Geheimnis vor kurzem für die Outdoormarken Patagonia und Mammut (K-Tipp 8/2023). Weitere Beispiele: Ein Männer-T-Shirt von Tommy Hilfiger kostet bei Manor Fr. 49.90. Tommy Hilfiger Europe in Amsterdam (NL) kaufte das T-Shirt für Fr. 7.20 pro Stück ab Fabrik bei Smart Shirts in Vietnam. Für die Slim-Fit-Hose der niederländlichen Marke WE Fashion zahlen Schweizer Konsumentinnen im Laden 90 Franken. WE Europe in Utrecht NL kaufte die Hose für Fr. 9.11 pro Stück beim Hersteller NHA BE Garment in Vietnam.
Bei Hemden, Hosen und T-Shirts aus Vietnam fallen Fracht- und Zollkosten kaum ins Gewicht. Laut Recherchen des K-Tipp machen sie pro Kleidungsstück maximal Fr. 1.50 aus. Bei einer Jacke sind es höchstens 2 Franken.
Wohin geht der restliche Differenzbetrag zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis? Kaufen Konsumenten das Kleidungsstück direkt in den Internetshops von Gant, WE oder Boss, behalten diese die ganze Differenz. Schweizer Kleiderläden zahlen für die Ware im Normalfall 40 bis 42 Prozent des Ladenpreises, bei teuren Markenartikeln oft nur einen Drittel. Das bestätigten mehrere Einkäufer gegenüber dem K-Tipp.
Beispiel: Bei Manor kostet ein Baumwollhemd von Boss 99 Franken. Manor bezahlte für das Hemd Fr. 40.59 an Hugo Boss und behält vom Ladenpreis Fr. 50.79. Auf die Mehrwertsteuer entfallen Fr. 7.62. Und bei Hugo Boss bleiben Fr. 27.19, nachdem der Konzern den Einkaufspreis von Fr. 11.90 sowie Fr. 1.50 für die Fracht und den Zoll bezahlt hat. Manor nahm gegenüber dem K-Tipp zu seinen Gewinnmargen nicht Stellung.
Die Modekonzerne verbuchen Jahr für Jahr üppige Gewinne: Bei Hugo Boss in Metzingen (D) belief er sich im vergangenen Jahr auf 220 Millionen Franken, beim PHV-Konzern in New York (Tommy Hilfiger, Calvin Klein und Ralph Lauren) betrug er 180 Millionen Franken.
Für David Hachfeld von der Schweizer Organisation Clean Clothes Campaign ist deshalb klar: «Die Modekonzerne könnten den Näherinnen deutlich höhere Löhne zahlen.» Boss, WE und PHV nahmen dazu und zu den hohen Gewinnmargen nicht Stellung.
