Erdbeeren haben zurzeit Hochsaison. Schöne, grosse Früchte locken in Kartonschalen und Plastikverpackungen. Doch wer zugreift, ist zu Hause oft vom fehlenden Erdbeergeschmack enttäuscht. Leser Kurt B. Weber aus Wettingen AG zum Beispiel schreibt: «Seit mehreren Jahren kann man bei den Grossverteilern etwas kaufen, das rot ist und die Form einer Erdbeere hat, jedoch völlig geschmacklos, fade ist und dementsprechend keine Freude bereitet. Einzige Qualität dieser harten Dinger dürfte die gute Haltbarkeit sein.»
Länger haltbar, weniger Geschmack
Diese Beobachtung bestätigen Experten. Aromaforscher und Erdbeerspezialist Detlef Ulrich vom Deutschen Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen sagt: «Zwischen der Festigkeit des Fruchtfleischs und dem Aroma gibt es einen Zusammenhang: Je fester das Fruchtfleisch einer Erdbeere ist, desto weniger Aroma weist sie auf.» Beim Bestreben, Erdbeeren haltbarer und weniger anfällig für Krankheiten zu machen, sei der Geschmack vernachlässigt worden. Bei den sogenannten Hochleistungssorten sei z. B. der Gehalt der Schlüsselsubstanz (Methylanthranilats) – «zuständig für die blumig-fruchtige, walderdbeerartige Note» – nicht mehr nachweisbar.
Welche Erdbeersorten die Läden verkaufen, erfährt der Konsument allerdings nicht. Sie sind im Gegensatz zu Äpfeln oder Trauben nicht angeschrieben. Rechtfertigung der Händler: Bei derart vielen Sorten wäre der Aufwand dafür zu gross.
Der K-Tipp hat bei Aldi, Coop, Denner, Lidl, Migros, Spar und Volg sowie beim Schweizerischen Obstverband gefragt, welche Sorten sie verkaufen. Lidl und Volg drückten sich um klare Anworten. Laut dem Obstverband sind Darselect, Cléry und Elsanta die meistangebauten Sorten in der Schweiz. Sie tauchen auch in den Aufzählungen der Läden auf, die dem K-Tipp konkrete Angaben machten.
Nur eine alte Sorte bei drei Grossverteilern
Bei Darselect, Cléry und Elsanta handelt es sich laut Aromaforscher Ulrich um «Sorten für den Erwerbsobstbau – Hochleistungssorten.» Elsanta gibts zwar seit über 30 Jahren. Doch sie weise «eine starke Erosion der Aromastoffe im Vergleich zu alten Sorten» auf. Zu den alten Sorten zählt z. B. die ursprünglich polnische Senga Sengana. Sehr schmackhaft ist auch die französische Mara de Bois. Denner, Coop und Migros geben an, Mara de Bois als Spezialsorte zu verkaufen und zu deklarieren.
Tipp: Kleinere, lokale Produzenten bauen auch Sorten an, die zwar weniger lange haltbar, dafür aber aromatischer sind. Diese Beeren gibt es zum Selberpflücken auf gekennzeichneten Feldern oder in Hof- und in Dorfläden, die aus der Region beliefert werden. «Je näher der Produzent, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass weichere und somit aromatischere Erdbeeren angeliefert werden», sagt Erdbeerproduzent Johann Gerber aus Langnau im Emmental.
Bund verteuert ausländische Erdbeeren
«Schweizer bleiben ihren teuren Erdbeeren treu»: So titelte die Pendlerzeitung «20 Minuten» Mitte Mai. Die Aussage mag stimmen, hat aber einen Haken: Die Konsumenten haben nur eine beschränkte Wahl. Denn während der Schweizer Saison vom 15. Mai bis 31. August verteuert der Bund ausländische Erdbeeren massiv: Er erhöht den Zoll von 3 Rappen pro Kilo auf bis zu Fr. 5.10. Eine Schale von 250 g kostet dann rund Fr. 1.30 mehr – so werden ausländische Erdbeeren für Importeure unattraktiv. Zudem wird die erlaubte Einfuhrmenge reduziert, wenn genügend Schweizer Erdbeeren vorhanden sind. Die Schweizer müssen also gezwungenermassen heimische Erdbeeren kaufen, auch wenn diese qualitativ mangelhaft sind.