Corinne Höhn betreibt auf einer idyllischen Anhöhe mit Blick über die Region Basel ein Ausflugsrestaurant und den Reithof Egglisgraben. Mitten in diesem Naherholungsgebiet in Muttenz BL baut die Schweizer Salinen AG seit 2011 unterirdisch Salz für die ganze Schweiz ab – darunter das Speisesalz «Jurasel» und «Reosal» für Geschirrspüler.
Das Unternehmen bohrt in Hunderte Meter tief liegende Salzschichten, leitet dort Wasser hinein und pumpt die dabei entstandene Salzlösung (Sole) nach oben. Auf diese Weise entstehen Höhlen, sogenannte Kavernen.
Risse an Hauswänden, Panik bei den Pferden
Corinne Höhns Traum vom Restaurant im Grünen wurde mit dem Beginn des Salzabbaus zum Alptraum. Denn mit den Bohrungen kamen Lärm und Erschütterungen. An den Hauswänden entstanden Risse, und die Pferde wurden in Panik versetzt. Höhn erzählt, während der Bohrarbeiten hätten die Pferde im Stall ausgeschlagen und sich zum Teil verletzt.
Ein Gutachten eines Geologen der ETH Zürich von diesem Jahr bestätigt: Eingestürzte Salzhöhlen führen in diesem Gebiet zu Bodenbewegungen von mehreren Zentimetern pro Jahr, diverse Bohrstellen sind undicht, und weitere Kavernen drohen einzustürzen. Solche Bodenbewegungen können Schäden an Gebäuden verursachen und das Grundwasser mit Salz verschmutzen.
Salzförderer lehnt Verantwortung ab
Dabei gibt sich die Schweizer Salinen AG ein grünes Image: So heisst es auf der Website des Salzmonopolisten, man handle «im Zeichen der Nachhaltigkeit» und investiere in das «ökologische Gleichgewicht» sowie in «Lebensqualität von Mensch und Natur».
Der Staatsbetrieb gehört den Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein. Vergangenes Jahr förderte er fast 325 000 Tonnen Salz und erzielte damit einen Gewinn von 11,6 Millionen Franken.
Wirtin Corinne Höhn fordert von der Schweizer Salinen AG Schadenersatz. Der Staatsbetrieb lehnt heute jegliche Haftung ab. Die Salinen AG hatten der Wirtin früher einmal ein finanzielles Angebot gemacht, das diese aber abgelehnt hat. Die Baselbieterin kämpft nicht nur gegen die Salinen, sondern auch gegen die Baselbieter Behörden, welche die Bohrbewilligung erteilt hatten.
ETH-Experte kritisiert Studien der Salinen
Corinne Höhn ist mit ihrem Widerstand nicht alleine: Seit 2018 protestieren Einwohner gegen ein weiteres geplantes Bohrfeld: Rütihard in Muttenz. Als Reaktion darauf nahmen die Gemeindebehörden die Gutachten der Salinen unter die Lupe. Fazit: Die Informationen seien ungenügend.
Im Dezember 2019 einigten sich Behörden und Salinen darauf, Professor Simon Löw von der ETH Zürich als unabhängigen Experten zu engagieren. Das Gutachten des ETH-Geologen listet nicht nur die aktuellen Mängel im Abbaugebiet auf, sondern zerpflückt auch die Studien der Salinen: Sie würden auf «stark vereinfachenden geologischen Modellannahmen» basieren, die nicht «die reale Gebirgsstruktur bis zur Oberfläche abbilden». Zudem hätten die Salinen die Sicherheit der Bohrstellen und Kavernen im Abbaugebiet beim Restaurant Egglisgraben weder flächendeckend noch regelmässig kontrolliert. Das genaue Ausmass der Kaverneneinbrüche bleibe unklar.
Auch die Berichte der Salinen zum geplanten neuen Bohrfeld seien mangelhaft: «Der Nachweis der Stabilität der geplanten Kavernen fehlt», sagt der ETH-Professor. Er warnt vor dem Risiko von Schäden «im Siedlungsgebiet von Muttenz» und vor der «dauerhaften Versalzung» eines zentralen Grundwasserstroms. Davon wäre auch das Basler Trinkwasser betroffen.
Laut Löw gibt es in der Schweiz weder behördliche Vorgaben noch eine staatliche Aufsicht zum Bau und Betrieb von Kavernen. Trotzdem erteilten die Baselbieter Behörden den Salinen 2011 eine Ausnahmebewilligung für den Salzabbau bei Corinne Höhns Restaurant. In der Annahme, dass der Salzabbau keine Auswirkungen auf das besonders schützenswerte Naherholungsgebiet habe.
Problematisch: Der Kanton Baselland ist zugleich Mitbesitzer der Salinen und Bewilligungsbehörde. Er kassiert von den Salinen Steuern, Dividenden, Gebühren und Konzessionsabgaben.
Der Baselbieter Regierungsrat Anton Lauber sitzt im Verwaltungsrat der Salinen und erhält dafür 6000 Franken pro Jahr plus 700 Franken pro Sitzung. Regierung und Salinen regen nun an, dass das Parlament der Verlängerung der Abbaukonzession bis ins Jahr 2075 zustimmt. Die Salinen würden dem Kanton damit für die Verlängerung der Konzession auf einen Schlag 20 Millionen Franken abliefern.
Gemeinde klärt Haftungsfrage ab
Der Widerstand der Anwohner zeigt nach zwei Jahren Wirkung: Im Juni 2020 sistierte der Verwaltungsrat der Saline die Erschliessung des neuen Bohrfeldes für die nächsten 20 Jahre. Die Salinen sind nun daran, das genaue Ausmass der Schäden zu erfassen und das bisher fehlende langfristige Sicherheitskonzept zu erstellen.
«Wir garantieren einen nachhaltigen und sicheren Salzabbau», verspricht CEO Urs Hofmeier gegenüber dem K-Tipp. Die Einwohner von Muttenz bleiben misstrauisch: An der Gemeindeversammlung vom 21. Oktober beauftragten sie den Gemeinderat mit der Abklärung, wer für künftige Schäden aus dem Salzabbau haften würde.