Sanierer sanieren sich selbst
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K-Tipp 7/2002
03.04.2002
Kommerzielle Schuldensanierer: Kaum echte Hilfe für Menschen mit Geldproblemen
«Sofort schuldenfrei» - unseriöse Schuldensanierer treiben ihre Kunden mit unrealistischen Versprechungen oft erst recht ins Elend.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Eine Schuldenlast von rund 50 000 Franken drückte Anita Meier (Name geändert). Das trieb sie in die Fänge der Winterthurer Profimag. Täglich verspricht die Schuldensanierungsfirma in einschlägigen Inseraten: ...
Kommerzielle Schuldensanierer: Kaum echte Hilfe für Menschen mit Geldproblemen
«Sofort schuldenfrei» - unseriöse Schuldensanierer treiben ihre Kunden mit unrealistischen Versprechungen oft erst recht ins Elend.
Patrick Gut pgut@ktipp.ch
Eine Schuldenlast von rund 50 000 Franken drückte Anita Meier (Name geändert). Das trieb sie in die Fänge der Winterthurer Profimag. Täglich verspricht die Schuldensanierungsfirma in einschlägigen Inseraten: «Wir übernehmen alle Ihre Schulden», und: «Nur noch 1 kleine Rate für alle Schulden», oder: «Sofort sorgenfrei.»
Das hörte sich für Meier verheissungsvoll an: «Zudem läuft es beinahe anonym ab.» Vor dem Gang aufs Sozialamt schämte sie sich.
Sie bekam von der Profimag umgehend Bescheid und musste eine Liste ihrer Schulden zusammenstellen. Danach legten die Sanierer in einem Vertrag eine monatliche Rate von 1200 Franken fest sowie 11 Prozent der Gesamtschulden als Honorar. In den folgenden Monaten zahlte die junge Frau insgesamt 10 600 Franken auf das Konto der Profimag ein.
Raten bezahlt - und trotzdem betrieben
Vor den Gläubigern hatte Meier während dieser Zeit trotzdem keine Ruhe. Zwei drohten mit einer Pfändung und das Steueramt schickte eine Betreibung über 3000 Franken. Ihr blieb nichts anderes übrig: Sie musste diese Forderungen sofort und unabhängig von der Profimag-Rate begleichen. Auf die Profimag ist Meier seither schlecht zu sprechen: «Es war vereinbart, dass die Firma vom Steueramt eine Stundung verlangt. Dort ist jedoch nie ein entsprechendes Gesuch eingegangen.»
Die Profimag hat gut drei Raten als Honorar in den eigenen Sack gesteckt und danach noch 6400 Franken an die Gläubiger weitergeleitet. Meier hat inzwischen den Vertrag mit der Profimag gekündigt - und das mit einer bitteren Bilanz: Meier startete mit 50 000 Franken Schulden. Bei Vertragsunterzeichnung mit der Profimag sind diese auf einen Schlag um 5000 Franken angestiegen. Meier hat rund 16 000 Franken bezahlt und steht noch immer mit etwa 40 000 Franken in der Kreide. Saniert hat sich somit einzig die Profimag.
«Ich fürchte, bei den kommerziellen Schuldensanierern haben wir eine Herde von schwarzen Schafen. Die positiven Beispiele sind die Ausnahme», sagt Mario Roncoroni vom Verein Schuldensanierung Bern. «Wenn man Menschen von ihren Schulden befreien will, darf man ihnen nicht als Erstes noch mehr Schulden aufhalsen.»
Eine Schuldensanierung ist auch bei einer öffentlichen Fachstelle nicht gratis. Aber: Die Kosten werden wenn immer möglich auf die Gläubiger abgewälzt. Für Abklärung und erste Schritte einer Sanierung kommt bei der bernischen Beratungsstelle der Kanton auf.
Statt Diagnosen eine Milchbüchleinrechnung
Ein leitender Steuerbeamter bringt es im Jahresbericht der Schuldenberatung St. Gallen auf den Punkt: «Geht es um Schuldensanierungen, liegt die tiefste Erfolgsquote bei den kommerziellen Schuldensanierern, welche in einschlägigen Annoncen Versprechen abgeben, die nicht einzuhalten sind.»
Laut Roncoroni machen unseriöse Schuldenberater «statt einer Diagnose nur eine Milchbüchleinrechnung». Die Schulden werden aufaddiert, dann vereinbart man Ratenzahlungen. «Häufig ist die Rate unrealistisch hoch», sagt Roncoroni. Das heisst: Die Schuldner können zwar die ersten Raten bezahlen, doch früher oder später fehlt ihnen das Geld.
Aus seiner Praxis sehe er, dass «die meisten Menschen mit Schulden nicht die gesamte Schuldenlast tragen können». Aufgrund eines seriösen Budgets lege man eine realistische Monatsrate fest. In den meisten Fällen müssten die Fachstellen Nachlassverhandlungen mit Gläubigern aufnehmen. Bei 30 begleiteten Sanierungen im Jahr 2001 habe bei der Berner Stelle nur ein Schuldner alle Ausstände bezahlen können. In allen übrigen Fällen verzichteten die Gläubiger auf 30 bis 92 Prozent ihrer Forderungen.
Nachlass-Verhandlungen waren für die Profimag jedoch kein Thema: «In erster Linie erhielten wir den Auftrag, die gesamten Schulden zu sanieren. Wir haben deshalb nur nebenbei auf die Möglichkeit eines Verzichts oder einer Reduktion des Schuldenbetrages hingewiesen», schreibt Profimag-Geschäftsleiter René Fischer dem K-Tipp.
Übrigens: Weil die Profimag «den Fehler betreffend der Betreibung vom Steueramt eingestehen muss, verzichtet sie auf den Abrechnungsbetrag von Fr. 536.30». So viel hatte die Firma von Meier nach deren Vertragskündigung gefordert.
Der Verzicht dürfte die Profimag angesichts der gut 4000 Franken, die sie an Anita Meier ohnehin verdient hat, nicht allzu stark schmerzen.
Seriöse und professionelle Hilfe - Schulden sanieren - so klappts
Wer bei Schuldenbergen professionelle Hilfe möchte, wendet sich am besten an eine öffentliche Fachstelle. Und so läuft eine seriöse Schuldensanierung ab:
- 1. Zuerst klären die Fachleute Fragen wie: Gibt es Forderungen, die Sie sofort begleichen müssen? Gibt es unhaltbare Forderungen? Wie sieht Ihr Budget aus? Verdient der Schuldner so viel, dass er überleben kann, ohne sich wieder neu zu verschulden?
- 2. «Es ist fahrlässig, eine Schuldensanierung zu beginnen, ohne zuerst neben den finanziellen auch die psychischen und sozialen Aspekte abzuklären», sagt Mario Roncoroni vom Verein Schuldensanierung Bern. Und sie kann nur funktionieren, wenn sich der Schuldner beruflich wie privat in einer stabilen Situation befindet.
- 3. Gläubigerliste erstellen. Oft wird dem Schuldner erst jetzt das genaue Ausmass seines Schuldenbergs bewusst.
- 4. Die Fachstelle verlangt von den Gläubigern sofort eine Schuldenstundung von drei Monaten. Roncoroni: «Den meisten kommerziellen Sanierern ist dieser Schritt bereits zu aufwändig.»
- 5. Die Mitarbeiter der Fachstelle erstellen zusammen mit dem Betroffenen ein Budget und rechnen aus, wie viel Geld monatlich für die Tilgung der Schulden übrig bleibt. Eine Sanierung sollte höchstens 3 Jahre dauern.
- 6. Anhand der «3-Jahres-Regel» lässt sich ausrechnen, wie viele Schulden der Betroffene abtragen kann. Auf dieser Basis versuchen die Mitarbeiter der Fachstelle einen aussergerichtlichen Nachlass auszuhandeln: Alle Gläubiger müssen aber mit der Lösung einverstanden sein, also auf denselben Prozentsatz der ausstehenden Beträge verzichten.
- 7. Ist eine aussergerichtliche Einigung nicht möglich, bleibt das gerichtliche Nachlassverfahren. Verweigern nur einige und «kleine» Gläubiger die Zustimmung, kann der Richter sie auf den gerichtlichen Nachlass verpflichten.
- 8. Sind die Aussichten für eine Sanierung schlecht, prüft die Fachstelle, ob ein Privatkonkurs die Probleme verringern könnte.
Eine Liste der Fachstellen, die sich im Dachverband Schuldenberatung organisiert haben, finden: www.ktipp.ch (Button: «Gratis-Service»).