Sauberer Strom? Schön wärs!

Graubünden ist reich an Wasserkraft. Doch Rätia Energie liefert den Bündner Kunden fast nur Strom von «nicht überprüfbaren Energieträgern».

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K-Tipp 01/2009

13.01.2009

Gery Schwager

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Grosse Wasserkraftanlagen sind fürs Landschaftsbild nicht unbedingt ein Segen. Dafür produzieren sie sauberen Strom. Das betonen die Betreiber bei jeder Gelegenheit, um Akzeptanz für die teils massiven Eingriffe zu schaffen.

Doch die Sache mit dem sauberen Strom ist trügerisch. Nicht einmal in Wasserkraftkantonen wie Wallis und Graubünden kann die Bevölkerung sicher sein, den «eigenen» Wasserkraftstrom zu erhalten. Das Elektrizitätswerk Brig-Naters (EWBN) zum Beispiel versorgte seine Kunden 2007 mit Elektrizität, die zu gut drei Vierteln von «nicht überprüfbaren Energieträgern» stammte. Bei Rätia Energie betrug der Anteil dieses Stroms gar über 99 Prozent.

Grund sind die Auslandgeschäfte der Elektrizitätswerke. Das Bundesamt für Energie (BFE) hielt schon 2007 in einem Bericht fest, dass der Schweizer Wasserkraftstrom «nur teilweise an inländische Haushalte» fliesse und zu «besseren Konditionen im Ausland» abgesetzt werden könne.

Mehreinnahmen dank Handel an Strombörse

Was heisst das konkret? Fragen des K-Tipp zum Auslandgeschäft lässt das EWBN unbeantwortet. Rätia Energie räumt zumindest ein, einen grossen Teil ihres Elektrizitätsvolumens an den Strombörsen zu handeln. Nicht beziffern mag die Firma die Höhe der Mehreinnahmen, die sie mit dem Absatz ihres Wasserkraftstroms im Ausland erzielt. Energieexperte Heini Glauser schätzt diese auf 2 bis 3 Rappen pro Kilowattstunde, was jährlich eine Summe von über 15 Millionen Franken ergäbe.

Kehrseite der Medaille: Die Bündner Kunden erhalten fast nur Strom, der an den internationalen Börsen beschafft wurde. Für diese Elektrizität gibts keinen Herkunftsnachweis. Sie darf deshalb als Strom von «nicht überprüfbaren Energieträgern» gekennzeichnet werden.

In Tat und Wahrheit dürfte es sich bei so deklarierter Elektrizität mehrheitlich um ausländische Atomenergie sowie Kohle- und Gasstrom handeln, dessen Produktion massiv CO2 erzeugt.

«Für diesen ‹Dreckstrom› übernimmt niemand die Verantwortung», ärgert sich Glauser. «Er wird mit der Kennzeichnung als Strom von ‹nicht überprüfbaren Energieträgern› weissgewaschen, während im Ausland dank des eingekauften Schweizer Wasserkraftstroms ein reines Ökogewissen entsteht.»

Auch die Schweizerische Energie-Stiftung kritisiert, dass Elektrizitätswerke die Herkunft von ausgeliefertem Strom bis zu 100 Prozent mit dem Begriff der «nicht überprüfbaren Energieträger» verschleiern können. Das stelle den Sinn der Stromkennzeichnung, nämlich Transparenz zu schaffen, sehr stark in Frage.

Immerhin: Neu verlangt der Bund von Werken, die ihre Kunden zu mehr als 20 Prozent mit Strom von «nicht überprüfbaren Energieträgern» versorgen, den hohen Anteil in der Deklaration zu begründen. Noch ist davon nicht viel zu sehen.

Bedenklicher Strommix

Noch immer ist der Glaube weit verbreitet, die Schweiz versorge sich mehrheitlich mit sauberem Strom aus Wasserkraft. Doch der vom Bundesamt für Energie (BFE) veröffentlichte erste Evaluationsbericht zur Stromkennzeichnung zeigt ein anderes Bild.
Demnach stammen rund 41 Prozent des in der Schweiz ausgelieferten Stroms aus Atomenergie, 34 Prozent aus Wasserkraft, je 2 Prozent von fossilen Energieträgern (Kohle, Gas, Öl) und aus Abfall sowie weniger als 1 Prozent aus Sonne, Wind und Biomasse.

Der Anteil des Stroms von «nicht überprüfbaren Energieträgern» liegt bei 21 Prozent. Dieser Strom wird laut BFE wohl auf internationalen Börsen eingekauft und stammt mehrheitlich aus fossilen und nuklearen Quellen. Konkret sind das rund 11 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Umgekehrt werden gut 13 Milliarden kWh Schweizer Wasserkraftstrom exportiert.

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