Ein gut funktionierender Service public war in K-Tipp und «Saldo» schon immer ein Thema. Seit aber die Volksinitiative «Pro Service public» gestartet wurde, ist die Berichterstattung schwieriger geworden. Normalerweise legten die Redaktoren den öffentlichen Betrieben Reklamationen der Leser vor und stellen dazu Fragen.

Doch seit letztem Herbst beantworten die SBB die Fragen nicht mehr. Begründung der PR-Abteilung: Die Texte zum Service public würden «journalistischen Grundsätzen der Unvoreingenommenheit und der Ausgewogenheit» nicht mehr genügen.

Peter Studer, Rechts­anwalt und ehemaliger Präsident des Presserats, hält diese Informations­verweigerung seitens der SBB für «rechts- und verfassungswidrig» («Saldo» 10/2013). Studer stützt sich auf einen Bundes­gerichts­entscheid aus dem letzten Jahr. Damit hätten die Richter den SBB in Erinnerung gerufen, dass sie der Meinungs- und Informationsfreiheit verpflichtet seien.

Ende Mai ist die Initia­tive «Pro Service public» bei der Bundeskanzlei ­eingereicht worden. Nun beantworten die SBB die Fragen von K-Tipp und «Saldo» wieder. Allerdings nicht wie gewohnt per Telefon oder E-Mail, sondern auf der Internetseite www.sbb-media.ch. Und zwar bevor die Zeitschriften sie veröffentlichen können. 

Dieses Vorgehen der SBB bezeichnet Peter Studer als «unanständig». Möglicherweise sei es auch unlauter. Dies, weil die SBB wissen müssten, dass die Anfragen von Redaktionen kommen, die mit anderen ­Medien im Wettbewerb stehen und eine aufwen­dige ­Leserberatung unterhalten. Das heisst: Andere ­Redaktionen können von fremden Recherchen profitieren.

Störend auch: Obwohl die SBB unermüdlich ­wiederholen, wie wichtig ihnen der Dialog mit den Journalisten sei, haben sie K-Tipp und «Saldo» weder im Voraus noch im Nachhinein über die Veröffentlichung der Anfragen informiert. Die SBB rechtfertigen ihr fragwürdiges Vorgehen damit, dass auch «ihre Inhalte» – nämlich die Antworten auf Fragen der Redaktionen – von K-Tipp und «Saldo» zitiert würden. 

Die SBB wollen von ­ihrer Strategie nicht ab­rücken. Immerhin krebsen sie in einem Punkt ­zurück: Sie wollen in Zukunft mit der Veröffent­lichung im Internet warten, bis die betreffenden Berichte in den Zeitschriften der anfragenden Redaktionen erschienen sind.


Ähnliche Fälle in Deutschland

Das Vorgehen der SBB ist in der Schweiz einmalig. Doch in Deutschland gibts zwei Präzedenzfälle: CSU-Politikerin Dag­mar Wöhrl torpedierte so die «Süddeutsche Zeitung» («SZ»). Die Abgeordnete stand u. a. im Verdacht, vor ­einer Abstimmung trotz Krankmeldung nach Fernost gereist zu sein. Als ein «SZ»-Journalist nachhakte, reagierte Wöhrl, indem sie Fragen und Antworten auf­ ihrer Website publizierte. Die deutsche Journalisten-Union urteilte: «Infam.» Der zweite Fall: Die FDP machte den Fragenkatalog des «Sterns» zu möglichen verdeckten Parteispenden publik.