Via Nachrichtendienst Twitter zitierte die SBB-Medienstelle kürzlich ihren Chef Andreas Meyer: «Unglaubliche Verlagerung auf die mobilen Kanäle. 41,2 Prozent der Verkäufe über digitale Kanäle. Starke Rückgänge am Automaten. Das erstaunt nicht, denn man hat den Automaten in der Hosentasche.»
Unglaubliche Verlagerung? Was erfreulich tönt, hat einen wenig erfreulichen Hintergrund – den Leistungsabbau auf breiter Front:
Schalter zu: 2002 betrieben die SBB noch an 334 Bahnhöfen eigene Schalter. Vergangenes Jahr waren es gerade noch 156 – minus 53 Prozent.
Kürzere Öffnungszeiten: In Bern – immerhin der zweitwichtigste Bahnhof des Landes – schliessen die Schalter um 21 Uhr. Am Wochenende sogar schon um 20 Uhr. An vielen kleineren Bahnhöfen sind die Schalter am Sonntag zu, an manchen sogar schon am Samstag.
Längere Wartezeiten: Wers trotzdem in eine offene Schalterhalle schafft, steht sich dort die Beine in den Bauch. Denn meist sind nur wenige Schalter offen. Die Wartezeiten betragen ohne weiteres eine halbe Stunde.
Abgewiesene Kunden: An den Eingängen zu den Schalterhallen lauern oft SBB-Angestellte den Kunden auf. Ihre einzige Aufgabe: Die Kunden davon abhalten, dass sie an den Schalter gehen, indem sie ihnen die angeblichen Vorzüge der Automaten erklären.
Digitale Sparbillette: Wer von einem Sparbillett profitieren möchte, muss es auf dem elektronischen Weg kaufen. Die vergünstigten Tickets gibt es weder am Schalter noch am Automaten.
Abgebaute Automaten: Viele Automaten sind am Ende ihrer Lebensdauer angelangt. Ein Teil davon soll nicht mehr ersetzt werden. Vor allem auf dem Land.
Mit anderen Worten: Die SBB zwingen ihre Kunden systematisch dazu, ihre Tickets auf elektronischem Weg zu beschaffen. Und dann tun sie so, als ob es die freie Entscheidung der Kunden gewesen wäre.
Die SBB behaupten gegenüber dem K-Tipp: «Wir wollen den Billettkauf weder erschweren noch unattraktiv gestalten. Immer mehr Kunden nutzen die digitalen Kanäle.» Das sei bequem und unkompliziert.
Ab 2025 solls nur noch digitale Billette geben
Doch der «Projektauftrag», den der K-Tipp im vergangenen Herbst bekannt machte, spricht eine andere Sprache (K-Tipp 15/2018). Dort schreibt die Tariforganisation CH-direct: Bis 2025 sollen «Papiertickets und die entsprechenden Vertriebskanäle weitestgehend abgeschafft sein». Mit den Vertriebskanälen sind Schalter und Automaten gemeint.
Und die SBB sind auf gutem Weg, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen. Zwar verkaufen sie noch immer über 55 Prozent ihrer Billette am Schalter und am Automaten. Doch die Tendenz ist abnehmend. Vor fünf Jahren waren es noch fast 83 Prozent.
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