Letztes Jahr hatten die SBB erstmals seit langem rückläufige Passagierzahlen zu verzeichnen. Pro Tag beförderten sie durchschnittlich 967 000 Per­sonen – 10 000 weniger als 2011. Auch die Zahl der gefahrenen Personenkilometer ging zurück, und zwar um 1,2 Prozent.

Doch SBB-Chef Andreas ­Meyer wusste an der ­Medienkonferenz genau, woran es lag: nicht etwa an höheren Preisen und schlechterem Service – sondern an der «sinkenden Nachfrage im Tourismusbereich», am starken ­Franken und an der ­schwächelnden Konjunktur.

«Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube», kontert Kurt Schreiber, Präsident des Interessenverbands Pro Bahn Schweiz, die Interpretation von Meyer. Und ­­tatsächlich: Laut Beherbergungsstatistik des Bundes registrierten die Schweizer Hotels im letzten Jahr zwar 2 Prozent weniger Logiernächte, aber gleichzeitig 0,4 Prozent mehr Ankünfte als im Vorjahr. «Die währungsbedingte Verteuerung der Schweiz führte zu keinem Einbruch des Interesses an unserem Reiseland», kommentiert Schweiz Tourismus dazu. Oder anders gesagt: Die Aufenthalte wurden 2012 zwar kürzer – die Zahl der Gäste nahm aber zu.

Für Kurt Schreiber ist denn auch klar: Der Rückgang der SBB-Fahrgast­zahlen ist primär hausgemacht. Die Abschaffung der Möglichkeit, im Zug ein Billett zu kaufen, habe zusammen mit der kompromisslosen Bussenpolitik massiv Kunden ver­ärgert, sagt Schreiber. «Dafür und natürlich für die diversen Preiserhöhungen der letzten Jahre haben die SBB jetzt die Quittung ­erhalten.»

Ähnlich sieht man es beim Verkehrs-Club der Schweiz (VCS): Die tieferen Passagierzahlen seien im Wesentlichen eine Folge der übermässigen Verteuerung des Bahnfahrens, so Sprecher Gerhard Tubandt. «Der Freizeitverkehr hat im letzten Jahr sicher nicht abgenommen, doch die Leute sind vermehrt aufs Auto umge­stiegen.»

Dass zwischen Tarif­aufschlägen und Servicequalität auf der einen und dem Passagieraufkommen auf der anderen Seite ein Zusammenhang bestehen könnte, müssten eigentlich auch die SBB gemerkt haben. Immerhin fanden sie laut jüngstem Geschäfts­bericht bei Erhebungen zur Kundenzufriedenheit ja selber heraus: 2012 beurteilten die Reisenden «das Preis-Leistungs-Verhältnis und das Sitzplatzangebot kritischer» als im Vorjahr.


Bahnen wollen schon wieder mehr Geld

Letzten Sommer gabs frohe Kunde für Bahnfahrer: Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) hatte in einer einvernehm­lichen Regelung mit dem Preisüber­wacher zugestimmt, die Tarife bis Ende 2014 grundsätzlich nicht zu erhöhen.

Doch jetzt wird diese Vereinbarung bereits wieder in Frage gestellt. Die SBB und andere Bahnen machen geltend, im von Bund und Kantonen subventionierten Regionalverkehr bestehe eine ­Abgeltungslücke.

Bei Preisüberwacher Stefan Meierhans hat der VöV bis jetzt noch keine weitere Tariferhöhung angekündigt. Sollte das geschehen, werde er die Sache sehr ­genau prüfen, so Meierhans: «Eine Abgeltungslücke setzt die einvernehmliche Regelung vom letzten Sommer jedenfalls nicht automatisch ausser Kraft.»

Übrigens: Der Gesamtgewinn der SBB im Personenverkehr betrug von 2003 bis 2011 total 1,77 Milliarden und letztes Jahr 269 Millionen Franken.


Schreiben Sie uns! Ihre Meinung interessiert uns

Lange Wartezeiten, knappe Öffnungszeiten, schlechter Service: Was erleben Sie mit SBB und Post?


Schreiben Sie an

Redaktion K-Tipp
«Service public»
Postfach 431, 8024 Zürich
redaktion@ktipp.ch
oder www.ktipp.ch