Die SBB drängen Passagiere dazu, ihre Billette nur noch per Computer oder via Handy zu kaufen (K-Tipp 4/2024). Seit 2019 kann man in der App SBB Mobile mit der Funktion Easyride Tickets für Bahn und Bus kaufen. Dabei schiebt man vor dem Einsteigen einen Startknopf nach rechts und am Ende der Reise wieder nach links. Die App soll dann selber den günstigsten Preis für die zurückgelegte Strecke berechnen.
Easyride funktioniert oft nicht zuverlässig
Die SBB werben damit, dass Kunden mit Easyride «frei und flexibel» reisen könnten. Doch dieses Versprechen hält die Bahn nicht ein. Seit Jahren beschweren sich Kunden beim K-Tipp über die Unzuverlässigkeit von Easyride. Wer die Funktion vor der Abreise nicht auslösen kann oder zu spät aktiviert, wird bei einer Kontrolle gebüsst. Drei Beispiele:
- Das Ehepaar Fahrer aus Wetzikon ZH war im Juni im Sertigtal GR unterwegs. Beim Einsteigen ins Postauto wollte es Easyride aktivieren. Bei der Frau klappte das, bei ihrem Mann nicht. Er musste darauf eine Busse von 100 Franken zahlen.
- Urs Hefti (Name geändert) und seine Partnerin aus Zürich reisten Ende Juni von Winterthur ZH nach Zürich. Sie aktivierten Easyride vor der Abfahrt des Zuges. Beide hatten ein Ticket – das jedoch bei Heftis Partnerin plötzlich nicht mehr angezeigt wurde. Der Kondukteur verlangte einen Zuschlag. Später stellte sich heraus, dass der Frau ein Teil der Strecke doch berechnet worden war. Erst nach mehreren Reklamationen verzichteten die SBB auf das Geld.
- Erika Maag Goudiaby aus Winterthur hatte im Mai Probleme mit Easyride, als sie im Zug mit einer Gruppe von Wolhusen LU nach Luzern reiste. Sie erzählt dem K-Tipp: «Ich betätigte mehrfach den Easyride-Schieber, aber es gab eine Fehlermeldung. Es blieb mir keine Zeit mehr, um am Schalter ein Billett zu lösen.» Sie musste bei der Kontrolle 100 Franken zahlen. Nachträglich reduzierten die SBB den Betrag auf 30 Franken. Die Leserin ärgert sich: «Bei Pannen bleibt alles an uns Kunden hängen.»
Billettkaufversuche liessen sich belegen
Für die Probleme beim Benutzen von Easyride gäbe es eine kundenfreundlichere Lösung. So sagt der Freiburger Nationalrat und Digitalexperte Gerhard Andrey: «Es ist technisch möglich, einen Billettkaufversuch auf Easyride mit einem Zeitstempel zu dokumentieren.» Der digitale Stempel könne auch genutzt werden, um bei schlechtem Internetempfang ein Billett erst nach Abfahrt bestätigen zu lassen.
Die SBB bejahen auf Anfrage des K-Tipp, dass Easyride Fehlversuche jederzeit im Hintergrund protokolliert. Diese Daten enthalten stets einen digitalen Zeitstempel. Kunden könnten also belegen, wann sie versucht hatten, Easyride zu aktivieren. Den Zeitstempel prüft der SBB-Kundendienst aber erst, wenn Kunden sich beschweren und die Protokolldaten anfordern.
Der Berner Christian Folini, Experte für Computersicherheit, bestätigt: Mit dem Zeitstempel bei Easyride könnten Kunden Kaufversuche belegen. Die SBB-Kontrollgeräte liessen sich gar so anpassen, dass sie einen Kaufversuch am Handy des Kunden erkennen. Würden die SBB dies bereits im Zug als Beleg akzeptieren, könnten Kunden einer Busse entgehen.
Jeyakumar Sayanthan ist bei den SBB für die Billett-App verantwortlich. Er sagt: «Es ist besser, den Einzelfall im Nachhinein mit den Daten der App zu analysieren.» Nur so könne man negative Erfahrungen der Kunden nutzen, um Easyride zu verbessern.
Billett via Handy: Das sollten Passagiere beachten
- Wer per Handy ein Billett für Bahn oder Bus kauft, darf erst einsteigen, wenn dies auf seinem Gerät angezeigt wird. Das gilt auch für Easyride in der SBB-App oder die App Fairtiq. Das Risiko für eine fehlende oder mangelhafte Mobilfunkverbindung am Bahnhof oder an der Bushaltestelle tragen die Kunden.
- Wenn die Mobilfunkverbindung steht, die App aber nicht richtig funktioniert, können Reisende eine Fehlermeldung mit einem Bildschirmfoto dokumentieren. Dafür drückt man beim iPhone gleichzeitig die obere Seitentaste und die Home-Taste. Bei Android-Handys unterscheidet sich das Vorgehen je nach Modell.
- Die SBB-App protokolliert Fehlermeldungen in einer Logdatei. Damit können Kunden Störungen belegen. Die Datei findet sich in der App unter Profil → unten links auf die Versionsnummer von «SBB Mobile» klicken → «Share System Report» anklicken und diesen via E-Mail oder Whatsapp anfordern.
- Für Beschwerden muss man sich an das Unternehmen wenden, das die Umtriebsentschädigung verlangt hat. Das Beschwerdeformular für SBB-Passagiere ist zu finden auf Sbb.ch → Hilfe & Kontakt → Alle Hilfethemen → Reklamation.